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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der wissenschaftlichen Erkenntniß.
die Ausmessung der zwo andern Linien und des dritten
Winkels gar nicht wirklich vorgenommen werden kann,
da zeigt sie uns, wie man es aus den ausmeßbaren Stü-
cken finden könne. Und auf diese Art läßt sich etwas
am Himmel ausmessen, weil sich etwas auf Erden
ausmessen läßt. Denn die Geometrie zeigt uns den
Zusammenhang und das Verhältniß zwischen beyden
an.

§. 607.

Die wissenschaftliche Erkenntniß deckt uns dem-
nach den Reichthum unsres Wissens auf, indem sie
uns zeigt, wie eines von dem andern abhängt, wie
es dadurch gefunden werden könne, und was mit dem
Gegebenen zugleich gegeben ist, und folglich nicht erst
für sich gefunden werden müsse. Auf diese Art blieb
Newton in seinem Zimmer, und bestimmte aus eini-
gen ihm bekannten Wahrheiten die Figur der Erde,
die mechanischen Gesetze der himmlischen Bewegun-
gen etc. Entdeckungen, die man für Offenbarungen
halten würde, wenn Newtons Geist und die Wege
der Meßkunst unbekannt wären.

§. 608.

Es zeigt uns aber die wissenschaftliche Erkenntniß
nicht nur an, daß sich einige Wahrheiten aus andern
finden lassen, sondern sie bestimmt auch bey jedem
Quaesito die geringste Anzahl gegebener Stücke, und
zeigt, welche und wie vielerley Abwechslungen dabey
möglich sind. Dieses ist nicht nur ein bloßer Vor-
zug
der Meßkunst, sondern diese Wissenschaft macht
es sich zu einem Gesetze, die geringste Anzahl von
Datis zu bestimmen, und zeigt, wie man, wenn meh-
rere Data da sind, dieselben besser anwenden und noch
mehr finden könne.

§. 609.
B b 4

von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß.
die Ausmeſſung der zwo andern Linien und des dritten
Winkels gar nicht wirklich vorgenommen werden kann,
da zeigt ſie uns, wie man es aus den ausmeßbaren Stuͤ-
cken finden koͤnne. Und auf dieſe Art laͤßt ſich etwas
am Himmel ausmeſſen, weil ſich etwas auf Erden
ausmeſſen laͤßt. Denn die Geometrie zeigt uns den
Zuſammenhang und das Verhaͤltniß zwiſchen beyden
an.

§. 607.

Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß deckt uns dem-
nach den Reichthum unſres Wiſſens auf, indem ſie
uns zeigt, wie eines von dem andern abhaͤngt, wie
es dadurch gefunden werden koͤnne, und was mit dem
Gegebenen zugleich gegeben iſt, und folglich nicht erſt
fuͤr ſich gefunden werden muͤſſe. Auf dieſe Art blieb
Newton in ſeinem Zimmer, und beſtimmte aus eini-
gen ihm bekannten Wahrheiten die Figur der Erde,
die mechaniſchen Geſetze der himmliſchen Bewegun-
gen ꝛc. Entdeckungen, die man fuͤr Offenbarungen
halten wuͤrde, wenn Newtons Geiſt und die Wege
der Meßkunſt unbekannt waͤren.

§. 608.

Es zeigt uns aber die wiſſenſchaftliche Erkenntniß
nicht nur an, daß ſich einige Wahrheiten aus andern
finden laſſen, ſondern ſie beſtimmt auch bey jedem
Quaeſito die geringſte Anzahl gegebener Stuͤcke, und
zeigt, welche und wie vielerley Abwechslungen dabey
moͤglich ſind. Dieſes iſt nicht nur ein bloßer Vor-
zug
der Meßkunſt, ſondern dieſe Wiſſenſchaft macht
es ſich zu einem Geſetze, die geringſte Anzahl von
Datis zu beſtimmen, und zeigt, wie man, wenn meh-
rere Data da ſind, dieſelben beſſer anwenden und noch
mehr finden koͤnne.

§. 609.
B b 4
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[391/0413] von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß. die Ausmeſſung der zwo andern Linien und des dritten Winkels gar nicht wirklich vorgenommen werden kann, da zeigt ſie uns, wie man es aus den ausmeßbaren Stuͤ- cken finden koͤnne. Und auf dieſe Art laͤßt ſich etwas am Himmel ausmeſſen, weil ſich etwas auf Erden ausmeſſen laͤßt. Denn die Geometrie zeigt uns den Zuſammenhang und das Verhaͤltniß zwiſchen beyden an. §. 607. Die wiſſenſchaftliche Erkenntniß deckt uns dem- nach den Reichthum unſres Wiſſens auf, indem ſie uns zeigt, wie eines von dem andern abhaͤngt, wie es dadurch gefunden werden koͤnne, und was mit dem Gegebenen zugleich gegeben iſt, und folglich nicht erſt fuͤr ſich gefunden werden muͤſſe. Auf dieſe Art blieb Newton in ſeinem Zimmer, und beſtimmte aus eini- gen ihm bekannten Wahrheiten die Figur der Erde, die mechaniſchen Geſetze der himmliſchen Bewegun- gen ꝛc. Entdeckungen, die man fuͤr Offenbarungen halten wuͤrde, wenn Newtons Geiſt und die Wege der Meßkunſt unbekannt waͤren. §. 608. Es zeigt uns aber die wiſſenſchaftliche Erkenntniß nicht nur an, daß ſich einige Wahrheiten aus andern finden laſſen, ſondern ſie beſtimmt auch bey jedem Quaeſito die geringſte Anzahl gegebener Stuͤcke, und zeigt, welche und wie vielerley Abwechslungen dabey moͤglich ſind. Dieſes iſt nicht nur ein bloßer Vor- zug der Meßkunſt, ſondern dieſe Wiſſenſchaft macht es ſich zu einem Geſetze, die geringſte Anzahl von Datis zu beſtimmen, und zeigt, wie man, wenn meh- rere Data da ſind, dieſelben beſſer anwenden und noch mehr finden koͤnne. §. 609. B b 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/413>, abgerufen am 28.04.2024.