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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ten der Tugend und des Wohlstandes be-
leidigten. Ein andrer, der als ein edler
Spieler gerühmt wurde, und in der That oh-
ne Gewinnsucht mit einer gleichgelassenen
und freundlichen Miene spielte, hatte eini-
ge Zeit vorher, bey der Frage von Herr-
schaft und Unterthan, von den letztern
als Hunden gesprochen, und einem jungen
die Regierung seiner Güter antretenden
Cavalier die heftigste und liebloseste Maaß-
regeln angerathen, um die Bauren in
Furcht und Unterwürfigkeit zu erhalten,
und die Abgaben alle Jahre richtig einzu-
treiben, damit man in seinem standesge-
mäßen Aufwand nicht gestöret würde. --

Warum? sagte mein Herz, warum ko-
stet es die Leute weniger, sich den oft bloß
willkührlichen Gesetzen eines Menschen zu
unterwerfen, als den einfachen, wohlthä-
tigen Vorschriften, die der ewige Gesetzge-
ber zum Besten unsrer Nebenmenschen an-
geordnet hat? Warum darf man Niemand
erinnern, daß er wider diese Gesetze feh-
le? Meiner Tante hätte ich diesen zufälli-
gen Gedanken nicht sagen wollen; denn

sie

ten der Tugend und des Wohlſtandes be-
leidigten. Ein andrer, der als ein edler
Spieler geruͤhmt wurde, und in der That oh-
ne Gewinnſucht mit einer gleichgelaſſenen
und freundlichen Miene ſpielte, hatte eini-
ge Zeit vorher, bey der Frage von Herr-
ſchaft und Unterthan, von den letztern
als Hunden geſprochen, und einem jungen
die Regierung ſeiner Guͤter antretenden
Cavalier die heftigſte und liebloſeſte Maaß-
regeln angerathen, um die Bauren in
Furcht und Unterwuͤrfigkeit zu erhalten,
und die Abgaben alle Jahre richtig einzu-
treiben, damit man in ſeinem ſtandesge-
maͤßen Aufwand nicht geſtoͤret wuͤrde. —

Warum? ſagte mein Herz, warum ko-
ſtet es die Leute weniger, ſich den oft bloß
willkuͤhrlichen Geſetzen eines Menſchen zu
unterwerfen, als den einfachen, wohlthaͤ-
tigen Vorſchriften, die der ewige Geſetzge-
ber zum Beſten unſrer Nebenmenſchen an-
geordnet hat? Warum darf man Niemand
erinnern, daß er wider dieſe Geſetze feh-
le? Meiner Tante haͤtte ich dieſen zufaͤlli-
gen Gedanken nicht ſagen wollen; denn

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[138/0164] ten der Tugend und des Wohlſtandes be- leidigten. Ein andrer, der als ein edler Spieler geruͤhmt wurde, und in der That oh- ne Gewinnſucht mit einer gleichgelaſſenen und freundlichen Miene ſpielte, hatte eini- ge Zeit vorher, bey der Frage von Herr- ſchaft und Unterthan, von den letztern als Hunden geſprochen, und einem jungen die Regierung ſeiner Guͤter antretenden Cavalier die heftigſte und liebloſeſte Maaß- regeln angerathen, um die Bauren in Furcht und Unterwuͤrfigkeit zu erhalten, und die Abgaben alle Jahre richtig einzu- treiben, damit man in ſeinem ſtandesge- maͤßen Aufwand nicht geſtoͤret wuͤrde. — Warum? ſagte mein Herz, warum ko- ſtet es die Leute weniger, ſich den oft bloß willkuͤhrlichen Geſetzen eines Menſchen zu unterwerfen, als den einfachen, wohlthaͤ- tigen Vorſchriften, die der ewige Geſetzge- ber zum Beſten unſrer Nebenmenſchen an- geordnet hat? Warum darf man Niemand erinnern, daß er wider dieſe Geſetze feh- le? Meiner Tante haͤtte ich dieſen zufaͤlli- gen Gedanken nicht ſagen wollen; denn ſie

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/164>, abgerufen am 30.04.2024.