ziemlich absprechendes Urteil über den Kulturwert der modernen Frauenarbeit.
Bei jedem Eindringen in einen bisher verschlossenen Männerberuf hebt ein Siegesgeschrei der Frauenrechtle- rinnen an, selbst wenn der neue Beruf alles andere eher als ein Frauenberuf ist. So begrüßte man den ersten weiblichen Schiffskapitän, und so wird man den ersten weiblichen Schlächter begrüßen! Warum? Es ist doch keinerlei materielle Notwendigkeit dieser Frauenberufe vor- handen, denn die drei oder vier weiblichen Schiffskapitäne, die dem ersten folgen werden, hätten auch eine andere und für Frauen beglückendere Erwerbsmöglichkeit gefun- den, es ist also nur der Wille, alle Männerberufe aus- zuüben und damit zur politischen Gleichberechtigung zu gelangen. Dies Bestreben trat beim Beginn des Krieges besonders deutlich hervor, die Frauenrechtlerinnen glaubten zuerst, daß während der Kriegsnot alle Berufe sich ihnen öffnen würden. So hofft der akademische Frauenbund in einem Aufrufe, daß nun alle offenen Stellen in Schulen, Büros und Gerichtssälen von Frauen besetzt werden würden, um dadurch immer mehr Männer für den Heeresdienst frei zu machen.
Unter dem Deckmantel der Vaterlandsliebe wollte man die von den Männern verlassenen Stellen ausfüllen, immer mit dem geheimen Gedanken, die so leicht ge- wonnenen Plätze im Frieden festzuhalten. Hundert- mal ist es ausgesprochen worden, daß man jetzt der Regierung die gleiche Leistungsfähigkeit der Frau zeigen könne, und so kamen die Meldungen der Ober- lehrerinnen für Gymnasien etc. zustande. Glücklicherweise
ziemlich absprechendes Urteil über den Kulturwert der modernen Frauenarbeit.
Bei jedem Eindringen in einen bisher verschlossenen Männerberuf hebt ein Siegesgeschrei der Frauenrechtle- rinnen an, selbst wenn der neue Beruf alles andere eher als ein Frauenberuf ist. So begrüßte man den ersten weiblichen Schiffskapitän, und so wird man den ersten weiblichen Schlächter begrüßen! Warum? Es ist doch keinerlei materielle Notwendigkeit dieser Frauenberufe vor- handen, denn die drei oder vier weiblichen Schiffskapitäne, die dem ersten folgen werden, hätten auch eine andere und für Frauen beglückendere Erwerbsmöglichkeit gefun- den, es ist also nur der Wille, alle Männerberufe aus- zuüben und damit zur politischen Gleichberechtigung zu gelangen. Dies Bestreben trat beim Beginn des Krieges besonders deutlich hervor, die Frauenrechtlerinnen glaubten zuerst, daß während der Kriegsnot alle Berufe sich ihnen öffnen würden. So hofft der akademische Frauenbund in einem Aufrufe, daß nun alle offenen Stellen in Schulen, Büros und Gerichtssälen von Frauen besetzt werden würden, um dadurch immer mehr Männer für den Heeresdienst frei zu machen.
Unter dem Deckmantel der Vaterlandsliebe wollte man die von den Männern verlassenen Stellen ausfüllen, immer mit dem geheimen Gedanken, die so leicht ge- wonnenen Plätze im Frieden festzuhalten. Hundert- mal ist es ausgesprochen worden, daß man jetzt der Regierung die gleiche Leistungsfähigkeit der Frau zeigen könne, und so kamen die Meldungen der Ober- lehrerinnen für Gymnasien ꝛc. zustande. Glücklicherweise
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ziemlich absprechendes Urteil über den Kulturwert der
modernen Frauenarbeit.
Bei jedem Eindringen in einen bisher verschlossenen
Männerberuf hebt ein Siegesgeschrei der Frauenrechtle-
rinnen an, selbst wenn der neue Beruf alles andere eher
als ein Frauenberuf ist. So begrüßte man den ersten
weiblichen Schiffskapitän, und so wird man den ersten
weiblichen Schlächter begrüßen! Warum? Es ist doch
keinerlei materielle Notwendigkeit dieser Frauenberufe vor-
handen, denn die drei oder vier weiblichen Schiffskapitäne,
die dem ersten folgen werden, hätten auch eine andere
und für Frauen beglückendere Erwerbsmöglichkeit gefun-
den, es ist also nur der Wille, alle Männerberufe aus-
zuüben und damit zur politischen Gleichberechtigung zu
gelangen. Dies Bestreben trat beim Beginn des Krieges
besonders deutlich hervor, die Frauenrechtlerinnen glaubten
zuerst, daß während der Kriegsnot alle Berufe sich ihnen
öffnen würden. So hofft der akademische Frauenbund in
einem Aufrufe, daß nun alle offenen Stellen in Schulen,
Büros und Gerichtssälen von Frauen besetzt werden
würden, um dadurch immer mehr Männer für den
Heeresdienst frei zu machen.
Unter dem Deckmantel der Vaterlandsliebe wollte
man die von den Männern verlassenen Stellen ausfüllen,
immer mit dem geheimen Gedanken, die so leicht ge-
wonnenen Plätze im Frieden festzuhalten. Hundert-
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lehrerinnen für Gymnasien ꝛc. zustande. Glücklicherweise
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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/129>, abgerufen am 16.06.2024.
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