[Spaltenumbruch]
und zwar nicht aus Verdienst, als hätte er mit dem Stande der Erniedrigung für sich selbst et- was verdienet, da sein Verdienst nur allein auf uns gebet; sondern nach dem Rechte der Kind- schaft GOttes, zu welcher die menschliche Natur also aus lauter Gnade erhaben worden, daß Paulus davon saget Phil. 2, 9. ekharisato auto onoma: er hat ihm aus Gnaden einen Na- men geschencket. Daß aber die Erbschaft bey Christo keine Succession in sich hält, wie unter Menschen sich findet, ist an sich selbst bekannt.
6. Jm übrigen ist alhier noch wohl zu mer- cken, daß, gleichwie der Sohn GOttes auch der menschlichen Natur nach einen unendlichen Vor- zug vor den heiligen Engeln hat, auch in gewis- ser masse seine Glieder solcher hohen Würde also theilhaftig werden, daß sie ein grosses vor den heiligen Engeln voraus haben: nemlich darinn, daß ihr Haupt, ein wahrer Mensch, auf dem Throne GOttes sitzet. Daher ihnen dieser hohe Adel und diese hohe Ehre angedeiet, daß sie mit zum Throne GOttes erhaben werden, Offenb. 3, 21. auch die Welt und selbst die bösen Engel richten sollen, 1 Cor. 6, 2. 3. welches von den heiligen Engeln nicht gesaget wird. Ja wir fin- den, daß in der Offenbarung Johannis die hei- ligen Engel nur um den Thron GOttes stehen; dahingegen die die Auserwehlten repraesenti- rende 24. Aeltesten mit ihren 24. Nebenthronen, den grossen Thron GOttes formiren, c. 4, 4. c. 5, 11.
V. 5.
Denn zu welchem Engel hat er iemals gesaget (wie zu seinem Sohn, dem Meßia, im andern Psalm v. 7.) du bist mein (ewiger, ei- gener und natürlicher, oder wesentlicher) Sohn, heute (von Ewigkeit, darinnen weder gestern noch morgen, weder vergangenes noch zukünfti- ges, sondern alles gegenwärtig bey GOtt ist,) habe ich dich gezeuget (auf eine unbegreifli- che Art, nach welcher du bist Licht vom Lichte, oder der ewige Abglantz des ewigen Lichts v. 3.) und abermal (an einem andern Orte, nemlich 2 Sam. 7, 14.) ich werde sein Vater seyn, (wie ich es schon von Ewigkeit her bin,) und er wird mein Sohn seyn, (wie er es schon von Ewigkeit her ist.)
Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist zu mercken, daß der an- dere Psälm von Christo handelt. Denn gleich- wie solches aus dieser Anführung Pauli gantz klar erhellet, auch von der alten Judischen Kir- che zugestanden ist; davon man RAYMUN- DUM MARTINI in seinem Pugione fidei nachschlagen kan: also ist es aus dem Jnnhalt des gantzen Psalms offenbar; sintemal dieser so herrlich ist, daß er vom David, oder Salomo, unmöglich kan verstanden werden. Denn ihm wird zugeeignet die eigenthümliche Herrschaft über den gantzen Erdboden, und über das gan- tze menschliche Geschlecht v. 8. Das Gericht über die Welt v. 9. 12. Die Unterwerfung aller Könige und Richter auf Erden v. 10. die [Spaltenumbruch]göttliche Verehrung und Anbetung nebst dem Namen Jehova. v. 11. Die göttliche Ho- heit, daß man an ihn glauben und seine Selig- keit von ihm haben soll. v. 12. Dazu kommt die noch öftere Apostolische Zueignung auf Christum: nemlich Ap. Gesch. 4, 25. u. f. c. 13, 33. Hebr. 5, 5. Offenb. 19, 15. u. f.
2. Ein Sohn GOttes seyn, ist gleiches Wesens mit dem Vater seyn von Ewigkeit her. Denn ist der Vater ewig und wahrer GOTT, so muß auch der Sohn gleiches Wesens ewig und wahrer GOTT seyn; Und folglich so stehet er in einem unendlichen Unterscheide und Vorzuge von und vor den auserwehlten Menschen und Engeln. Denn obgleich die gläu- bigen Menschen Kinder GOttes sind aus Gna- den, in der Ordnung der geistlichen Wiederge- burt, Joh. 1, 12. und die Engel wegen des be- sondern Umgangs, den sie mit GOtt haben, und des Wohlgefallens, welches GOtt an ihnen hat, Kinder GOttes heissen, Hiob 1, 6. c. 2, 1. c. 38, 7. so ist doch keiner von ihnen ein solches Kind, oder ein solcher Sohn, zu dem der Va- ter gesaget hätte: Heute hab ich dich gezeu- get; und welchem der göttliche Name nebst den göttlichen Eigenschaften, auch göttlichen Wer- cken, und der göttlichen Verehrung zukä- me; welches alles doch aber Christo, als dem ewigen, einigen und eingebornen Sohn, wie sonst anderwärtig, also auch in diesem Psalm, zugeeignet wird.
