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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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mein Plan leicht gewesen; aber da sie
ganz eigentlich nach Grundsätzen denkt und
handelt, so ist alles, wodurch ich sonst
gefiel, bey ihr verlohren. Besitzen muß
ich sie, und das mit ihrer Einwilligung.
Dazu gehört, daß ich mir ihr Vertrauen
und ihre Neigung erwerbe. Nun bleibt
mir nichts übrig, als mir, wie der Mi-
nister, zufällige Anlässe nützlich zu machen.
Von beyden erfuhr ich letzthin die Probe
auf dem Landguth der Gräfin F*. Jch
wußte, daß das Fräulein mit ihrer Tan-
te auf etliche Tage hingieng, und fand
mich auch ein. Jch kam zweymal mit
meiner Göttin und dem Fräulin R. allein
auf den Spaziergang, und hatte Anlaß
etwas von meinen Reisen zu erzählen.
Du weißt, daß meine Augen gute Beob-
achter sind, und daß ich manche halbe
Stunde ganz artig schwatzen kann. Der
Gegenstand war von Gebäuden und Gär-
ten. Das Fräulein von Sternheim liebt
Verstand und Kenntnisse. Jch machte
mir ihre Aufmerksamkeit ganz vortheil-
haft zu nutze, und habe ihre Achtung für

meinen

mein Plan leicht geweſen; aber da ſie
ganz eigentlich nach Grundſaͤtzen denkt und
handelt, ſo iſt alles, wodurch ich ſonſt
gefiel, bey ihr verlohren. Beſitzen muß
ich ſie, und das mit ihrer Einwilligung.
Dazu gehoͤrt, daß ich mir ihr Vertrauen
und ihre Neigung erwerbe. Nun bleibt
mir nichts uͤbrig, als mir, wie der Mi-
niſter, zufaͤllige Anlaͤſſe nuͤtzlich zu machen.
Von beyden erfuhr ich letzthin die Probe
auf dem Landguth der Graͤfin F*. Jch
wußte, daß das Fraͤulein mit ihrer Tan-
te auf etliche Tage hingieng, und fand
mich auch ein. Jch kam zweymal mit
meiner Goͤttin und dem Fraͤulin R. allein
auf den Spaziergang, und hatte Anlaß
etwas von meinen Reiſen zu erzaͤhlen.
Du weißt, daß meine Augen gute Beob-
achter ſind, und daß ich manche halbe
Stunde ganz artig ſchwatzen kann. Der
Gegenſtand war von Gebaͤuden und Gaͤr-
ten. Das Fraͤulein von Sternheim liebt
Verſtand und Kenntniſſe. Jch machte
mir ihre Aufmerkſamkeit ganz vortheil-
haft zu nutze, und habe ihre Achtung fuͤr

meinen
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[205/0231] mein Plan leicht geweſen; aber da ſie ganz eigentlich nach Grundſaͤtzen denkt und handelt, ſo iſt alles, wodurch ich ſonſt gefiel, bey ihr verlohren. Beſitzen muß ich ſie, und das mit ihrer Einwilligung. Dazu gehoͤrt, daß ich mir ihr Vertrauen und ihre Neigung erwerbe. Nun bleibt mir nichts uͤbrig, als mir, wie der Mi- niſter, zufaͤllige Anlaͤſſe nuͤtzlich zu machen. Von beyden erfuhr ich letzthin die Probe auf dem Landguth der Graͤfin F*. Jch wußte, daß das Fraͤulein mit ihrer Tan- te auf etliche Tage hingieng, und fand mich auch ein. Jch kam zweymal mit meiner Goͤttin und dem Fraͤulin R. allein auf den Spaziergang, und hatte Anlaß etwas von meinen Reiſen zu erzaͤhlen. Du weißt, daß meine Augen gute Beob- achter ſind, und daß ich manche halbe Stunde ganz artig ſchwatzen kann. Der Gegenſtand war von Gebaͤuden und Gaͤr- ten. Das Fraͤulein von Sternheim liebt Verſtand und Kenntniſſe. Jch machte mir ihre Aufmerkſamkeit ganz vortheil- haft zu nutze, und habe ihre Achtung fuͤr meinen

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/231>, abgerufen am 30.04.2024.