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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Geber als Chemiker.
Umwandlung der Körper zu einer andren, auf die chemische
Erfahrung gegründeten Elementenlehre, als die aristotelische.

Die Schriften, welche die Hauptlehren der arabischen
Chemie enthalten und in lateinischen Übersetzungen während
des ganzen Mittelalters die größte Autorität besaßen, sind
bekannt unter dem Namen Gebers.1 Die Angaben über das
Leben dieses Mannes, welches in das achte Jahrhundert fällt,
sind schwankend und unsicher. Wahrscheinlich war sein Name
Abu Musa Dschabir ben Hajjan ben Abdallah al-Sufi al-Tarsufi
al-Kufi
; sein Geburtsort Tarsus, sein Wohnort Kufa -- daher
seine Beinamen -- sein Lehrer Dschafer al-Sadic, mit welchem
er der Ähnlichkeit der Namen wegen verwechselt wurde. In-
wieweit die unter seinem Namen gehenden Werke ihm selbst
und die darin niedergelegten Kenntnisse seiner eigenen
Forschung zugehören, wissen wir nicht. Genug, daß er uns
den hochentwickelten Stand der Chemie bei den Arabern
repräsentiert. Er kennt das Schmelzen, Lösen, Filtrieren,
Krystallisieren, Destillieren und Sublimieren der Körper. Außer
den Kenntnissen der Alten, welche Plinius und Dioskorides
überliefern, gibt er die Herstellung einer ganzen Reihe andrer
Körper an, vor allen die der Salpetersäure, wie es scheint auch
unreiner Schwefelsäure. Mit Hilfe der ersteren stellte er z. B.
salpetersaures Silberoxyd her, ebenso durch Zusatz von Salmiak
Königswasser, in welchem er Gold auflöste.2 Durch die Kennt-
nis dieser Säuren bekam die Chemie eine ganz neue Gestalt,
da es vorher den Chemikern an jedem kräftigen Lösungsmittel
fehlte und sie nur auf den trocknen Weg angewiesen waren.

Dschabir berichtet über seine eigenen Ansichten und die
seiner Vorgänger in Betreff der Entstehung der Metalle in
seiner sogenannten Summa perfectionis;3 seine Theorie, obwohl

1 Über ihn vgl. Wüstenfeld, S. 12. H. Kopp, Gesch. d. Chem., I S. 53.
Hoefer, Hist. de la chim. I p. 329 ff. Poggendorff, Gesch. d. Phys., S. 66 ff.
-- Kopp, Beitr. 3. St. S. 13 ff. Leclerc, Hist. de la med. S. 70 f.
2 Kopp, Beitr. S. 39, 40.
3 Gebri Arabis philosophi etc. # libri duo, quibus titulum fecit:
Summa perfectionis, sive perfecti magisterii. Ex Arabico in Latinum translati,
incerto interprete. In: Artis chemicae principes, Avicenna atque Geber,
Basileae 1572, p. 497--708. De principiis naturalibus et eorum effectu handelt
ps. III des 1. Buches. p. 537 ff.

Geber als Chemiker.
Umwandlung der Körper zu einer andren, auf die chemische
Erfahrung gegründeten Elementenlehre, als die aristotelische.

Die Schriften, welche die Hauptlehren der arabischen
Chemie enthalten und in lateinischen Übersetzungen während
des ganzen Mittelalters die größte Autorität besaßen, sind
bekannt unter dem Namen Gebers.1 Die Angaben über das
Leben dieses Mannes, welches in das achte Jahrhundert fällt,
sind schwankend und unsicher. Wahrscheinlich war sein Name
Abu Musa Dschabir ben Hajjan ben Abdallah al-Sufi al-Tarsufi
al-Kufi
; sein Geburtsort Tarsus, sein Wohnort Kufa — daher
seine Beinamen — sein Lehrer Dschafer al-Sadic, mit welchem
er der Ähnlichkeit der Namen wegen verwechselt wurde. In-
wieweit die unter seinem Namen gehenden Werke ihm selbst
und die darin niedergelegten Kenntnisse seiner eigenen
Forschung zugehören, wissen wir nicht. Genug, daß er uns
den hochentwickelten Stand der Chemie bei den Arabern
repräsentiert. Er kennt das Schmelzen, Lösen, Filtrieren,
Krystallisieren, Destillieren und Sublimieren der Körper. Außer
den Kenntnissen der Alten, welche Plinius und Dioskorides
überliefern, gibt er die Herstellung einer ganzen Reihe andrer
Körper an, vor allen die der Salpetersäure, wie es scheint auch
unreiner Schwefelsäure. Mit Hilfe der ersteren stellte er z. B.
salpetersaures Silberoxyd her, ebenso durch Zusatz von Salmiak
Königswasser, in welchem er Gold auflöste.2 Durch die Kennt-
nis dieser Säuren bekam die Chemie eine ganz neue Gestalt,
da es vorher den Chemikern an jedem kräftigen Lösungsmittel
fehlte und sie nur auf den trocknen Weg angewiesen waren.

