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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XXXI. Hauptstück.
M, D, C, L, X, V, I, welche gleichsam das we-
sentliche des Zahlengebäudes enthalten, und womit
sich noch ziemlich hurtig und methodisch rechnen läßt.
Es giebt auch dermalen noch eine Menge Leute, die
nicht anderst als mit ihren I, V, X rechnen können.
Jhre Rechnungen erstrecken sich aber auch nicht viel
weiter. Man hat hingegen an dem arabischen Zah-
lengebäude, welches nach 1, 10, 100, 1000 etc. fort-
geht, und die Bedeutung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6,
7, 8, 9 durch die bloße Anzeige der Stelle in 10, 20,
30, 40 etc. oder in 100, 200, 300 etc. oder in 1000,
2000, 3000 etc. verwandelt, und daraus sodann jede
Zahlen, z. E. 34, 546, 8725 etc. zusammensetzt, eine
solche Vollkommenheit der Einrichtung gefunden, daß
man schwerlich mehr davon abgehen wird, zumal da
die Gewohnheit, nach 10, 100, 1000 etc. zu zählen,
durchgängig ist, und die Sprachen schon ganz dazu
eingerichtet sind. Das willkührliche dabey wird
gleichsam vergessen, oder nur wie für die lange Weile
angemerket. Dieses hat nun bereits Aristoteles
gethan, indem er die Frage aufwarf, warum alle,
auch selbst die barbarische Völker darinn über-
ein kommen, daß sie bis auf 10 zählen, und so-
dann wie von neuem anfangen?
Aristoteles be-
antwortete diese Frage nur durch andere Fragen, statt
deren er die letzte schlechthin hätte bejahen können, daß
nämlich die Menschen ihre Rechenkunst bey dem Ab-
zählen an den Fingern anfangen. Diese Antwort
würde nun seine Frage in die verwandelt haben, war-
um die nicht barbarischen Völker bey eben der
Art, bis auf 10 zu zählen verbleiben, und ob
nicht ein schicklicheres Zahlengebäude gewählt
werden könne?
darauf kann man nun nicht anderst
antworten, als daß man, wenn man auch ein schick-

licheres

XXXI. Hauptſtuͤck.
M, D, C, L, X, V, I, welche gleichſam das we-
ſentliche des Zahlengebaͤudes enthalten, und womit
ſich noch ziemlich hurtig und methodiſch rechnen laͤßt.
Es giebt auch dermalen noch eine Menge Leute, die
nicht anderſt als mit ihren I, V, X rechnen koͤnnen.
Jhre Rechnungen erſtrecken ſich aber auch nicht viel
weiter. Man hat hingegen an dem arabiſchen Zah-
lengebaͤude, welches nach 1, 10, 100, 1000 ꝛc. fort-
geht, und die Bedeutung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6,
7, 8, 9 durch die bloße Anzeige der Stelle in 10, 20,
30, 40 ꝛc. oder in 100, 200, 300 ꝛc. oder in 1000,
2000, 3000 ꝛc. verwandelt, und daraus ſodann jede
Zahlen, z. E. 34, 546, 8725 ꝛc. zuſammenſetzt, eine
ſolche Vollkommenheit der Einrichtung gefunden, daß
man ſchwerlich mehr davon abgehen wird, zumal da
die Gewohnheit, nach 10, 100, 1000 ꝛc. zu zaͤhlen,
durchgaͤngig iſt, und die Sprachen ſchon ganz dazu
eingerichtet ſind. Das willkuͤhrliche dabey wird
gleichſam vergeſſen, oder nur wie fuͤr die lange Weile
angemerket. Dieſes hat nun bereits Ariſtoteles
gethan, indem er die Frage aufwarf, warum alle,
auch ſelbſt die barbariſche Voͤlker darinn uͤber-
ein kommen, daß ſie bis auf 10 zaͤhlen, und ſo-
dann wie von neuem anfangen?
Ariſtoteles be-
antwortete dieſe Frage nur durch andere Fragen, ſtatt
deren er die letzte ſchlechthin haͤtte bejahen koͤnnen, daß
naͤmlich die Menſchen ihre Rechenkunſt bey dem Ab-
zaͤhlen an den Fingern anfangen. Dieſe Antwort
wuͤrde nun ſeine Frage in die verwandelt haben, war-
um die nicht barbariſchen Voͤlker bey eben der
Art, bis auf 10 zu zaͤhlen verbleiben, und ob
nicht ein ſchicklicheres Zahlengebaͤude gewaͤhlt
werden koͤnne?
darauf kann man nun nicht anderſt
antworten, als daß man, wenn man auch ein ſchick-

licheres
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[502/0510] XXXI. Hauptſtuͤck. M, D, C, L, X, V, I, welche gleichſam das we- ſentliche des Zahlengebaͤudes enthalten, und womit ſich noch ziemlich hurtig und methodiſch rechnen laͤßt. Es giebt auch dermalen noch eine Menge Leute, die nicht anderſt als mit ihren I, V, X rechnen koͤnnen. Jhre Rechnungen erſtrecken ſich aber auch nicht viel weiter. Man hat hingegen an dem arabiſchen Zah- lengebaͤude, welches nach 1, 10, 100, 1000 ꝛc. fort- geht, und die Bedeutung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 durch die bloße Anzeige der Stelle in 10, 20, 30, 40 ꝛc. oder in 100, 200, 300 ꝛc. oder in 1000, 2000, 3000 ꝛc. verwandelt, und daraus ſodann jede Zahlen, z. E. 34, 546, 8725 ꝛc. zuſammenſetzt, eine ſolche Vollkommenheit der Einrichtung gefunden, daß man ſchwerlich mehr davon abgehen wird, zumal da die Gewohnheit, nach 10, 100, 1000 ꝛc. zu zaͤhlen, durchgaͤngig iſt, und die Sprachen ſchon ganz dazu eingerichtet ſind. Das willkuͤhrliche dabey wird gleichſam vergeſſen, oder nur wie fuͤr die lange Weile angemerket. Dieſes hat nun bereits Ariſtoteles gethan, indem er die Frage aufwarf, warum alle, auch ſelbſt die barbariſche Voͤlker darinn uͤber- ein kommen, daß ſie bis auf 10 zaͤhlen, und ſo- dann wie von neuem anfangen? Ariſtoteles be- antwortete dieſe Frage nur durch andere Fragen, ſtatt deren er die letzte ſchlechthin haͤtte bejahen koͤnnen, daß naͤmlich die Menſchen ihre Rechenkunſt bey dem Ab- zaͤhlen an den Fingern anfangen. Dieſe Antwort wuͤrde nun ſeine Frage in die verwandelt haben, war- um die nicht barbariſchen Voͤlker bey eben der Art, bis auf 10 zu zaͤhlen verbleiben, und ob nicht ein ſchicklicheres Zahlengebaͤude gewaͤhlt werden koͤnne? darauf kann man nun nicht anderſt antworten, als daß man, wenn man auch ein ſchick- licheres

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/510>, abgerufen am 29.04.2024.