[Spaltenumbruch]
mit aller Zuversicht dürfen, können, und sollen hin- zutreten; sintemal sie sich nicht selbst erst zu ver- söhnen haben, sondern sich nur der schon gesche- henen Versöhnung immer mehr theilhaftig ma- chen. Hernach auch dieses, daß sie es nicht etwa nur zu einer und der andern Zeit thun können, sondern täglich und unaufhörlich; obgleich nicht allezeit mit einem förmlichen Gebet, doch mit einem solchen Verlangen, durch welches das Hertz in einer beständigen Erhebung zu GOTT stehet.
6. Das Hinzunahen zum Thron GOttes gehet auf Barmhertzigkeit und Gnade. Von welchen Worten eines das andere erläutert. Denn die Gnade, die uns GOtt erweiset, ist eine erbarmende Gnade, vermöge welcher uns GOtt nicht nach einiger eigenen Güte, die an uns wäre, sondern nach, oder in, unserm Elende mit- leidig ansiehet: sintemal uns durch die hertzli- che Barmhertzigkeit unsers GOttes besu- [Spaltenumbruch]
chet hat der Aufgang aus der Höhe Luc. 1, 78.
7. Diese Barmhertzigkeit und Gnade sollen wir nehmen durch die Hand unsers Glaubens, welche sich darnach ausstrecket; und wir sollen sie finden, als einen grossen und unschätzbaren Schatz, der zwar schon erworben und uns berei- tet ist, aber doch muß durch das gläubige Gebet gesuchet werden.
8. Nun sind wir zwar dieser Gnade alle- zeit sehr bedürftig: doch empfinden wir unsere Dürftigkeit zu einer Zeit mehr, als zur andern: wie uns denn auch die geistlichen Feinde in uns und ausser uns zu gewissen Zeiten heftiger, oder doch gefährlicher, zusetzen. Dannenhero ist es nöthig, daß man sonderlich zu solcher Zeit sich fleißig zum Gnaden-Thron nahe, das gläubige Zunahen aber doch niemals gar unterlasse; son- dern es lasse die allergewöhnlichste Ubung durch das gantze Leben seyn.
Das Fünfte Capitel, Darinnen Der Apostel fortfähret von dem kurtz vorher gedachten Hohen-Priesterthum Christi nach dem Vorbilde des Levitischen Hohen- Priesters zu handeln/ und dabey die Hebräer/ wegen des ihnen noch er- mangelnden Wachsthums in der Erkenntniß Christi/ liebreich bestrafet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.
DEnn ein ieglicher Hoher-Prie- ster, der (einer nach dem andern) aus Menschen genommen wird (zum Vorbilde des rechten Hohen- Priesters, welcher der Sohn GOt- tes selbst ist) der wird gesetzet für die Men- schen gegen GOtt (als ein Mittler zwischen GOTT und Menschen, vor und bey GOtt der Menschen Stelle zu vertreten und sie zu versöh- nen) auf daß er (zu solcher Versöhnung) opfe- re (zum Altar zubereite und darbringe) Gaben (allerley Speiß-Opfer) und Opfer (Schlacht- Opfer von dem zum Altar verordneten Opfer- Viehe) für die Sünden.
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieses Verses und gantzen Capitels mit dem vorhergehenden ist die- se: Paulus hatte kurtz vorher gedacht, Christus sey ein solcher Hoher-Priester, der da könne Mit- leiden haben mit unserer Schwachheit, und zu dem wir daher in aller Freudigkeit uns nahen könten. Dieses erweiset, und erläutert er nun damit, daß er dergleichen, nemlich wie der Hohe- Priester des alten Testaments, als ein schwacher Mensch, habe können Mitleiden mit andern ha- ben und freundlich mit ihnen umgehen, von ihm, als dem Vorbilde, anführet.
[Spaltenumbruch]
2. Es war zwar nach der göttlichen Ver- ordnung eigentlich nur ein eintziger rechter Ho- her-Priester, darauf der Apostel auch alhier ge- het; nicht aber darauf siehet, was zuletzt zur Zeit des andern Tempels für Unordnung des Hohen- Priesterthums wegen vorgegangen ist, und daß der Name eines Hohen-Priesters auch den Häu- ptern der Priesterlichen Ordnungen ist gegeben worden: daß er aber doch von mehrern redet, das thut er in dem Absehen auf die Ordnung, worin- nen allemal einer dem andern gefolget ist.
