Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Müssen wir in unserm Hausgeräthe
den Mangel vieles Schönen und Gemäch-
lichen ertragen, so wollen wir in dem
höchsten Grade der Reinlichkeit den Er-
satz des Kostbaren suchen, und uns ge-
wöhnen, wie der weise Araber, froh zu
seyn, daß wir zu unserm Glück den Ue-
ber[fl]uß nicht nöthig haben. Und wie
edel können einst die Töchter des Herrn
Raths die Würde ihres Hauses zieren,
wenn die Zimmer mit schönen Zeichnun-
gen, die Stühle und Ruhebänke mit Ta-
petenarbeit von ihren geschickten Händen
bekleidet seyn werden! Sollten Sie nach
dieser edelmüthigen Ergebenheit in ihr
Schicksal, durch den Anblick des Rei-
chen,
in eine traurige Vergleichung zwi-
schen ihren und seinen Umständen verfal-
len so halten Sie sich nicht bloß an die Jdee
des Vergnügens, das der Reiche in seiner
Pracht und Wollust genießt, sondern wen-
den Sie Jhre Gedanken auf den Nutzen,
den Kaufleute, Künstler und Hand-
arbeiter
davon haben; denn bey dem ersten
Gedanken fühlen Sie nichts als Schmer-

zen

Muͤſſen wir in unſerm Hausgeraͤthe
den Mangel vieles Schoͤnen und Gemaͤch-
lichen ertragen, ſo wollen wir in dem
hoͤchſten Grade der Reinlichkeit den Er-
ſatz des Koſtbaren ſuchen, und uns ge-
woͤhnen, wie der weiſe Araber, froh zu
ſeyn, daß wir zu unſerm Gluͤck den Ue-
ber[fl]uß nicht noͤthig haben. Und wie
edel koͤnnen einſt die Toͤchter des Herrn
Raths die Wuͤrde ihres Hauſes zieren,
wenn die Zimmer mit ſchoͤnen Zeichnun-
gen, die Stuͤhle und Ruhebaͤnke mit Ta-
petenarbeit von ihren geſchickten Haͤnden
bekleidet ſeyn werden! Sollten Sie nach
dieſer edelmuͤthigen Ergebenheit in ihr
Schickſal, durch den Anblick des Rei-
chen,
in eine traurige Vergleichung zwi-
ſchen ihren und ſeinen Umſtaͤnden verfal-
len ſo halten Sie ſich nicht bloß an die Jdee
des Vergnuͤgens, das der Reiche in ſeiner
Pracht und Wolluſt genießt, ſondern wen-
den Sie Jhre Gedanken auf den Nutzen,
den Kaufleute, Kuͤnſtler und Hand-
arbeiter
davon haben; denn bey dem erſten
Gedanken fuͤhlen Sie nichts als Schmer-

zen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0325" n="299"/>
          <p>Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir in un&#x017F;erm Hausgera&#x0364;the<lb/>
den Mangel vieles Scho&#x0364;nen und Gema&#x0364;ch-<lb/>
lichen ertragen, &#x017F;o wollen wir in dem<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade der Reinlichkeit den Er-<lb/>
&#x017F;atz des Ko&#x017F;tbaren &#x017F;uchen, und uns ge-<lb/>
wo&#x0364;hnen, wie der wei&#x017F;e Araber, froh zu<lb/>
&#x017F;eyn, daß wir zu un&#x017F;erm Glu&#x0364;ck den Ue-<lb/>
ber<supplied>fl</supplied>uß nicht no&#x0364;thig haben. Und wie<lb/>
edel ko&#x0364;nnen ein&#x017F;t die To&#x0364;chter des Herrn<lb/>
Raths die Wu&#x0364;rde ihres Hau&#x017F;es zieren,<lb/>
wenn die Zimmer mit &#x017F;cho&#x0364;nen Zeichnun-<lb/>
gen, die Stu&#x0364;hle und Ruheba&#x0364;nke mit Ta-<lb/>
petenarbeit von ihren ge&#x017F;chickten Ha&#x0364;nden<lb/>
bekleidet &#x017F;eyn werden! Sollten Sie nach<lb/>
die&#x017F;er edelmu&#x0364;thigen Ergebenheit in ihr<lb/>
Schick&#x017F;al, durch den Anblick des <hi rendition="#fr">Rei-<lb/>
chen,</hi> in eine traurige Vergleichung zwi-<lb/>
&#x017F;chen ihren und &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;nden verfal-<lb/>
len &#x017F;o halten Sie &#x017F;ich nicht bloß an die Jdee<lb/>
des Vergnu&#x0364;gens, das der Reiche in &#x017F;einer<lb/>
Pracht und Wollu&#x017F;t genießt, &#x017F;ondern wen-<lb/>
den Sie Jhre Gedanken auf den Nutzen,<lb/>
den <hi rendition="#fr">Kaufleute, Ku&#x0364;n&#x017F;tler</hi> und <hi rendition="#fr">Hand-<lb/>
arbeiter</hi> davon haben; denn bey dem er&#x017F;ten<lb/>
Gedanken fu&#x0364;hlen Sie nichts als Schmer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0325] Muͤſſen wir in unſerm Hausgeraͤthe den Mangel vieles Schoͤnen und Gemaͤch- lichen ertragen, ſo wollen wir in dem hoͤchſten Grade der Reinlichkeit den Er- ſatz des Koſtbaren ſuchen, und uns ge- woͤhnen, wie der weiſe Araber, froh zu ſeyn, daß wir zu unſerm Gluͤck den Ue- berfluß nicht noͤthig haben. Und wie edel koͤnnen einſt die Toͤchter des Herrn Raths die Wuͤrde ihres Hauſes zieren, wenn die Zimmer mit ſchoͤnen Zeichnun- gen, die Stuͤhle und Ruhebaͤnke mit Ta- petenarbeit von ihren geſchickten Haͤnden bekleidet ſeyn werden! Sollten Sie nach dieſer edelmuͤthigen Ergebenheit in ihr Schickſal, durch den Anblick des Rei- chen, in eine traurige Vergleichung zwi- ſchen ihren und ſeinen Umſtaͤnden verfal- len ſo halten Sie ſich nicht bloß an die Jdee des Vergnuͤgens, das der Reiche in ſeiner Pracht und Wolluſt genießt, ſondern wen- den Sie Jhre Gedanken auf den Nutzen, den Kaufleute, Kuͤnſtler und Hand- arbeiter davon haben; denn bey dem erſten Gedanken fuͤhlen Sie nichts als Schmer- zen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/325
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/325>, abgerufen am 13.05.2024.