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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von zusammengesetzten Begriffen.
Uebereinstimmung der Aussage als eine Bekräftigung
der seinigen nehmen. Ein Zeugniß ist daher auch nur
in sofern gültig, sofern es bekräftigt, und auch in so
fern nur ist es ein Zeugniß, weil es die Vergleichung
zwoer Aussagen voraussetzt. Wenn der eine Aussa-
ger von dem andern nichts weis, so hat man nur zwo
gleichlautende Aussagen. Weis nur der eine vom
andern, so ist das Zeugniß gleichsam nur paßiv, hin-
gegen ist es activ, wenn der Zeuge weis, daß seine
Aussage als ein Zeugniß, folglich als eine Bekräfti-
gung der Aussage genommen wird, wie dieses bey
gerichtlichen Zeugen vorkömmt. Wir haben dieses
Beyspiel umständlicher angeführt. Man sieht dar-
aus, daß Chladenius nicht nur auf den Begriff des
Zeugen allein, sondern auch auf die damit verwandten
Begriffe gesehen, und dadurch die Definition ungleich
enger eingeschränkt hat, als sie in einigen Vernunft-
lehren vorkömmt. Da man hier für die verwandten
Begriffe Wörter hat, so ist es unnöthig alle unter
dem Begriffe eines Zeugen zusammen zu nehmen, und
diesen Begriff allgemeiner zu machen, als er in den
Gerichtsstuben und im gemeinen Leben vorkömmt.
Hingegen müssen die Begriffe eines Zeugen, Au-
tors, Aussagers, Nachsagers,
und so auch die
Begriffe, zeugen, bezeugen, bestätigen, aussa-
gen, ausbringen, nachsagen etc.
mit einander
verglichen, und ihre Verhältnisse und Unterschiede
vestgesetzt werden Eine Regel, die übrigens Chla-
denius
in seinen Schriften sorgfältig beobachtet, und
die wir in der Dianoiologie, (§. 617. seqq.) als zur
wissenschaftlichen Erkenntniß nothwendig angegeben
haben.

§. 156.
L l 4

von zuſammengeſetzten Begriffen.
Uebereinſtimmung der Ausſage als eine Bekraͤftigung
der ſeinigen nehmen. Ein Zeugniß iſt daher auch nur
in ſofern guͤltig, ſofern es bekraͤftigt, und auch in ſo
fern nur iſt es ein Zeugniß, weil es die Vergleichung
zwoer Ausſagen vorausſetzt. Wenn der eine Ausſa-
ger von dem andern nichts weis, ſo hat man nur zwo
gleichlautende Ausſagen. Weis nur der eine vom
andern, ſo iſt das Zeugniß gleichſam nur paßiv, hin-
gegen iſt es activ, wenn der Zeuge weis, daß ſeine
Ausſage als ein Zeugniß, folglich als eine Bekraͤfti-
gung der Ausſage genommen wird, wie dieſes bey
gerichtlichen Zeugen vorkoͤmmt. Wir haben dieſes
Beyſpiel umſtaͤndlicher angefuͤhrt. Man ſieht dar-
aus, daß Chladenius nicht nur auf den Begriff des
Zeugen allein, ſondern auch auf die damit verwandten
Begriffe geſehen, und dadurch die Definition ungleich
enger eingeſchraͤnkt hat, als ſie in einigen Vernunft-
lehren vorkoͤmmt. Da man hier fuͤr die verwandten
Begriffe Woͤrter hat, ſo iſt es unnoͤthig alle unter
dem Begriffe eines Zeugen zuſammen zu nehmen, und
dieſen Begriff allgemeiner zu machen, als er in den
Gerichtsſtuben und im gemeinen Leben vorkoͤmmt.
Hingegen muͤſſen die Begriffe eines Zeugen, Au-
tors, Auſſagers, Nachſagers,
und ſo auch die
Begriffe, zeugen, bezeugen, beſtaͤtigen, ausſa-
gen, ausbringen, nachſagen ꝛc.
mit einander
verglichen, und ihre Verhaͤltniſſe und Unterſchiede
veſtgeſetzt werden Eine Regel, die uͤbrigens Chla-
denius
in ſeinen Schriften ſorgfaͤltig beobachtet, und
die wir in der Dianoiologie, (§. 617. ſeqq.) als zur
wiſſenſchaftlichen Erkenntniß nothwendig angegeben
haben.

§. 156.
L l 4
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[535/0557] von zuſammengeſetzten Begriffen. Uebereinſtimmung der Ausſage als eine Bekraͤftigung der ſeinigen nehmen. Ein Zeugniß iſt daher auch nur in ſofern guͤltig, ſofern es bekraͤftigt, und auch in ſo fern nur iſt es ein Zeugniß, weil es die Vergleichung zwoer Ausſagen vorausſetzt. Wenn der eine Ausſa- ger von dem andern nichts weis, ſo hat man nur zwo gleichlautende Ausſagen. Weis nur der eine vom andern, ſo iſt das Zeugniß gleichſam nur paßiv, hin- gegen iſt es activ, wenn der Zeuge weis, daß ſeine Ausſage als ein Zeugniß, folglich als eine Bekraͤfti- gung der Ausſage genommen wird, wie dieſes bey gerichtlichen Zeugen vorkoͤmmt. Wir haben dieſes Beyſpiel umſtaͤndlicher angefuͤhrt. Man ſieht dar- aus, daß Chladenius nicht nur auf den Begriff des Zeugen allein, ſondern auch auf die damit verwandten Begriffe geſehen, und dadurch die Definition ungleich enger eingeſchraͤnkt hat, als ſie in einigen Vernunft- lehren vorkoͤmmt. Da man hier fuͤr die verwandten Begriffe Woͤrter hat, ſo iſt es unnoͤthig alle unter dem Begriffe eines Zeugen zuſammen zu nehmen, und dieſen Begriff allgemeiner zu machen, als er in den Gerichtsſtuben und im gemeinen Leben vorkoͤmmt. Hingegen muͤſſen die Begriffe eines Zeugen, Au- tors, Auſſagers, Nachſagers, und ſo auch die Begriffe, zeugen, bezeugen, beſtaͤtigen, ausſa- gen, ausbringen, nachſagen ꝛc. mit einander verglichen, und ihre Verhaͤltniſſe und Unterſchiede veſtgeſetzt werden Eine Regel, die uͤbrigens Chla- denius in ſeinen Schriften ſorgfaͤltig beobachtet, und die wir in der Dianoiologie, (§. 617. ſeqq.) als zur wiſſenſchaftlichen Erkenntniß nothwendig angegeben haben. §. 156. L l 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/557>, abgerufen am 28.04.2024.