3. Da im alten Testamente nichts merckwür- diger und heiliger gewesen ist, als das Priester- thum überhaupt, und dabey sonderlich die Ver- richtung des Hohen-Priesters; als darauf es bey dem gantzen Levitischen Gottesdienst eigentlich ankam: so ist es leichtlich zu erachten, daß es bey dem Mittler-Amte Christi sonderlich auf das Hohe-Priesterliche Amt eigentlich ankömmt; als dadurch er uns erlöset und versöhnet, und also da- mit den unbeweglichen Grund zu unserer Selig- keit geleget hat. Denn was er uns nach dem Ho- hen-Priesterlichen Amte erworben hat, das läßt er uns nach dem Prophetischen verkündigen, und das schencket er uns, als seinen Unterthanen, ja Reichs-Genossen, nach dem Königlichen.
4. Paulus redet von dem schon durch das Gegenbild abgethanen Hohen-Priesterthum des alten Testaments, als von dem damals noch ge-
gen-
Cap. 5. v. 1. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
mit aller Zuverſicht duͤrfen, koͤnnen, und ſollen hin- zutreten; ſintemal ſie ſich nicht ſelbſt erſt zu ver- ſoͤhnen haben, ſondern ſich nur der ſchon geſche- henen Verſoͤhnung immer mehr theilhaftig ma- chen. Hernach auch dieſes, daß ſie es nicht etwa nur zu einer und der andern Zeit thun koͤnnen, ſondern taͤglich und unaufhoͤrlich; obgleich nicht allezeit mit einem foͤrmlichen Gebet, doch mit einem ſolchen Verlangen, durch welches das Hertz in einer beſtaͤndigen Erhebung zu GOTT ſtehet.
6. Das Hinzunahen zum Thron GOttes gehet auf Barmhertzigkeit und Gnade. Von welchen Worten eines das andere erlaͤutert. Denn die Gnade, die uns GOtt erweiſet, iſt eine erbarmende Gnade, vermoͤge welcher uns GOtt nicht nach einiger eigenen Guͤte, die an uns waͤre, ſondern nach, oder in, unſerm Elende mit- leidig anſiehet: ſintemal uns durch die hertzli- che Barmhertzigkeit unſers GOttes beſu- [Spaltenumbruch]
chet hat der Aufgang aus der Hoͤhe Luc. 1, 78.
7. Dieſe Barmhertzigkeit und Gnade ſollen wir nehmen durch die Hand unſers Glaubens, welche ſich darnach ausſtrecket; und wir ſollen ſie finden, als einen groſſen und unſchaͤtzbaren Schatz, der zwar ſchon erworben und uns berei- tet iſt, aber doch muß durch das glaͤubige Gebet geſuchet werden.
8. Nun ſind wir zwar dieſer Gnade alle- zeit ſehr beduͤrftig: doch empfinden wir unſere Duͤrftigkeit zu einer Zeit mehr, als zur andern: wie uns denn auch die geiſtlichen Feinde in uns und auſſer uns zu gewiſſen Zeiten heftiger, oder doch gefaͤhrlicher, zuſetzen. Dannenhero iſt es noͤthig, daß man ſonderlich zu ſolcher Zeit ſich fleißig zum Gnaden-Thron nahe, das glaͤubige Zunahen aber doch niemals gar unterlaſſe; ſon- dern es laſſe die allergewoͤhnlichſte Ubung durch das gantze Leben ſeyn.
Das Fuͤnfte Capitel, Darinnen Der Apoſtel fortfaͤhret von dem kurtz vorher gedachten Hohen-Prieſterthum Chriſti nach dem Vorbilde des Levitiſchen Hohen- Prieſters zu handeln/ und dabey die Hebraͤer/ wegen des ihnen noch er- mangelnden Wachsthums in der Erkenntniß Chriſti/ liebreich beſtrafet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.
DEnn ein ieglicher Hoher-Prie- ſter, der (einer nach dem andern) aus Menſchen genommen wird (zum Vorbilde des rechten Hohen- Prieſters, welcher der Sohn GOt- tes ſelbſt iſt) der wird geſetzet fuͤr die Men- ſchen gegen GOtt (als ein Mittler zwiſchen GOTT und Menſchen, vor und bey GOtt der Menſchen Stelle zu vertreten und ſie zu verſoͤh- nen) auf daß er (zu ſolcher Verſoͤhnung) opfe- re (zum Altar zubereite und darbringe) Gaben (allerley Speiß-Opfer) und Opfer (Schlacht- Opfer von dem zum Altar verordneten Opfer- Viehe) fuͤr die Suͤnden.