3. Daß das Wort heute in Ansehung GOttes von der Ewigkeit zu verstehen sey, zei- get die Sache selbst an: sintemal nicht allein von GOtt, welcher ausser aller Zeit stehet, die Re- de ist, sondern auch die Zeugung des Sohnes von solcher Beschaffenheit ist, daß sie in der Zeit keine statt findet, sondern zur Ewigkeit gehö- ret. So schicket sich auch das Wort heute gar wohl zur Ewigkeit. Denn es zeiget an, was eigentlich die Ewigkeit sey, nemlich eine bestän- dig gegenwärtige Dauerung, darinn man gar von keiner Zeit und von keinem Zeit-Wech- sel weiß, und darinn man also weder etwas ver- gangnes noch zukünftiges hat.
4. Und was die ewige Zeugung des Soh- nes anlanget, so ist und bleibt dieselbe zwar ein solches Glaubens-Geheimniß, welches über al- len unsern Begriff gehet: dieweil es doch aber vorher v. 3. in den Worten vom Abglantze der Herrlichkeit des Vaters ausgedrucket wird, und solches unserer Schwachheit einigen, ob- gleich unvollkommenen, Concept davon giebt; so schicket sich auch dieser gar wohl zu der besagten und unter dem Worte heute vorgestelleten Idee von der Ewigkeit. Denn da dieser Abglantz vom Lichte, als die Geburt des Sohnes, ewig ist, so hat sie keinen Anfang genommen; ist sie aber ohne Anfang, so ist sie auch ohne Ende, und ohne eine eigentlich zur Zeit gehörige Succession, sondern sie stehet ausser aller Zeit gleichsam in ei- nem beständigen heute und nun, und in einer immer gegenwärtigen und immerwährenden Daurung.
5. Ge-
J i
Cap. 1. v. 4. 5. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
und zwar nicht aus Verdienſt, als haͤtte er mit dem Stande der Erniedrigung fuͤr ſich ſelbſt et- was verdienet, da ſein Verdienſt nur allein auf uns gebet; ſondern nach dem Rechte der Kind- ſchaft GOttes, zu welcher die menſchliche Natur alſo aus lauter Gnade erhaben worden, daß Paulus davon ſaget Phil. 2, 9. ἐχαρίσατο ἀυτῷ ὄνομα: er hat ihm aus Gnaden einen Na- men geſchencket. Daß aber die Erbſchaft bey Chriſto keine Succeſſion in ſich haͤlt, wie unter Menſchen ſich findet, iſt an ſich ſelbſt bekannt.
6. Jm uͤbrigen iſt alhier noch wohl zu mer- cken, daß, gleichwie der Sohn GOttes auch der menſchlichen Natur nach einen unendlichen Vor- zug vor den heiligen Engeln hat, auch in gewiſ- ſer maſſe ſeine Glieder ſolcher hohen Wuͤrde alſo theilhaftig werden, daß ſie ein groſſes vor den heiligen Engeln voraus haben: nemlich darinn, daß ihr Haupt, ein wahrer Menſch, auf dem Throne GOttes ſitzet. Daher ihnen dieſer hohe Adel und dieſe hohe Ehre angedeiet, daß ſie mit zum Throne GOttes erhaben werden, Offenb. 3, 21. auch die Welt und ſelbſt die boͤſen Engel richten ſollen, 1 Cor. 6, 2. 3. welches von den heiligen Engeln nicht geſaget wird. Ja wir fin- den, daß in der Offenbarung Johannis die hei- ligen Engel nur um den Thron GOttes ſtehen; dahingegen die die Auserwehlten repræſenti- rende 24. Aelteſten mit ihren 24. Nebenthronen, den groſſen Thron GOttes formiren, c. 4, 4. c. 5, 11.
