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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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VII. Hauptstück.
schiedenes Solides zugleich an einem Orte exi-
stiren könne,
(§. 103. Axiom. 5. 6.). Letzteres aber
machet, daß man das der Zeit nach zugleich seyn
mit dem beysammen seyn zu Paaren gehen läßt,
und daher durch das zugleich seyn auf eine allge-
meinere Art eben so viel versteht, als in einem bey-
sammen seyn.
Wir sind nun ohnehin gewöhnet,
die Begriffe des Raumes ehender, als die Begriffe
der Zeit transcendent zu machen (§. 84.), und da
wir den Gedanken eine Ausdehnung, Ort, Ab-
stand
etc. geben (§. 81.), so dehnen wir das beysam-
men seyn,
und mittelst diesem auch das zugleich
seyn
auf das Gedankenreich und die Jntellectual-
welt aus. So sehen wir das beysammen, oder
in einander seyn, der einfachen Begriffe
(§. 250.
No. 1.), wie das in einander oder an einem Orte
seyn des Soliden,
auf eine ähnliche Art an, und
setzen in beydem Widersprüche. Es ist nicht zu zwei-
feln, daß, da jedem, auch abstracten Gedanken die
Bewegung gewisser Fibern in dem Gehirne ent-
spricht, wir ein confuses Bewußtseyn und Empfin-
dung von der Lage dieser Fibern haben, ungefähr,
wie wir den Ort derselben klärer empfinden, wenn
der Schmerz die Empfindung verstärket. Und so
giebt allem Ansehen nach, da jede Fiber ihre beson-
dere Lage und Ort hat, das confuse Bewußtseyn der
Empfindung den natürlichen und unmittelbaren An-
laß, den Gedanken Ausdehnung, Ort und Abstand
zu geben. Wir machen hier diese Anmerkung gele-
gentlich in Absicht auf das System von Worterklä-
rungen, (§. 26.). Sie gehöret aber eigentlich zu
der in dem dritten und vierten Hauptstücke der Phä-
nomenologie überhaupt angezeigten Theorie, der in
dem Gehirne vorkommenden Empfindungen, welche

die

VII. Hauptſtuͤck.
ſchiedenes Solides zugleich an einem Orte exi-
ſtiren koͤnne,
(§. 103. Axiom. 5. 6.). Letzteres aber
machet, daß man das der Zeit nach zugleich ſeyn
mit dem beyſammen ſeyn zu Paaren gehen laͤßt,
und daher durch das zugleich ſeyn auf eine allge-
meinere Art eben ſo viel verſteht, als in einem bey-
ſammen ſeyn.
Wir ſind nun ohnehin gewoͤhnet,
die Begriffe des Raumes ehender, als die Begriffe
der Zeit tranſcendent zu machen (§. 84.), und da
wir den Gedanken eine Ausdehnung, Ort, Ab-
ſtand
ꝛc. geben (§. 81.), ſo dehnen wir das beyſam-
men ſeyn,
und mittelſt dieſem auch das zugleich
ſeyn
auf das Gedankenreich und die Jntellectual-
welt aus. So ſehen wir das beyſammen, oder
in einander ſeyn, der einfachen Begriffe
(§. 250.
Nº. 1.), wie das in einander oder an einem Orte
ſeyn des Soliden,
auf eine aͤhnliche Art an, und
ſetzen in beydem Widerſpruͤche. Es iſt nicht zu zwei-
feln, daß, da jedem, auch abſtracten Gedanken die
Bewegung gewiſſer Fibern in dem Gehirne ent-
ſpricht, wir ein confuſes Bewußtſeyn und Empfin-
dung von der Lage dieſer Fibern haben, ungefaͤhr,
wie wir den Ort derſelben klaͤrer empfinden, wenn
der Schmerz die Empfindung verſtaͤrket. Und ſo
giebt allem Anſehen nach, da jede Fiber ihre beſon-
dere Lage und Ort hat, das confuſe Bewußtſeyn der
Empfindung den natuͤrlichen und unmittelbaren An-
laß, den Gedanken Ausdehnung, Ort und Abſtand
zu geben. Wir machen hier dieſe Anmerkung gele-
gentlich in Abſicht auf das Syſtem von Worterklaͤ-
rungen, (§. 26.). Sie gehoͤret aber eigentlich zu
der in dem dritten und vierten Hauptſtuͤcke der Phaͤ-
nomenologie uͤberhaupt angezeigten Theorie, der in
dem Gehirne vorkommenden Empfindungen, welche

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[224/0260] VII. Hauptſtuͤck. ſchiedenes Solides zugleich an einem Orte exi- ſtiren koͤnne, (§. 103. Axiom. 5. 6.). Letzteres aber machet, daß man das der Zeit nach zugleich ſeyn mit dem beyſammen ſeyn zu Paaren gehen laͤßt, und daher durch das zugleich ſeyn auf eine allge- meinere Art eben ſo viel verſteht, als in einem bey- ſammen ſeyn. Wir ſind nun ohnehin gewoͤhnet, die Begriffe des Raumes ehender, als die Begriffe der Zeit tranſcendent zu machen (§. 84.), und da wir den Gedanken eine Ausdehnung, Ort, Ab- ſtand ꝛc. geben (§. 81.), ſo dehnen wir das beyſam- men ſeyn, und mittelſt dieſem auch das zugleich ſeyn auf das Gedankenreich und die Jntellectual- welt aus. So ſehen wir das beyſammen, oder in einander ſeyn, der einfachen Begriffe (§. 250. Nº. 1.), wie das in einander oder an einem Orte ſeyn des Soliden, auf eine aͤhnliche Art an, und ſetzen in beydem Widerſpruͤche. Es iſt nicht zu zwei- feln, daß, da jedem, auch abſtracten Gedanken die Bewegung gewiſſer Fibern in dem Gehirne ent- ſpricht, wir ein confuſes Bewußtſeyn und Empfin- dung von der Lage dieſer Fibern haben, ungefaͤhr, wie wir den Ort derſelben klaͤrer empfinden, wenn der Schmerz die Empfindung verſtaͤrket. Und ſo giebt allem Anſehen nach, da jede Fiber ihre beſon- dere Lage und Ort hat, das confuſe Bewußtſeyn der Empfindung den natuͤrlichen und unmittelbaren An- laß, den Gedanken Ausdehnung, Ort und Abſtand zu geben. Wir machen hier dieſe Anmerkung gele- gentlich in Abſicht auf das Syſtem von Worterklaͤ- rungen, (§. 26.). Sie gehoͤret aber eigentlich zu der in dem dritten und vierten Hauptſtuͤcke der Phaͤ- nomenologie uͤberhaupt angezeigten Theorie, der in dem Gehirne vorkommenden Empfindungen, welche die

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/260>, abgerufen am 29.04.2024.