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſes Verſes und gantzen Capitels mit dem vorhergehenden iſt die- ſe: Paulus hatte kurtz vorher gedacht, Chriſtus ſey ein ſolcher Hoher-Prieſter, der da koͤnne Mit- leiden haben mit unſerer Schwachheit, und zu dem wir daher in aller Freudigkeit uns nahen koͤnten. Dieſes erweiſet, und erlaͤutert er nun damit, daß er dergleichen, nemlich wie der Hohe- Prieſter des alten Teſtaments, als ein ſchwacher Menſch, habe koͤnnen Mitleiden mit andern ha- ben und freundlich mit ihnen umgehen, von ihm, als dem Vorbilde, anfuͤhret.
[Spaltenumbruch]
2. Es war zwar nach der goͤttlichen Ver- ordnung eigentlich nur ein eintziger rechter Ho- her-Prieſter, darauf der Apoſtel auch alhier ge- het; nicht aber darauf ſiehet, was zuletzt zur Zeit des andern Tempels fuͤr Unordnung des Hohen- Prieſterthums wegen vorgegangen iſt, und daß der Name eines Hohen-Prieſters auch den Haͤu- ptern der Prieſterlichen Ordnungen iſt gegeben worden: daß er aber doch von mehrern redet, das thut er in dem Abſehen auf die Ordnung, worin- nen allemal einer dem andern gefolget iſt.
3. Da im alten Teſtamente nichts merckwuͤr- diger und heiliger geweſen iſt, als das Prieſter- thum uͤberhaupt, und dabey ſonderlich die Ver- richtung des Hohen-Prieſters; als darauf es bey dem gantzen Levitiſchen Gottesdienſt eigentlich ankam: ſo iſt es leichtlich zu erachten, daß es bey dem Mittler-Amte Chriſti ſonderlich auf das Hohe-Prieſterliche Amt eigentlich ankoͤmmt; als dadurch er uns erloͤſet und verſoͤhnet, und alſo da- mit den unbeweglichen Grund zu unſerer Selig- keit geleget hat. Denn was er uns nach dem Ho- hen-Prieſterlichen Amte erworben hat, das laͤßt er uns nach dem Prophetiſchen verkuͤndigen, und das ſchencket er uns, als ſeinen Unterthanen, ja Reichs-Genoſſen, nach dem Koͤniglichen.
4. Paulus redet von dem ſchon durch das Gegenbild abgethanen Hohen-Prieſterthum des alten Teſtaments, als von dem damals noch ge-
gen-
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Cap. 5. v. 1. an die Hebraͤer.
mit aller Zuverſicht duͤrfen, koͤnnen, und ſollen hin-
zutreten; ſintemal ſie ſich nicht ſelbſt erſt zu ver-
ſoͤhnen haben, ſondern ſich nur der ſchon geſche-
henen Verſoͤhnung immer mehr theilhaftig ma-
chen. Hernach auch dieſes, daß ſie es nicht etwa
nur zu einer und der andern Zeit thun koͤnnen,
ſondern taͤglich und unaufhoͤrlich; obgleich
nicht allezeit mit einem foͤrmlichen Gebet, doch
mit einem ſolchen Verlangen, durch welches das
Hertz in einer beſtaͤndigen Erhebung zu GOTT
ſtehet.
6. Das Hinzunahen zum Thron GOttes
gehet auf Barmhertzigkeit und Gnade. Von
welchen Worten eines das andere erlaͤutert.
Denn die Gnade, die uns GOtt erweiſet, iſt eine
erbarmende Gnade, vermoͤge welcher uns
GOtt nicht nach einiger eigenen Guͤte, die an uns
waͤre, ſondern nach, oder in, unſerm Elende mit-
leidig anſiehet: ſintemal uns durch die hertzli-
che Barmhertzigkeit unſers GOttes beſu-
chet hat der Aufgang aus der Hoͤhe Luc.
1, 78.
7. Dieſe Barmhertzigkeit und Gnade ſollen
wir nehmen durch die Hand unſers Glaubens,
welche ſich darnach ausſtrecket; und wir ſollen
ſie finden, als einen groſſen und unſchaͤtzbaren
Schatz, der zwar ſchon erworben und uns berei-
tet iſt, aber doch muß durch das glaͤubige Gebet
geſuchet werden.