V. 5.
Denn zu welchem Engel hat er iemals geſaget (wie zu ſeinem Sohn, dem Meßia, im andern Pſalm v. 7.) du biſt mein (ewiger, ei- gener und natuͤrlicher, oder weſentlicher) Sohn, heute (von Ewigkeit, darinnen weder geſtern noch morgen, weder vergangenes noch zukuͤnfti- ges, ſondern alles gegenwaͤrtig bey GOtt iſt,) habe ich dich gezeuget (auf eine unbegreifli- che Art, nach welcher du biſt Licht vom Lichte, oder der ewige Abglantz des ewigen Lichts v. 3.) und abermal (an einem andern Orte, nemlich 2 Sam. 7, 14.) ich werde ſein Vater ſeyn, (wie ich es ſchon von Ewigkeit her bin,) und er wird mein Sohn ſeyn, (wie er es ſchon von Ewigkeit her iſt.)
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß der an- dere Pſaͤlm von Chriſto handelt. Denn gleich- wie ſolches aus dieſer Anfuͤhrung Pauli gantz klar erhellet, auch von der alten Judiſchen Kir- che zugeſtanden iſt; davon man RAYMUN- DUM MARTINI in ſeinem Pugione fidei nachſchlagen kan: alſo iſt es aus dem Jnnhalt des gantzen Pſalms offenbar; ſintemal dieſer ſo herrlich iſt, daß er vom David, oder Salomo, unmoͤglich kan verſtanden werden. Denn ihm wird zugeeignet die eigenthuͤmliche Herrſchaft uͤber den gantzen Erdboden, und uͤber das gan- tze menſchliche Geſchlecht v. 8. Das Gericht uͤber die Welt v. 9. 12. Die Unterwerfung aller Koͤnige und Richter auf Erden v. 10. die [Spaltenumbruch]goͤttliche Verehrung und Anbetung nebſt dem Namen Jehova. v. 11. Die goͤttliche Ho- heit, daß man an ihn glauben und ſeine Selig- keit von ihm haben ſoll. v. 12. Dazu kommt die noch oͤftere Apoſtoliſche Zueignung auf Chriſtum: nemlich Ap. Geſch. 4, 25. u. f. c. 13, 33. Hebr. 5, 5. Offenb. 19, 15. u. f.
2. Ein Sohn GOttes ſeyn, iſt gleiches Weſens mit dem Vater ſeyn von Ewigkeit her. Denn iſt der Vater ewig und wahrer GOTT, ſo muß auch der Sohn gleiches Weſens ewig und wahrer GOTT ſeyn; Und folglich ſo ſtehet er in einem unendlichen Unterſcheide und Vorzuge von und vor den auserwehlten Menſchen und Engeln. Denn obgleich die glaͤu- bigen Menſchen Kinder GOttes ſind aus Gna- den, in der Ordnung der geiſtlichen Wiederge- burt, Joh. 1, 12. und die Engel wegen des be- ſondern Umgangs, den ſie mit GOtt haben, und des Wohlgefallens, welches GOtt an ihnen hat, Kinder GOttes heiſſen, Hiob 1, 6. c. 2, 1. c. 38, 7. ſo iſt doch keiner von ihnen ein ſolches Kind, oder ein ſolcher Sohn, zu dem der Va- ter geſaget haͤtte: Heute hab ich dich gezeu- get; und welchem der goͤttliche Name nebſt den goͤttlichen Eigenſchaften, auch goͤttlichen Wer- cken, und der goͤttlichen Verehrung zukaͤ- me; welches alles doch aber Chriſto, als dem ewigen, einigen und eingebornen Sohn, wie ſonſt anderwaͤrtig, alſo auch in dieſem Pſalm, zugeeignet wird.
3. Daß das Wort heute in Anſehung GOttes von der Ewigkeit zu verſtehen ſey, zei- get die Sache ſelbſt an: ſintemal nicht allein von GOtt, welcher auſſer aller Zeit ſtehet, die Re- de iſt, ſondern auch die Zeugung des Sohnes von ſolcher Beſchaffenheit iſt, daß ſie in der Zeit keine ſtatt findet, ſondern zur Ewigkeit gehoͤ- ret. So ſchicket ſich auch das Wort heute gar wohl zur Ewigkeit. Denn es zeiget an, was eigentlich die Ewigkeit ſey, nemlich eine beſtaͤn- dig gegenwaͤrtige Dauerung, darinn man gar von keiner Zeit und von keinem Zeit-Wech- ſel weiß, und darinn man alſo weder etwas ver- gangnes noch zukuͤnftiges hat.
