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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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VI. Hauptstück.
leicht, daß bey beyden, besonders aber bey dem letz-
tern, die Frage von der unendlichen Theilbarkeit des
Soliden vorkömmt, (§. 90.). Denn läßt sich das
Solide nicht unendlich theilen, wie der Raum, so
kommen die epicurischen Atomen vor, und so fern
diese der Figur nach verschieden seyn können, sind sie
wenigstens in dieser Absicht nothwendig der Art nach
verschieden, weil an der Figur eines jeden nichts mehr
geändert werden kann. Sie haben gleichsam eine
unendliche Härtigkeit. Und wie sie sich auch durch
eine unendliche Kraft nicht mehr in kleinere Theile
trennen lassen, so lassen sie sich auch weder theilsweise
noch ganz vernichten. Läßt sich aber das Solide un-
endlich theilen, so kann jedes Solide, das eine Größe
hat, als zusammengesetzet angesehen werden, und die
Dichtigkeit kann von 0 bis auf 1 gehen. Die Festig-
keit aber wird nach den Kräften geschätzet, mit wel-
chen es in Theile getrennet werden muß. Jn dieser
Absicht betrachtet, können die kleinern Theile fester
mit einander verbunden seyn, als die größern, und
diese Möglichkeit hat, in Absicht auf chymische Pro-
cesse, ihre Folgen, wenn dabey die Frage vorkömmt,
wie fern vermittelst fürgegebener Kräfte eine Art von
Körpern in eine andere verwandelt werden könne?
Denn so z. E. mag das Feuer die Körper auflößen,
so weit es deren Theile trennen, und zwischen diese
hineindringen mag. Dieses geht aber nicht bis in
das unendlich Kleine. Demnach werden die kleinern
Theile, die nothwendig enger beysammen sind, von
dem Feuer nicht nur nicht getrennet, sondern ehender
stärker zusammengedrückt, weil das Feuer nicht zwi-
schen dieselbe hinein, sondern nur auf ihre äußere
Fläche seine Kraft äußert. So lößt auch z. E. das
Scheidewasser das Silber zwar auf, aber nicht so,

daß

VI. Hauptſtuͤck.
leicht, daß bey beyden, beſonders aber bey dem letz-
tern, die Frage von der unendlichen Theilbarkeit des
Soliden vorkoͤmmt, (§. 90.). Denn laͤßt ſich das
Solide nicht unendlich theilen, wie der Raum, ſo
kommen die epicuriſchen Atomen vor, und ſo fern
dieſe der Figur nach verſchieden ſeyn koͤnnen, ſind ſie
wenigſtens in dieſer Abſicht nothwendig der Art nach
verſchieden, weil an der Figur eines jeden nichts mehr
geaͤndert werden kann. Sie haben gleichſam eine
unendliche Haͤrtigkeit. Und wie ſie ſich auch durch
eine unendliche Kraft nicht mehr in kleinere Theile
trennen laſſen, ſo laſſen ſie ſich auch weder theilsweiſe
noch ganz vernichten. Laͤßt ſich aber das Solide un-
endlich theilen, ſo kann jedes Solide, das eine Groͤße
hat, als zuſammengeſetzet angeſehen werden, und die
Dichtigkeit kann von 0 bis auf 1 gehen. Die Feſtig-
keit aber wird nach den Kraͤften geſchaͤtzet, mit wel-
chen es in Theile getrennet werden muß. Jn dieſer
Abſicht betrachtet, koͤnnen die kleinern Theile feſter
mit einander verbunden ſeyn, als die groͤßern, und
dieſe Moͤglichkeit hat, in Abſicht auf chymiſche Pro-
ceſſe, ihre Folgen, wenn dabey die Frage vorkoͤmmt,
wie fern vermittelſt fuͤrgegebener Kraͤfte eine Art von
Koͤrpern in eine andere verwandelt werden koͤnne?
Denn ſo z. E. mag das Feuer die Koͤrper aufloͤßen,
ſo weit es deren Theile trennen, und zwiſchen dieſe
hineindringen mag. Dieſes geht aber nicht bis in
das unendlich Kleine. Demnach werden die kleinern
Theile, die nothwendig enger beyſammen ſind, von
dem Feuer nicht nur nicht getrennet, ſondern ehender
ſtaͤrker zuſammengedruͤckt, weil das Feuer nicht zwi-
ſchen dieſelbe hinein, ſondern nur auf ihre aͤußere
Flaͤche ſeine Kraft aͤußert. So loͤßt auch z. E. das
Scheidewaſſer das Silber zwar auf, aber nicht ſo,

daß
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[168/0204] VI. Hauptſtuͤck. leicht, daß bey beyden, beſonders aber bey dem letz- tern, die Frage von der unendlichen Theilbarkeit des Soliden vorkoͤmmt, (§. 90.). Denn laͤßt ſich das Solide nicht unendlich theilen, wie der Raum, ſo kommen die epicuriſchen Atomen vor, und ſo fern dieſe der Figur nach verſchieden ſeyn koͤnnen, ſind ſie wenigſtens in dieſer Abſicht nothwendig der Art nach verſchieden, weil an der Figur eines jeden nichts mehr geaͤndert werden kann. Sie haben gleichſam eine unendliche Haͤrtigkeit. Und wie ſie ſich auch durch eine unendliche Kraft nicht mehr in kleinere Theile trennen laſſen, ſo laſſen ſie ſich auch weder theilsweiſe noch ganz vernichten. Laͤßt ſich aber das Solide un- endlich theilen, ſo kann jedes Solide, das eine Groͤße hat, als zuſammengeſetzet angeſehen werden, und die Dichtigkeit kann von 0 bis auf 1 gehen. Die Feſtig- keit aber wird nach den Kraͤften geſchaͤtzet, mit wel- chen es in Theile getrennet werden muß. Jn dieſer Abſicht betrachtet, koͤnnen die kleinern Theile feſter mit einander verbunden ſeyn, als die groͤßern, und dieſe Moͤglichkeit hat, in Abſicht auf chymiſche Pro- ceſſe, ihre Folgen, wenn dabey die Frage vorkoͤmmt, wie fern vermittelſt fuͤrgegebener Kraͤfte eine Art von Koͤrpern in eine andere verwandelt werden koͤnne? Denn ſo z. E. mag das Feuer die Koͤrper aufloͤßen, ſo weit es deren Theile trennen, und zwiſchen dieſe hineindringen mag. Dieſes geht aber nicht bis in das unendlich Kleine. Demnach werden die kleinern Theile, die nothwendig enger beyſammen ſind, von dem Feuer nicht nur nicht getrennet, ſondern ehender ſtaͤrker zuſammengedruͤckt, weil das Feuer nicht zwi- ſchen dieſelbe hinein, ſondern nur auf ihre aͤußere Flaͤche ſeine Kraft aͤußert. So loͤßt auch z. E. das Scheidewaſſer das Silber zwar auf, aber nicht ſo, daß

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/204>, abgerufen am 28.04.2024.