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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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X. Hauptstück. Das Wahr seyn
führter Satz stellet die Verbindung zwischen diesen
Begriffen vor. Diese Verbindung kann nun in ein-
fachere aufgelöset werden, welche nicht alle diese vier
Begriffe mit einem Male betreffen, und so haben
wir sie bereits oben vorgetragen. Nämlich

1°. ohne Solides und Kräfte existirt nichts, (§. 103.
Axiom. 2. §. 90.).
2°. Was etwas kann (actiue), hat eine Kraft,
und hinwiederum, (§. 29.).

Nach dem ersten dieser Sätze müßte schlechthin allem
Gedenkbaren die Möglichkeit zu existiren abgespro-
chen werden, wenn sie dem Soliden und der Kraft
abgesprochen werden sollte. Auf diese Art aber wäre
die Existenz ein Prädicat ohne Subject, und

folglich A und Nicht - A (§. 261. N°. 3. 2.), wel-
ches schlechthin nicht angeht, weil der Begriff der
Existenz einfach ist, (§. 19.). Demnach kann dem
Soliden und der Kraft die Möglichkeit zu existiren
nicht abgesprochen werden. Wir können hiebey
noch dahin gestellet seyn lassen, wie ferne Kraft und
Solides, einerley oder mit einander verbunden sind.
Das Solide mag immerhin für sich existiren können,
so läßt sich zwischen mehrerem Soliden ohne Kraft
keine reale oder positive Verbindung gedenken. Und
dieser würde demnach ebenfalls die Möglichkeit zu
existiren abgesprochen werden müssen, wenn die Kraft
nicht sollte existiren können. Giebt man demnach
dem Soliden und der Kraft die Möglichkeit zu exi-
stiren zu; so ist nicht nur in beyden für sich betrachtet,
metaphysische Wahrheit, sondern diese dehnet sich
auch auf jede Verbindungen aus, die in mehrerem
Solidem vermittelst der Kräfte eine positive Mög-
lichkeit haben, das will sagen, zur Wirklichkeit ge-
bracht werden können.

§. 299.

X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn
fuͤhrter Satz ſtellet die Verbindung zwiſchen dieſen
Begriffen vor. Dieſe Verbindung kann nun in ein-
fachere aufgeloͤſet werden, welche nicht alle dieſe vier
Begriffe mit einem Male betreffen, und ſo haben
wir ſie bereits oben vorgetragen. Naͤmlich

1°. ohne Solides und Kraͤfte exiſtirt nichts, (§. 103.
Axiom. 2. §. 90.).
2°. Was etwas kann (actiue), hat eine Kraft,
und hinwiederum, (§. 29.).

Nach dem erſten dieſer Saͤtze muͤßte ſchlechthin allem
Gedenkbaren die Moͤglichkeit zu exiſtiren abgeſpro-
chen werden, wenn ſie dem Soliden und der Kraft
abgeſprochen werden ſollte. Auf dieſe Art aber waͤre
die Exiſtenz ein Praͤdicat ohne Subject, und

folglich A und NichtA (§. 261. N°. 3. 2.), wel-
ches ſchlechthin nicht angeht, weil der Begriff der
Exiſtenz einfach iſt, (§. 19.). Demnach kann dem
Soliden und der Kraft die Moͤglichkeit zu exiſtiren
nicht abgeſprochen werden. Wir koͤnnen hiebey
noch dahin geſtellet ſeyn laſſen, wie ferne Kraft und
Solides, einerley oder mit einander verbunden ſind.
Das Solide mag immerhin fuͤr ſich exiſtiren koͤnnen,
ſo laͤßt ſich zwiſchen mehrerem Soliden ohne Kraft
keine reale oder poſitive Verbindung gedenken. Und
dieſer wuͤrde demnach ebenfalls die Moͤglichkeit zu
exiſtiren abgeſprochen werden muͤſſen, wenn die Kraft
nicht ſollte exiſtiren koͤnnen. Giebt man demnach
dem Soliden und der Kraft die Moͤglichkeit zu exi-
ſtiren zu; ſo iſt nicht nur in beyden fuͤr ſich betrachtet,
metaphyſiſche Wahrheit, ſondern dieſe dehnet ſich
auch auf jede Verbindungen aus, die in mehrerem
Solidem vermittelſt der Kraͤfte eine poſitive Moͤg-
lichkeit haben, das will ſagen, zur Wirklichkeit ge-
bracht werden koͤnnen.

§. 299.
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[288/0324] X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn fuͤhrter Satz ſtellet die Verbindung zwiſchen dieſen Begriffen vor. Dieſe Verbindung kann nun in ein- fachere aufgeloͤſet werden, welche nicht alle dieſe vier Begriffe mit einem Male betreffen, und ſo haben wir ſie bereits oben vorgetragen. Naͤmlich 1°. ohne Solides und Kraͤfte exiſtirt nichts, (§. 103. Axiom. 2. §. 90.). 2°. Was etwas kann (actiue), hat eine Kraft, und hinwiederum, (§. 29.). Nach dem erſten dieſer Saͤtze muͤßte ſchlechthin allem Gedenkbaren die Moͤglichkeit zu exiſtiren abgeſpro- chen werden, wenn ſie dem Soliden und der Kraft abgeſprochen werden ſollte. Auf dieſe Art aber waͤre die Exiſtenz ein Praͤdicat ohne Subject, und folglich A und Nicht ‒ A (§. 261. N°. 3. 2.), wel- ches ſchlechthin nicht angeht, weil der Begriff der Exiſtenz einfach iſt, (§. 19.). Demnach kann dem Soliden und der Kraft die Moͤglichkeit zu exiſtiren nicht abgeſprochen werden. Wir koͤnnen hiebey noch dahin geſtellet ſeyn laſſen, wie ferne Kraft und Solides, einerley oder mit einander verbunden ſind. Das Solide mag immerhin fuͤr ſich exiſtiren koͤnnen, ſo laͤßt ſich zwiſchen mehrerem Soliden ohne Kraft keine reale oder poſitive Verbindung gedenken. Und dieſer wuͤrde demnach ebenfalls die Moͤglichkeit zu exiſtiren abgeſprochen werden muͤſſen, wenn die Kraft nicht ſollte exiſtiren koͤnnen. Giebt man demnach dem Soliden und der Kraft die Moͤglichkeit zu exi- ſtiren zu; ſo iſt nicht nur in beyden fuͤr ſich betrachtet, metaphyſiſche Wahrheit, ſondern dieſe dehnet ſich auch auf jede Verbindungen aus, die in mehrerem Solidem vermittelſt der Kraͤfte eine poſitive Moͤg- lichkeit haben, das will ſagen, zur Wirklichkeit ge- bracht werden koͤnnen. §. 299.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/324>, abgerufen am 29.04.2024.