4. Und was die ewige Zeugung des Soh- nes anlanget, ſo iſt und bleibt dieſelbe zwar ein ſolches Glaubens-Geheimniß, welches uͤber al- len unſern Begriff gehet: dieweil es doch aber vorher v. 3. in den Worten vom Abglantze der Herrlichkeit des Vaters ausgedrucket wird, und ſolches unſerer Schwachheit einigen, ob- gleich unvollkommenen, Concept davon giebt; ſo ſchicket ſich auch dieſer gar wohl zu der beſagten und unter dem Worte heute vorgeſtelleten Idée von der Ewigkeit. Denn da dieſer Abglantz vom Lichte, als die Geburt des Sohnes, ewig iſt, ſo hat ſie keinen Anfang genommen; iſt ſie aber ohne Anfang, ſo iſt ſie auch ohne Ende, und ohne eine eigentlich zur Zeit gehoͤrige Succeſſion, ſondern ſie ſtehet auſſer aller Zeit gleichſam in ei- nem beſtaͤndigen heute und nun, und in einer immer gegenwaͤrtigen und immerwaͤhrenden Daurung.
5. Ge-
J i
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[249/0251]
Cap. 1. v. 4. 5. an die Hebraͤer.
und zwar nicht aus Verdienſt, als haͤtte er mit
dem Stande der Erniedrigung fuͤr ſich ſelbſt et-
was verdienet, da ſein Verdienſt nur allein auf
uns gebet; ſondern nach dem Rechte der Kind-
ſchaft GOttes, zu welcher die menſchliche Natur
alſo aus lauter Gnade erhaben worden, daß
Paulus davon ſaget Phil. 2, 9. ἐχαρίσατο ἀυτῷ
ὄνομα: er hat ihm aus Gnaden einen Na-
men geſchencket. Daß aber die Erbſchaft bey
Chriſto keine Succeſſion in ſich haͤlt, wie unter
Menſchen ſich findet, iſt an ſich ſelbſt bekannt.
6. Jm uͤbrigen iſt alhier noch wohl zu mer-
cken, daß, gleichwie der Sohn GOttes auch der
menſchlichen Natur nach einen unendlichen Vor-
zug vor den heiligen Engeln hat, auch in gewiſ-
ſer maſſe ſeine Glieder ſolcher hohen Wuͤrde alſo
theilhaftig werden, daß ſie ein groſſes vor den
heiligen Engeln voraus haben: nemlich darinn,
daß ihr Haupt, ein wahrer Menſch, auf dem
Throne GOttes ſitzet. Daher ihnen dieſer hohe
Adel und dieſe hohe Ehre angedeiet, daß ſie mit
zum Throne GOttes erhaben werden, Offenb.
3, 21. auch die Welt und ſelbſt die boͤſen Engel
richten ſollen, 1 Cor. 6, 2. 3. welches von den
heiligen Engeln nicht geſaget wird. Ja wir fin-
den, daß in der Offenbarung Johannis die hei-
ligen Engel nur um den Thron GOttes ſtehen;
dahingegen die die Auserwehlten repræſenti-
rende 24. Aelteſten mit ihren 24. Nebenthronen,
den groſſen Thron GOttes formiren, c. 4, 4.
c. 5, 11.
V. 5.
Denn zu welchem Engel hat er iemals
geſaget (wie zu ſeinem Sohn, dem Meßia, im
andern Pſalm v. 7.) du biſt mein (ewiger, ei-
gener und natuͤrlicher, oder weſentlicher) Sohn,
heute (von Ewigkeit, darinnen weder geſtern
noch morgen, weder vergangenes noch zukuͤnfti-
ges, ſondern alles gegenwaͤrtig bey GOtt iſt,)
habe ich dich gezeuget (auf eine unbegreifli-
che Art, nach welcher du biſt Licht vom Lichte,
oder der ewige Abglantz des ewigen Lichts v. 3.)
und abermal (an einem andern Orte, nemlich
2 Sam. 7, 14.) ich werde ſein Vater ſeyn,
(wie ich es ſchon von Ewigkeit her bin,) und er
wird mein Sohn ſeyn, (wie er es ſchon von
Ewigkeit her iſt.)
Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß der an-
dere Pſaͤlm von Chriſto handelt. Denn gleich-
wie ſolches aus dieſer Anfuͤhrung Pauli gantz
klar erhellet, auch von der alten Judiſchen Kir-
che zugeſtanden iſt; davon man RAYMUN-
DUM MARTINI in ſeinem Pugione fidei
nachſchlagen kan: alſo iſt es aus dem Jnnhalt
des gantzen Pſalms offenbar; ſintemal dieſer ſo
herrlich iſt, daß er vom David, oder Salomo,
unmoͤglich kan verſtanden werden. Denn ihm
wird zugeeignet die eigenthuͤmliche Herrſchaft
uͤber den gantzen Erdboden, und uͤber das gan-
tze menſchliche Geſchlecht v. 8. Das Gericht
uͤber die Welt v. 9. 12. Die Unterwerfung
aller Koͤnige und Richter auf Erden v. 10. die
goͤttliche Verehrung und Anbetung nebſt dem
Namen Jehova. v. 11. Die goͤttliche Ho-
heit, daß man an ihn glauben und ſeine Selig-
keit von ihm haben ſoll. v. 12. Dazu kommt die
noch oͤftere Apoſtoliſche Zueignung auf Chriſtum:
nemlich Ap. Geſch. 4, 25. u. f. c. 13, 33. Hebr. 5,
5. Offenb. 19, 15. u. f.
2. Ein Sohn GOttes ſeyn, iſt gleiches
Weſens mit dem Vater ſeyn von Ewigkeit her.
Denn iſt der Vater ewig und wahrer GOTT,
ſo muß auch der Sohn gleiches Weſens ewig
und wahrer GOTT ſeyn; Und folglich
ſo ſtehet er in einem unendlichen Unterſcheide
und Vorzuge von und vor den auserwehlten
Menſchen und Engeln. Denn obgleich die glaͤu-
bigen Menſchen Kinder GOttes ſind aus Gna-
den, in der Ordnung der geiſtlichen Wiederge-
burt, Joh. 1, 12. und die Engel wegen des be-
ſondern Umgangs, den ſie mit GOtt haben, und
des Wohlgefallens, welches GOtt an ihnen
hat, Kinder GOttes heiſſen, Hiob 1, 6. c. 2, 1.
c. 38, 7. ſo iſt doch keiner von ihnen ein ſolches
Kind, oder ein ſolcher Sohn, zu dem der Va-
ter geſaget haͤtte: Heute hab ich dich gezeu-
get; und welchem der goͤttliche Name nebſt den
goͤttlichen Eigenſchaften, auch goͤttlichen Wer-
cken, und der goͤttlichen Verehrung zukaͤ-
me; welches alles doch aber Chriſto, als dem
ewigen, einigen und eingebornen Sohn, wie
ſonſt anderwaͤrtig, alſo auch in dieſem Pſalm,
zugeeignet wird.
3. Daß das Wort heute in Anſehung
GOttes von der Ewigkeit zu verſtehen ſey, zei-
get die Sache ſelbſt an: ſintemal nicht allein von
GOtt, welcher auſſer aller Zeit ſtehet, die Re-
de iſt, ſondern auch die Zeugung des Sohnes
von ſolcher Beſchaffenheit iſt, daß ſie in der Zeit
keine ſtatt findet, ſondern zur Ewigkeit gehoͤ-
ret. So ſchicket ſich auch das Wort heute gar
wohl zur Ewigkeit. Denn es zeiget an, was
eigentlich die Ewigkeit ſey, nemlich eine beſtaͤn-
dig gegenwaͤrtige Dauerung, darinn man
gar von keiner Zeit und von keinem Zeit-Wech-
ſel weiß, und darinn man alſo weder etwas ver-
gangnes noch zukuͤnftiges hat.
4. Und was die ewige Zeugung des Soh-
nes anlanget, ſo iſt und bleibt dieſelbe zwar ein
ſolches Glaubens-Geheimniß, welches uͤber al-
len unſern Begriff gehet: dieweil es doch aber
vorher v. 3. in den Worten vom Abglantze der
Herrlichkeit des Vaters ausgedrucket wird,
und ſolches unſerer Schwachheit einigen, ob-
gleich unvollkommenen, Concept davon giebt;
ſo ſchicket ſich auch dieſer gar wohl zu der beſagten
und unter dem Worte heute vorgeſtelleten Idée
von der Ewigkeit. Denn da dieſer Abglantz
vom Lichte, als die Geburt des Sohnes, ewig
iſt, ſo hat ſie keinen Anfang genommen; iſt ſie
aber ohne Anfang, ſo iſt ſie auch ohne Ende, und
ohne eine eigentlich zur Zeit gehoͤrige Succeſſion,
ſondern ſie ſtehet auſſer aller Zeit gleichſam in ei-
nem beſtaͤndigen heute und nun, und in einer
immer gegenwaͤrtigen und immerwaͤhrenden
Daurung.
5. Ge-
J i
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/251>, abgerufen am 17.06.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.