Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

innere mich hier an eine Unterredung zwi-
schen uns, von der Stärke der Eindrücke,
die wir in unsrer Jugend bekommen. Jch
empfinde würklich ein Stück davon mit
aller der Macht, die die Umstände dazu
beytragen. Mein Vater hatte mir zwo
Sachen sehr eingeprägt, nehmlich die Ge-
wißheit des Wiedervergeltungsrechts

und den Lehrsatz der Wohlthätigkeit
unsers Beyspiels.
Die Gründe, welche
er dazu anführte, waren so edel, sein
Unterricht so liebreich, daß es nothwen-
diger Weise in meiner empfindlichen Seele
haften mußte. Von dem ersten bin ich
seit langer Zeit wieder eingenommen, weil
er mir oft sagte, daß der Kummer oder
das Vergnügen, die ich ihm geben würde,
durch meine Kinder an mir würde gerächt
oder belohnt werden; Gott sey Dank,
daß ich durch meine Aufführung gegen
meinen ehrwürdigen Vater den Segen
verdient habe, ein gehorsames tugend-
volles Kind zu besitzen, welches mich an
dem Ende meines Lebens das Glück der
Erinnerung genießen läßt, daß ich die

letzten
E 5

innere mich hier an eine Unterredung zwi-
ſchen uns, von der Staͤrke der Eindruͤcke,
die wir in unſrer Jugend bekommen. Jch
empfinde wuͤrklich ein Stuͤck davon mit
aller der Macht, die die Umſtaͤnde dazu
beytragen. Mein Vater hatte mir zwo
Sachen ſehr eingepraͤgt, nehmlich die Ge-
wißheit des Wiedervergeltungsrechts

und den Lehrſatz der Wohlthaͤtigkeit
unſers Beyſpiels.
Die Gruͤnde, welche
er dazu anfuͤhrte, waren ſo edel, ſein
Unterricht ſo liebreich, daß es nothwen-
diger Weiſe in meiner empfindlichen Seele
haften mußte. Von dem erſten bin ich
ſeit langer Zeit wieder eingenommen, weil
er mir oft ſagte, daß der Kummer oder
das Vergnuͤgen, die ich ihm geben wuͤrde,
durch meine Kinder an mir wuͤrde geraͤcht
oder belohnt werden; Gott ſey Dank,
daß ich durch meine Auffuͤhrung gegen
meinen ehrwuͤrdigen Vater den Segen
verdient habe, ein gehorſames tugend-
volles Kind zu beſitzen, welches mich an
dem Ende meines Lebens das Gluͤck der
Erinnerung genießen laͤßt, daß ich die

letzten
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="73"/>
innere mich hier an eine Unterredung zwi-<lb/>
&#x017F;chen uns, von der Sta&#x0364;rke der Eindru&#x0364;cke,<lb/>
die wir in un&#x017F;rer Jugend bekommen. Jch<lb/>
empfinde wu&#x0364;rklich ein Stu&#x0364;ck davon mit<lb/>
aller der Macht, die die Um&#x017F;ta&#x0364;nde dazu<lb/>
beytragen. Mein Vater hatte mir zwo<lb/>
Sachen &#x017F;ehr eingepra&#x0364;gt, nehmlich die <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
wißheit des Wiedervergeltungsrechts</hi><lb/>
und den Lehr&#x017F;atz der <hi rendition="#fr">Wohltha&#x0364;tigkeit<lb/>
un&#x017F;ers Bey&#x017F;piels.</hi> Die Gru&#x0364;nde, welche<lb/>
er dazu anfu&#x0364;hrte, waren &#x017F;o edel, &#x017F;ein<lb/>
Unterricht &#x017F;o liebreich, daß es nothwen-<lb/>
diger Wei&#x017F;e in meiner empfindlichen Seele<lb/>
haften mußte. Von dem er&#x017F;ten bin ich<lb/>
&#x017F;eit langer Zeit wieder eingenommen, weil<lb/>
er mir oft &#x017F;agte, daß der Kummer oder<lb/>
das Vergnu&#x0364;gen, die ich ihm geben wu&#x0364;rde,<lb/>
durch meine Kinder an mir wu&#x0364;rde gera&#x0364;cht<lb/>
oder belohnt werden; Gott &#x017F;ey Dank,<lb/>
daß ich durch meine Auffu&#x0364;hrung gegen<lb/>
meinen ehrwu&#x0364;rdigen Vater den Segen<lb/>
verdient habe, ein gehor&#x017F;ames tugend-<lb/>
volles Kind zu be&#x017F;itzen, welches mich an<lb/>
dem Ende meines Lebens das Glu&#x0364;ck der<lb/>
Erinnerung genießen la&#x0364;ßt, daß ich die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">letzten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0099] innere mich hier an eine Unterredung zwi- ſchen uns, von der Staͤrke der Eindruͤcke, die wir in unſrer Jugend bekommen. Jch empfinde wuͤrklich ein Stuͤck davon mit aller der Macht, die die Umſtaͤnde dazu beytragen. Mein Vater hatte mir zwo Sachen ſehr eingepraͤgt, nehmlich die Ge- wißheit des Wiedervergeltungsrechts und den Lehrſatz der Wohlthaͤtigkeit unſers Beyſpiels. Die Gruͤnde, welche er dazu anfuͤhrte, waren ſo edel, ſein Unterricht ſo liebreich, daß es nothwen- diger Weiſe in meiner empfindlichen Seele haften mußte. Von dem erſten bin ich ſeit langer Zeit wieder eingenommen, weil er mir oft ſagte, daß der Kummer oder das Vergnuͤgen, die ich ihm geben wuͤrde, durch meine Kinder an mir wuͤrde geraͤcht oder belohnt werden; Gott ſey Dank, daß ich durch meine Auffuͤhrung gegen meinen ehrwuͤrdigen Vater den Segen verdient habe, ein gehorſames tugend- volles Kind zu beſitzen, welches mich an dem Ende meines Lebens das Gluͤck der Erinnerung genießen laͤßt, daß ich die letzten E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/99
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/99>, abgerufen am 29.04.2024.