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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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über die Einrichtung des Weltbaues.
lassen, oder sie zur Abkürzung der Ausdrücke gebrau-
chen, wo es nichts wird zu bedeuten haben. Aber wo
es etwas auf sich hat, werden sie aus einem höhern
Tone sprechen.

So muß ich mir nun die Sache entwickeln. In
so ferne Copernicus den ersten Schritt that, bleiben
uns und unsern Nachkommen noch tausend andere zu
thun, und in so ferne werden wir noch lange nicht
vollkommen Copernicanisch werden. In so ferne wir
aber wissen, daß der letzte dieser Schritte sich bey dem
Körper endigen werde, der die ganze Schöpfung um
sich herum lenkt, glaube ich doch, daß wir genug Co-
pernicanisch denken; oder wollen Sie, mein Herr, von
da noch weiter gehen? Ich finde vollends nicht, wo
Sie noch hin wollten. Oder hätten wir etwann nie
Copernicanisch seyn sollen? Dieses würde doch nicht
wohl anderst angehen, als wenn wir veste geglaubt
haben, die Sonne bleibe ein - für allemal an ihrer
Stelle, und bewege sich nur um ihre eigene Axe. Ich
gebe Ihnen zu, daß dieses ein Irrthum ist, den wir
hätten vermeiden sollen, weil die Sonne, so wenig als
die Fixsterne, an ihrer Stelle bleibt. Die Scene
verwandelt sich, und es wird eine Zeit kommen, wo
das Sternbild des Orions vielleicht so aussehen wird,
wie jezt das von dem grossen Bären.

Ich gedenke wohl bey der Copernicanischen
Sprache zu bleiben, weil sie am leichtesten in die ge-
meine übersetzt werden kann, und wie Sie es, mein

Herr,
S 2

uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
laſſen, oder ſie zur Abkuͤrzung der Ausdruͤcke gebrau-
chen, wo es nichts wird zu bedeuten haben. Aber wo
es etwas auf ſich hat, werden ſie aus einem hoͤhern
Tone ſprechen.

So muß ich mir nun die Sache entwickeln. In
ſo ferne Copernicus den erſten Schritt that, bleiben
uns und unſern Nachkommen noch tauſend andere zu
thun, und in ſo ferne werden wir noch lange nicht
vollkommen Copernicaniſch werden. In ſo ferne wir
aber wiſſen, daß der letzte dieſer Schritte ſich bey dem
Koͤrper endigen werde, der die ganze Schoͤpfung um
ſich herum lenkt, glaube ich doch, daß wir genug Co-
pernicaniſch denken; oder wollen Sie, mein Herr, von
da noch weiter gehen? Ich finde vollends nicht, wo
Sie noch hin wollten. Oder haͤtten wir etwann nie
Copernicaniſch ſeyn ſollen? Dieſes wuͤrde doch nicht
wohl anderſt angehen, als wenn wir veſte geglaubt
haben, die Sonne bleibe ein - fuͤr allemal an ihrer
Stelle, und bewege ſich nur um ihre eigene Axe. Ich
gebe Ihnen zu, daß dieſes ein Irrthum iſt, den wir
haͤtten vermeiden ſollen, weil die Sonne, ſo wenig als
die Fixſterne, an ihrer Stelle bleibt. Die Scene
verwandelt ſich, und es wird eine Zeit kommen, wo
das Sternbild des Orions vielleicht ſo ausſehen wird,
wie jezt das von dem groſſen Baͤren.

Ich gedenke wohl bey der Copernicaniſchen
Sprache zu bleiben, weil ſie am leichteſten in die ge-
meine uͤberſetzt werden kann, und wie Sie es, mein

Herr,
S 2
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[275/0308] uͤber die Einrichtung des Weltbaues. laſſen, oder ſie zur Abkuͤrzung der Ausdruͤcke gebrau- chen, wo es nichts wird zu bedeuten haben. Aber wo es etwas auf ſich hat, werden ſie aus einem hoͤhern Tone ſprechen. So muß ich mir nun die Sache entwickeln. In ſo ferne Copernicus den erſten Schritt that, bleiben uns und unſern Nachkommen noch tauſend andere zu thun, und in ſo ferne werden wir noch lange nicht vollkommen Copernicaniſch werden. In ſo ferne wir aber wiſſen, daß der letzte dieſer Schritte ſich bey dem Koͤrper endigen werde, der die ganze Schoͤpfung um ſich herum lenkt, glaube ich doch, daß wir genug Co- pernicaniſch denken; oder wollen Sie, mein Herr, von da noch weiter gehen? Ich finde vollends nicht, wo Sie noch hin wollten. Oder haͤtten wir etwann nie Copernicaniſch ſeyn ſollen? Dieſes wuͤrde doch nicht wohl anderſt angehen, als wenn wir veſte geglaubt haben, die Sonne bleibe ein - fuͤr allemal an ihrer Stelle, und bewege ſich nur um ihre eigene Axe. Ich gebe Ihnen zu, daß dieſes ein Irrthum iſt, den wir haͤtten vermeiden ſollen, weil die Sonne, ſo wenig als die Fixſterne, an ihrer Stelle bleibt. Die Scene verwandelt ſich, und es wird eine Zeit kommen, wo das Sternbild des Orions vielleicht ſo ausſehen wird, wie jezt das von dem groſſen Baͤren. Ich gedenke wohl bey der Copernicaniſchen Sprache zu bleiben, weil ſie am leichteſten in die ge- meine uͤberſetzt werden kann, und wie Sie es, mein Herr, S 2

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/308>, abgerufen am 30.04.2024.