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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe
astronomischen Tafeln den Ort der Sonne öfters so
angeben, daß die Observation fast eine ganze Minute
davon abweicht. Es wäre demnach nur zu sehen, ob
dieses zu gesetzten Zeiten geschieht, und von dieser Ur-
sache herkömmt?

Sie sehen hieraus, mein Herr, daß es auch Mit-
tel giebt, meine Betrachtungen über die Kreyßbewegung
unserer Sonne durch Observationen zu prüfen, wenn je
ihre Schwere gegen den gemeinsamen Mittelpunct ih-
res Systems beträchtlich genug ist. Man könnte dar-
aus die Gegend dieses Mittelpuncts finden, weil alle
Planeten, und besonders auch unsere Erde, gegen den-
selben schwer sind, und die kleinern Anomalien sich dar-
nach richten müssen, wie sich die von dem Monde nach
der Sonne richten. In meinem letzten Schreiben hatte
ich die Frage aufgeworfen, ob man in diesem Mittel-
punct einen dunkeln Körper von einer ungeheuren Mas-
se setzen müsse, oder ob man dafür nur den gemeinsamen
Mittelpunct der Schwere des Fixsternensystems anneh-
men solle? Vielleicht liesse sich diese Frage durch solche
Observationen erörtern, oder wenigstens würde man
daraus schliessen können, wie schwer jeder Planet, und
daher auch die Sonne gegen diesen Mittelpunct ist.
Diese Schwere ist allerdings sehr geringe, weil die Ir-
regularitäten in der Bewegung der Erde, die etwan da-
her rühren möchten, noch nicht zufälliger Weise bemerkt
worden, sondern erst noch durch sehr genaue Observatio-
nen bestimmt und untersucht werden müßten. Bey dem
Monde fande man ähnliche Abweichungen, die von der
Sonne herrühren, viel ehender. Denn die Rechnung

wollte

Coſmologiſche Briefe
aſtronomiſchen Tafeln den Ort der Sonne oͤfters ſo
angeben, daß die Obſervation faſt eine ganze Minute
davon abweicht. Es waͤre demnach nur zu ſehen, ob
dieſes zu geſetzten Zeiten geſchieht, und von dieſer Ur-
ſache herkoͤmmt?

Sie ſehen hieraus, mein Herr, daß es auch Mit-
tel giebt, meine Betrachtungen uͤber die Kreyßbewegung
unſerer Sonne durch Obſervationen zu pruͤfen, wenn je
ihre Schwere gegen den gemeinſamen Mittelpunct ih-
res Syſtems betraͤchtlich genug iſt. Man koͤnnte dar-
aus die Gegend dieſes Mittelpuncts finden, weil alle
Planeten, und beſonders auch unſere Erde, gegen den-
ſelben ſchwer ſind, und die kleinern Anomalien ſich dar-
nach richten muͤſſen, wie ſich die von dem Monde nach
der Sonne richten. In meinem letzten Schreiben hatte
ich die Frage aufgeworfen, ob man in dieſem Mittel-
punct einen dunkeln Koͤrper von einer ungeheuren Maſ-
ſe ſetzen muͤſſe, oder ob man dafuͤr nur den gemeinſamen
Mittelpunct der Schwere des Fixſternenſyſtems anneh-
men ſolle? Vielleicht lieſſe ſich dieſe Frage durch ſolche
Obſervationen eroͤrtern, oder wenigſtens wuͤrde man
daraus ſchlieſſen koͤnnen, wie ſchwer jeder Planet, und
daher auch die Sonne gegen dieſen Mittelpunct iſt.
Dieſe Schwere iſt allerdings ſehr geringe, weil die Ir-
regularitaͤten in der Bewegung der Erde, die etwan da-
her ruͤhren moͤchten, noch nicht zufaͤlliger Weiſe bemerkt
worden, ſondern erſt noch durch ſehr genaue Obſervatio-
nen beſtimmt und unterſucht werden muͤßten. Bey dem
Monde fande man aͤhnliche Abweichungen, die von der
Sonne herruͤhren, viel ehender. Denn die Rechnung

wollte
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[162/0195] Coſmologiſche Briefe aſtronomiſchen Tafeln den Ort der Sonne oͤfters ſo angeben, daß die Obſervation faſt eine ganze Minute davon abweicht. Es waͤre demnach nur zu ſehen, ob dieſes zu geſetzten Zeiten geſchieht, und von dieſer Ur- ſache herkoͤmmt? Sie ſehen hieraus, mein Herr, daß es auch Mit- tel giebt, meine Betrachtungen uͤber die Kreyßbewegung unſerer Sonne durch Obſervationen zu pruͤfen, wenn je ihre Schwere gegen den gemeinſamen Mittelpunct ih- res Syſtems betraͤchtlich genug iſt. Man koͤnnte dar- aus die Gegend dieſes Mittelpuncts finden, weil alle Planeten, und beſonders auch unſere Erde, gegen den- ſelben ſchwer ſind, und die kleinern Anomalien ſich dar- nach richten muͤſſen, wie ſich die von dem Monde nach der Sonne richten. In meinem letzten Schreiben hatte ich die Frage aufgeworfen, ob man in dieſem Mittel- punct einen dunkeln Koͤrper von einer ungeheuren Maſ- ſe ſetzen muͤſſe, oder ob man dafuͤr nur den gemeinſamen Mittelpunct der Schwere des Fixſternenſyſtems anneh- men ſolle? Vielleicht lieſſe ſich dieſe Frage durch ſolche Obſervationen eroͤrtern, oder wenigſtens wuͤrde man daraus ſchlieſſen koͤnnen, wie ſchwer jeder Planet, und daher auch die Sonne gegen dieſen Mittelpunct iſt. Dieſe Schwere iſt allerdings ſehr geringe, weil die Ir- regularitaͤten in der Bewegung der Erde, die etwan da- her ruͤhren moͤchten, noch nicht zufaͤlliger Weiſe bemerkt worden, ſondern erſt noch durch ſehr genaue Obſervatio- nen beſtimmt und unterſucht werden muͤßten. Bey dem Monde fande man aͤhnliche Abweichungen, die von der Sonne herruͤhren, viel ehender. Denn die Rechnung wollte

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/195>, abgerufen am 29.04.2024.