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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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ihn all in den Rhein (Z. 1360 -- 1379). Auch Brünhil-
dens Sohn, der nach den Nibelungen Siegfried hieß,
kommt am Ende der Klage vor, und wird zuletzt zum Kö-
nig gekrönt. Wie aber
der kunic sit gesaz,
Und wie lang' er krone mohte tragen,
Daz kan ich niemen gesagen;
Du maere suln uns noch komen.

(Z. 4292 ff.). Ute wohnte nach der Klage (Z. 3908 ff.)
zu Lorse 47), von wo sie nach Worms eilte, als Swem-
mel kam.

Als Kriemhild nach Siegfrieds Ermordung verwitt-
wet ward, brachte sie der Schmerz so weit, daß sie sich
alle Freuden versagte, und vor Klagen kaum das Leben
behielt. Nachher ward sie Etzels Weib;
Durch rache muste si daz tun,
Und durch deheinu minne niht,
Als uns du aventure giht.

(Z. 83 ff.) Auch dies hieß der Rede Meister in dem Mähre
dichten, wie reich der König Etzel gewesen: täglich hatte er
zwölf Könige unter sich; die dienten ihm mit Ehren 48). End-
lich ist uns auch bekannt und oft gesagt, daß der König
zuvor ein tugendhaftes Weib hatte, die Helke hieß, und
daß Kriemhild in Hünenland herrschte, wie Frau Helke
zuvor gethan.

So findet sich in der ganzen Klage nirgend eine Spur
von Siegfrieds früheren Thaten, seiner Unverwundbarkeit-
den Nibelungen und der Tarnkappe 49), oder wie Brün-
hild zweimahl dadurch bezwungen wurde, daß Günther

E

ihn all in den Rhein (Z. 1360 — 1379). Auch Brünhil-
dens Sohn, der nach den Nibelungen Siegfried hieß,
kommt am Ende der Klage vor, und wird zuletzt zum Kö-
nig gekrönt. Wie aber
der ku̓nic ſit geſaz,
Und wie lang’ er krone mohte tragen,
Daz kan ich niemen geſagen;
Du̓ mære ſuln uns noch komen.

(Z. 4292 ff.). Ute wohnte nach der Klage (Z. 3908 ff.)
zu Lorſe 47), von wo ſie nach Worms eilte, als Swem-
mel kam.

Als Kriemhild nach Siegfrieds Ermordung verwitt-
wet ward, brachte ſie der Schmerz ſo weit, daß ſie ſich
alle Freuden verſagte, und vor Klagen kaum das Leben
behielt. Nachher ward ſie Etzels Weib;
Durch rache můſte ſi daz tůn,
Und durch deheinu̓ minne niht,
Als uns du̓ aventu̓re giht.

(Z. 83 ff.) Auch dies hieß der Rede Meiſter in dem Mähre
dichten, wie reich der König Etzel geweſen: täglich hatte er
zwölf Könige unter ſich; die dienten ihm mit Ehren 48). End-
lich iſt uns auch bekannt und oft geſagt, daß der König
zuvor ein tugendhaftes Weib hatte, die Helke hieß, und
daß Kriemhild in Hünenland herrſchte, wie Frau Helke
zuvor gethan.

So findet ſich in der ganzen Klage nirgend eine Spur
von Siegfrieds früheren Thaten, ſeiner Unverwundbarkeit-
den Nibelungen und der Tarnkappe 49), oder wie Brün-
hild zweimahl dadurch bezwungen wurde, daß Günther

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[65/0073] ihn all in den Rhein (Z. 1360 — 1379). Auch Brünhil- dens Sohn, der nach den Nibelungen Siegfried hieß, kommt am Ende der Klage vor, und wird zuletzt zum Kö- nig gekrönt. Wie aber der ku̓nic ſit geſaz, Und wie lang’ er krone mohte tragen, Daz kan ich niemen geſagen; Du̓ mære ſuln uns noch komen. (Z. 4292 ff.). Ute wohnte nach der Klage (Z. 3908 ff.) zu Lorſe ⁴⁷⁾ , von wo ſie nach Worms eilte, als Swem- mel kam. Als Kriemhild nach Siegfrieds Ermordung verwitt- wet ward, brachte ſie der Schmerz ſo weit, daß ſie ſich alle Freuden verſagte, und vor Klagen kaum das Leben behielt. Nachher ward ſie Etzels Weib; Durch rache můſte ſi daz tůn, Und durch deheinu̓ minne niht, Als uns du̓ aventu̓re giht. (Z. 83 ff.) Auch dies hieß der Rede Meiſter in dem Mähre dichten, wie reich der König Etzel geweſen: täglich hatte er zwölf Könige unter ſich; die dienten ihm mit Ehren ⁴⁸⁾ . End- lich iſt uns auch bekannt und oft geſagt, daß der König zuvor ein tugendhaftes Weib hatte, die Helke hieß, und daß Kriemhild in Hünenland herrſchte, wie Frau Helke zuvor gethan. So findet ſich in der ganzen Klage nirgend eine Spur von Siegfrieds früheren Thaten, ſeiner Unverwundbarkeit- den Nibelungen und der Tarnkappe ⁴⁹⁾ , oder wie Brün- hild zweimahl dadurch bezwungen wurde, daß Günther E

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/73>, abgerufen am 26.04.2024.