Dschabir berichtet über seine eigenen Ansichten und die
seiner Vorgänger in Betreff der Entstehung der Metalle in
seiner sogenannten Summa perfectionis;3 seine Theorie, obwohl

1 Über ihn vgl. Wüstenfeld, S. 12. H. Kopp, Gesch. d. Chem., I S. 53.
Hoefer, Hist. de la chim. I p. 329 ff. Poggendorff, Gesch. d. Phys., S. 66 ff.
Kopp, Beitr. 3. St. S. 13 ff. Leclerc, Hist. de la méd. S. 70 f.
2 Kopp, Beitr. S. 39, 40.
3 Gebri Arabis philosophi etc. # libri duo, quibus titulum fecit:
Summa perfectionis, sive perfecti magisterii. Ex Arabico in Latinum translati,
incerto interprete. In: Artis chemicae principes, Avicenna atque Geber,
Basileae 1572, p. 497—708. De principiis naturalibus et eorum effectu handelt
ps. III des 1. Buches. p. 537 ff.
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[224/0242] Geber als Chemiker. Umwandlung der Körper zu einer andren, auf die chemische Erfahrung gegründeten Elementenlehre, als die aristotelische. Die Schriften, welche die Hauptlehren der arabischen Chemie enthalten und in lateinischen Übersetzungen während des ganzen Mittelalters die größte Autorität besaßen, sind bekannt unter dem Namen Gebers. 1 Die Angaben über das Leben dieses Mannes, welches in das achte Jahrhundert fällt, sind schwankend und unsicher. Wahrscheinlich war sein Name Abu Musa Dschabir ben Hajjan ben Abdallah al-Sufi al-Tarsufi al-Kufi; sein Geburtsort Tarsus, sein Wohnort Kufa — daher seine Beinamen — sein Lehrer Dschafer al-Sadic, mit welchem er der Ähnlichkeit der Namen wegen verwechselt wurde. In- wieweit die unter seinem Namen gehenden Werke ihm selbst und die darin niedergelegten Kenntnisse seiner eigenen Forschung zugehören, wissen wir nicht. Genug, daß er uns den hochentwickelten Stand der Chemie bei den Arabern repräsentiert. Er kennt das Schmelzen, Lösen, Filtrieren, Krystallisieren, Destillieren und Sublimieren der Körper. Außer den Kenntnissen der Alten, welche Plinius und Dioskorides überliefern, gibt er die Herstellung einer ganzen Reihe andrer Körper an, vor allen die der Salpetersäure, wie es scheint auch unreiner Schwefelsäure. Mit Hilfe der ersteren stellte er z. B. salpetersaures Silberoxyd her, ebenso durch Zusatz von Salmiak Königswasser, in welchem er Gold auflöste. 2 Durch die Kennt- nis dieser Säuren bekam die Chemie eine ganz neue Gestalt, da es vorher den Chemikern an jedem kräftigen Lösungsmittel fehlte und sie nur auf den trocknen Weg angewiesen waren. Dschabir berichtet über seine eigenen Ansichten und die seiner Vorgänger in Betreff der Entstehung der Metalle in seiner sogenannten Summa perfectionis; 3 seine Theorie, obwohl 1 Über ihn vgl. Wüstenfeld, S. 12. H. Kopp, Gesch. d. Chem., I S. 53. Hoefer, Hist. de la chim. I p. 329 ff. Poggendorff, Gesch. d. Phys., S. 66 ff. — Kopp, Beitr. 3. St. S. 13 ff. Leclerc, Hist. de la méd. S. 70 f. 2 Kopp, Beitr. S. 39, 40. 3 Gebri Arabis philosophi etc. # libri duo, quibus titulum fecit: Summa perfectionis, sive perfecti magisterii. Ex Arabico in Latinum translati, incerto interprete. In: Artis chemicae principes, Avicenna atque Geber, Basileae 1572, p. 497—708. De principiis naturalibus et eorum effectu handelt ps. III des 1. Buches. p. 537 ff.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/242>, abgerufen am 15.05.2024.