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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Volle und das Durchgängige.
des Begriffes der Vollkommenheit nöthig seyn wird.
Wir merken demnach an, daß nicht nur jede Wir-
kung für sich ihre Folgen habe, sondern daß,
wenn zwo oder mehrere mit einander verbun-
den werden, ihre Folgen nicht mehr bloß ein-
fach bleiben, sondern in der Zusammensetzung
noch mehr enthalten, als jedes für sich, so daß
man öfters Mühe hat, das Einfache zu finden,
welches jeder Wirkung besonders zugeschrie-
ben werden muß. Ferner, daß jede Aenderung,
die in einer Sache gewirket wird, neue Ver-
hältnisse der Sache sowohl in ihren Theilen als
gegen andere Sachen, nach sich ziehen, und
folglich bey Zusammensetzung der Wirkungen
auch vielfältigere neue Verhältnisse entstehen.

Die Folge, die wir hieraus ziehen, ist, daß wenn
man mehrere Absichten zugleich zu erhalten sucht,
eben nicht nothwendig jede für sich müsse gesucht, oder
zu jeder besondere Mittel gebraucht werden. Denn
so ofte diese Absichten in der That nur Folgen
von einerley Wirkung seyn können, so hat
man auch nur diese aufzusuchen, um jene zu-
sammen und am unmittelbarsten zu haben.
Die
Frage kömmt demnach darauf an, wie ferne man
es den Absichten, die man zusammen erhalten
will, ansehen könne, ob sie durch einerley Mit-
tel erhalten werden können?
Auf diese Frage kann
man nun ungefähr eben so antworten, wie man in
der Jntegralrechnung den Satz giebt, daß man sich
die nach allen Arten verwandelten Differentialformeln
von bekannten Jntegralgrößen wohl bekannt machen,
und gleichsam ein Register davon in Vorrath sammeln
müsse, damit man sehen könne, ob eine fürgegebene
Differentialgröße oder ihre Theile nicht bereits schon

darunter
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Das Volle und das Durchgaͤngige.
des Begriffes der Vollkommenheit noͤthig ſeyn wird.
Wir merken demnach an, daß nicht nur jede Wir-
kung fuͤr ſich ihre Folgen habe, ſondern daß,
wenn zwo oder mehrere mit einander verbun-
den werden, ihre Folgen nicht mehr bloß ein-
fach bleiben, ſondern in der Zuſammenſetzung
noch mehr enthalten, als jedes fuͤr ſich, ſo daß
man oͤfters Muͤhe hat, das Einfache zu finden,
welches jeder Wirkung beſonders zugeſchrie-
ben werden muß. Ferner, daß jede Aenderung,
die in einer Sache gewirket wird, neue Ver-
haͤltniſſe der Sache ſowohl in ihren Theilen als
gegen andere Sachen, nach ſich ziehen, und
folglich bey Zuſammenſetzung der Wirkungen
auch vielfaͤltigere neue Verhaͤltniſſe entſtehen.

Die Folge, die wir hieraus ziehen, iſt, daß wenn
man mehrere Abſichten zugleich zu erhalten ſucht,
eben nicht nothwendig jede fuͤr ſich muͤſſe geſucht, oder
zu jeder beſondere Mittel gebraucht werden. Denn
ſo ofte dieſe Abſichten in der That nur Folgen
von einerley Wirkung ſeyn koͤnnen, ſo hat
man auch nur dieſe aufzuſuchen, um jene zu-
ſammen und am unmittelbarſten zu haben.
Die
Frage koͤmmt demnach darauf an, wie ferne man
es den Abſichten, die man zuſammen erhalten
will, anſehen koͤnne, ob ſie durch einerley Mit-
tel erhalten werden koͤnnen?
Auf dieſe Frage kann
man nun ungefaͤhr eben ſo antworten, wie man in
der Jntegralrechnung den Satz giebt, daß man ſich
die nach allen Arten verwandelten Differentialformeln
von bekannten Jntegralgroͤßen wohl bekannt machen,
und gleichſam ein Regiſter davon in Vorrath ſammeln
muͤſſe, damit man ſehen koͤnne, ob eine fuͤrgegebene
Differentialgroͤße oder ihre Theile nicht bereits ſchon

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[355/0391] Das Volle und das Durchgaͤngige. des Begriffes der Vollkommenheit noͤthig ſeyn wird. Wir merken demnach an, daß nicht nur jede Wir- kung fuͤr ſich ihre Folgen habe, ſondern daß, wenn zwo oder mehrere mit einander verbun- den werden, ihre Folgen nicht mehr bloß ein- fach bleiben, ſondern in der Zuſammenſetzung noch mehr enthalten, als jedes fuͤr ſich, ſo daß man oͤfters Muͤhe hat, das Einfache zu finden, welches jeder Wirkung beſonders zugeſchrie- ben werden muß. Ferner, daß jede Aenderung, die in einer Sache gewirket wird, neue Ver- haͤltniſſe der Sache ſowohl in ihren Theilen als gegen andere Sachen, nach ſich ziehen, und folglich bey Zuſammenſetzung der Wirkungen auch vielfaͤltigere neue Verhaͤltniſſe entſtehen. Die Folge, die wir hieraus ziehen, iſt, daß wenn man mehrere Abſichten zugleich zu erhalten ſucht, eben nicht nothwendig jede fuͤr ſich muͤſſe geſucht, oder zu jeder beſondere Mittel gebraucht werden. Denn ſo ofte dieſe Abſichten in der That nur Folgen von einerley Wirkung ſeyn koͤnnen, ſo hat man auch nur dieſe aufzuſuchen, um jene zu- ſammen und am unmittelbarſten zu haben. Die Frage koͤmmt demnach darauf an, wie ferne man es den Abſichten, die man zuſammen erhalten will, anſehen koͤnne, ob ſie durch einerley Mit- tel erhalten werden koͤnnen? Auf dieſe Frage kann man nun ungefaͤhr eben ſo antworten, wie man in der Jntegralrechnung den Satz giebt, daß man ſich die nach allen Arten verwandelten Differentialformeln von bekannten Jntegralgroͤßen wohl bekannt machen, und gleichſam ein Regiſter davon in Vorrath ſammeln muͤſſe, damit man ſehen koͤnne, ob eine fuͤrgegebene Differentialgroͤße oder ihre Theile nicht bereits ſchon darunter Z 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/391>, abgerufen am 28.04.2024.