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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Verachtung der Atomistik.
unausgesetzt predigen, indem sie das religiöse Gefühl des
Christen gegen die Macht der heidnischen Wissenschaft zu
schützen und die christliche Lehre selbst mit einem dogma-
tischen Fundament zu versehen suchen.

In diesem Streben nach Verteidigung des Christentums
werden die Schriften der Kirchenväter die verbreitetste und
am meisten studierte Quelle der alten Philosophie. Ihr belieb-
testes und am häufigsten geschmähtes Angriffsobjekt aber bildet
die Atomenlehre des Altertums. Sie können es nicht oft genug
wiederholen, dass die Beschäftigung mit der Physik, wie die
griechischen Philosophen sie trieben, nicht nur eine vergebliche
Mühe (#) sei, die auf gänzlich Unnötiges und für das
Leben Unbrauchbares verwandt wird und in ihrer Absicht
weit über Maß und Kraft menschlichen Denkvermögens
hinausgehe, sondern daß sie auch eine Gefahr für das Seelen-
heil einschließe, wie das Beispiel des Leukipp und Demokrit
bewiese, die dadurch zum Atheismus geführt worden seien.
Wenn schon theoretisch der Materialismus jener alten Philo-
sophen so schwere Bedenken erregte, so bot der Umstand,
daß ein Epikur die atomistischen Theorien aufgenommen
hatte, den willkommensten Anlaß, Spott, Hohn und Schmach
auf eine physikalische Lehre auszuschütten, welche das Un-
glück hatte, von dem Begründer der verdammungswürdigsten
Ethik, dem verachtetsten aller Philosophen, vertreten zu
werden.1

2. Dionysius bei Eusebius.

Wir stellen die wichtigsten Berichte der Kirchenväter
über die Atomenlehre und ihre Einwendungen zusammen.

Die ausführlichste und zugleich älteste Nachricht vom
christlichen Standpunkte aus, welche uns über die antike Ato-

1 Spezielle Wendungen gegen die Atomistik werden in der Folge erwähnt.
Über Obiges vgl. u. a. den Kommentar zu Prosper Aquitanicus #
cum notis Lovaniensis Theologi in Op. St. Augustini, Antw. 1703. T. XII. p. 31.
-- Eusebii Praeparatio Evangel. l. XV. c. 61. ed. Dindorf, Lips. 1867. II. p. 414.
-- Lactantius, Instit. div. l. III, c. 2, 3. -- Auch Coll. Conimbric. in Phys.
Aristot. l. IV, c. 9. Quaest. I, art. 2. p. 78.

Verachtung der Atomistik.
unausgesetzt predigen, indem sie das religiöse Gefühl des
Christen gegen die Macht der heidnischen Wissenschaft zu
schützen und die christliche Lehre selbst mit einem dogma-
tischen Fundament zu versehen suchen.

In diesem Streben nach Verteidigung des Christentums
werden die Schriften der Kirchenväter die verbreitetste und
am meisten studierte Quelle der alten Philosophie. Ihr belieb-
testes und am häufigsten geschmähtes Angriffsobjekt aber bildet
die Atomenlehre des Altertums. Sie können es nicht oft genug
wiederholen, dass die Beschäftigung mit der Physik, wie die
griechischen Philosophen sie trieben, nicht nur eine vergebliche
Mühe (#) sei, die auf gänzlich Unnötiges und für das
Leben Unbrauchbares verwandt wird und in ihrer Absicht
weit über Maß und Kraft menschlichen Denkvermögens
hinausgehe, sondern daß sie auch eine Gefahr für das Seelen-
heil einschließe, wie das Beispiel des Leukipp und Demokrit
bewiese, die dadurch zum Atheismus geführt worden seien.
Wenn schon theoretisch der Materialismus jener alten Philo-
sophen so schwere Bedenken erregte, so bot der Umstand,
daß ein Epikur die atomistischen Theorien aufgenommen
hatte, den willkommensten Anlaß, Spott, Hohn und Schmach
auf eine physikalische Lehre auszuschütten, welche das Un-
glück hatte, von dem Begründer der verdammungswürdigsten
Ethik, dem verachtetsten aller Philosophen, vertreten zu
werden.1

2. Dionysius bei Eusebius.

Wir stellen die wichtigsten Berichte der Kirchenväter
über die Atomenlehre und ihre Einwendungen zusammen.

Die ausführlichste und zugleich älteste Nachricht vom
christlichen Standpunkte aus, welche uns über die antike Ato-

1 Spezielle Wendungen gegen die Atomistik werden in der Folge erwähnt.
Über Obiges vgl. u. a. den Kommentar zu Prosper Aquitanicus #
cum notis Lovaniensis Theologi in Op. St. Augustini, Antw. 1703. T. XII. p. 31.
Eusebii Praeparatio Evangel. l. XV. c. 61. ed. Dindorf, Lips. 1867. II. p. 414.
Lactantius, Instit. div. l. III, c. 2, 3. — Auch Coll. Conimbric. in Phys.
Aristot. l. IV, c. 9. Quaest. I, art. 2. p. 78.
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[13/0031] Verachtung der Atomistik. unausgesetzt predigen, indem sie das religiöse Gefühl des Christen gegen die Macht der heidnischen Wissenschaft zu schützen und die christliche Lehre selbst mit einem dogma- tischen Fundament zu versehen suchen. In diesem Streben nach Verteidigung des Christentums werden die Schriften der Kirchenväter die verbreitetste und am meisten studierte Quelle der alten Philosophie. Ihr belieb- testes und am häufigsten geschmähtes Angriffsobjekt aber bildet die Atomenlehre des Altertums. Sie können es nicht oft genug wiederholen, dass die Beschäftigung mit der Physik, wie die griechischen Philosophen sie trieben, nicht nur eine vergebliche Mühe (#) sei, die auf gänzlich Unnötiges und für das Leben Unbrauchbares verwandt wird und in ihrer Absicht weit über Maß und Kraft menschlichen Denkvermögens hinausgehe, sondern daß sie auch eine Gefahr für das Seelen- heil einschließe, wie das Beispiel des Leukipp und Demokrit bewiese, die dadurch zum Atheismus geführt worden seien. Wenn schon theoretisch der Materialismus jener alten Philo- sophen so schwere Bedenken erregte, so bot der Umstand, daß ein Epikur die atomistischen Theorien aufgenommen hatte, den willkommensten Anlaß, Spott, Hohn und Schmach auf eine physikalische Lehre auszuschütten, welche das Un- glück hatte, von dem Begründer der verdammungswürdigsten Ethik, dem verachtetsten aller Philosophen, vertreten zu werden. 1 2. Dionysius bei Eusebius. Wir stellen die wichtigsten Berichte der Kirchenväter über die Atomenlehre und ihre Einwendungen zusammen. Die ausführlichste und zugleich älteste Nachricht vom christlichen Standpunkte aus, welche uns über die antike Ato- 1 Spezielle Wendungen gegen die Atomistik werden in der Folge erwähnt. Über Obiges vgl. u. a. den Kommentar zu Prosper Aquitanicus # cum notis Lovaniensis Theologi in Op. St. Augustini, Antw. 1703. T. XII. p. 31. — Eusebii Praeparatio Evangel. l. XV. c. 61. ed. Dindorf, Lips. 1867. II. p. 414. — Lactantius, Instit. div. l. III, c. 2, 3. — Auch Coll. Conimbric. in Phys. Aristot. l. IV, c. 9. Quaest. I, art. 2. p. 78.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/31>, abgerufen am 29.04.2024.