8. Nun ſind wir zwar dieſer Gnade alle-
zeit ſehr beduͤrftig: doch empfinden wir unſere
Duͤrftigkeit zu einer Zeit mehr, als zur andern:
wie uns denn auch die geiſtlichen Feinde in uns
und auſſer uns zu gewiſſen Zeiten heftiger, oder
doch gefaͤhrlicher, zuſetzen. Dannenhero iſt es
noͤthig, daß man ſonderlich zu ſolcher Zeit ſich
fleißig zum Gnaden-Thron nahe, das glaͤubige
Zunahen aber doch niemals gar unterlaſſe; ſon-
dern es laſſe die allergewoͤhnlichſte Ubung durch
das gantze Leben ſeyn.
Das Fuͤnfte Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel fortfaͤhret von dem kurtz vorher gedachten
Hohen-Prieſterthum Chriſti nach dem Vorbilde des Levitiſchen Hohen-
Prieſters zu handeln/ und dabey die Hebraͤer/ wegen des ihnen noch er-
mangelnden Wachsthums in der Erkenntniß Chriſti/
liebreich beſtrafet.
V. 1.
DEnn ein ieglicher Hoher-Prie-
ſter, der (einer nach dem andern)
aus Menſchen genommen wird
(zum Vorbilde des rechten Hohen-
Prieſters, welcher der Sohn GOt-
tes ſelbſt iſt) der wird geſetzet fuͤr die Men-
ſchen gegen GOtt (als ein Mittler zwiſchen
GOTT und Menſchen, vor und bey GOtt der
Menſchen Stelle zu vertreten und ſie zu verſoͤh-
nen) auf daß er (zu ſolcher Verſoͤhnung) opfe-
re (zum Altar zubereite und darbringe) Gaben
(allerley Speiß-Opfer) und Opfer (Schlacht-
Opfer von dem zum Altar verordneten Opfer-
Viehe) fuͤr die Suͤnden.
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſes Verſes und
gantzen Capitels mit dem vorhergehenden iſt die-
ſe: Paulus hatte kurtz vorher gedacht, Chriſtus
ſey ein ſolcher Hoher-Prieſter, der da koͤnne Mit-
leiden haben mit unſerer Schwachheit, und zu
dem wir daher in aller Freudigkeit uns nahen
koͤnten. Dieſes erweiſet, und erlaͤutert er nun
damit, daß er dergleichen, nemlich wie der Hohe-
Prieſter des alten Teſtaments, als ein ſchwacher
Menſch, habe koͤnnen Mitleiden mit andern ha-
ben und freundlich mit ihnen umgehen, von ihm,
als dem Vorbilde, anfuͤhret.
2. Es war zwar nach der goͤttlichen Ver-
ordnung eigentlich nur ein eintziger rechter Ho-
her-Prieſter, darauf der Apoſtel auch alhier ge-
het; nicht aber darauf ſiehet, was zuletzt zur Zeit
des andern Tempels fuͤr Unordnung des Hohen-
Prieſterthums wegen vorgegangen iſt, und daß
der Name eines Hohen-Prieſters auch den Haͤu-
ptern der Prieſterlichen Ordnungen iſt gegeben
worden: daß er aber doch von mehrern redet, das
thut er in dem Abſehen auf die Ordnung, worin-
nen allemal einer dem andern gefolget iſt.
3. Da im alten Teſtamente nichts merckwuͤr-
diger und heiliger geweſen iſt, als das Prieſter-
thum uͤberhaupt, und dabey ſonderlich die Ver-
richtung des Hohen-Prieſters; als darauf es bey
dem gantzen Levitiſchen Gottesdienſt eigentlich
ankam: ſo iſt es leichtlich zu erachten, daß es bey
dem Mittler-Amte Chriſti ſonderlich auf das
Hohe-Prieſterliche Amt eigentlich ankoͤmmt; als
dadurch er uns erloͤſet und verſoͤhnet, und alſo da-
mit den unbeweglichen Grund zu unſerer Selig-
keit geleget hat. Denn was er uns nach dem Ho-
hen-Prieſterlichen Amte erworben hat, das laͤßt
er uns nach dem Prophetiſchen verkuͤndigen, und
das ſchencket er uns, als ſeinen Unterthanen, ja
Reichs-Genoſſen, nach dem Koͤniglichen.
4. Paulus redet von dem ſchon durch das
Gegenbild abgethanen Hohen-Prieſterthum des
alten Teſtaments, als von dem damals noch ge-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/297>, abgerufen am 17.06.2024.
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