Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

G. Bruno: Vacuum = Äther = Weltgeist.
feuchte oder erdartige Materie kann kein Actus einer solchen
Potenz, wie Licht und Wärme, stattfinden. Raum kann der
Äther genannt werden, weil er durchlaufen wird.1 Wegen der
Feinheit und Kraft seiner Substanz nennt man ihn aber auch
Weltgeist (spiritus universi), welcher durch seine feuchte,
warme und leuchtende Natur alles innerlich nährt und belebt.2
Daher kann Bruno selbst in dem Wirbel der Atome Demokrits
eine durch das All waltende schöpferische Seele erkennen.3

Der Begriff des leeren Raumes und des ihn erfüllenden
Äthers, welcher zugleich der räumlich ausgedehnte, aber doch
nicht greifbar gedachte Weltgeist ist, verschmelzen bei Bruno in
eins. Die Vorstellung von einer spirituellen Materie, d. h. eines
subtilen Stoffes, der nicht eigentlich Körper ist (denn er ist nicht
greifbar) und doch auch nicht bloß Geist (denn er ist räumlich
ausgedehnt), diese Vorstellung eines zwischen Körperlichem und
Geistigem vermittelnden Agens einer Weltseele, war ja bei
allen Philosophen jener Zeit verbreitet.4 Bei Bruno wird dieser
Spiritus mit dem # des Demokrit identifiziert. Die leeren
Räume zwischen den Atomen sind nicht mehr als das Nichts
anzusehen, im Gegensatz zum Sein; denn in diesem Falle wären
sie schwerlich gegen den Angriff des Aristoteles zu retten,
daß das Nichts auch kein Räumliches sein und daher die
Körper nicht trennen könne, sondern sie werden zu einem
realen Raume, der nun auch sinnlich vorstellbar und daher
fähig wird, die Atome der Körper zugleich zu trennen und zu
verbinden. Der Äther Brunos erfüllt den ganzen Raum zwischen
den Weltkörpern sowohl als zwischen den kugelförmigen Atomen;
er ist der körperlich gedachte Raum, in welchem die Bewegung
der Körper ohne Hindernis vor sich geht, ja durch welchen
sie sogar vielleicht bewirkt wird; denn er ist zugleich der
Weltgeist, der Träger aller Kraft, welche die Körper durch-
dringt und von innen heraus wirkt. Hierin liegt deutlich der
fundamentale Unterschied zwischen Bruno und der modernen
Physik, bei welcher der Äther die Rolle des mechanischen Ver-

1 De imm. a. a. O. Schol. p. 421. De monade p. 69.
2 De imm. V, 1. p. 460.
3 De imm. V, 3. v. 36--38. p. 467.
4 Vgl. S. 267 f., 292 u. a.

G. Bruno: Vacuum = Äther = Weltgeist.
feuchte oder erdartige Materie kann kein Actus einer solchen
Potenz, wie Licht und Wärme, stattfinden. Raum kann der
Äther genannt werden, weil er durchlaufen wird.1 Wegen der
Feinheit und Kraft seiner Substanz nennt man ihn aber auch
Weltgeist (spiritus universi), welcher durch seine feuchte,
warme und leuchtende Natur alles innerlich nährt und belebt.2
Daher kann Bruno selbst in dem Wirbel der Atome Demokrits
eine durch das All waltende schöpferische Seele erkennen.3

Der Begriff des leeren Raumes und des ihn erfüllenden
Äthers, welcher zugleich der räumlich ausgedehnte, aber doch
nicht greifbar gedachte Weltgeist ist, verschmelzen bei Bruno in
eins. Die Vorstellung von einer spirituellen Materie, d. h. eines
subtilen Stoffes, der nicht eigentlich Körper ist (denn er ist nicht
greifbar) und doch auch nicht bloß Geist (denn er ist räumlich
ausgedehnt), diese Vorstellung eines zwischen Körperlichem und
Geistigem vermittelnden Agens einer Weltseele, war ja bei
allen Philosophen jener Zeit verbreitet.4 Bei Bruno wird dieser
Spiritus mit dem # des Demokrit identifiziert. Die leeren
Räume zwischen den Atomen sind nicht mehr als das Nichts
anzusehen, im Gegensatz zum Sein; denn in diesem Falle wären
sie schwerlich gegen den Angriff des Aristoteles zu retten,
daß das Nichts auch kein Räumliches sein und daher die
Körper nicht trennen könne, sondern sie werden zu einem
realen Raume, der nun auch sinnlich vorstellbar und daher
fähig wird, die Atome der Körper zugleich zu trennen und zu
verbinden. Der Äther Brunos erfüllt den ganzen Raum zwischen
den Weltkörpern sowohl als zwischen den kugelförmigen Atomen;
er ist der körperlich gedachte Raum, in welchem die Bewegung
der Körper ohne Hindernis vor sich geht, ja durch welchen
sie sogar vielleicht bewirkt wird; denn er ist zugleich der
Weltgeist, der Träger aller Kraft, welche die Körper durch-
dringt und von innen heraus wirkt. Hierin liegt deutlich der
fundamentale Unterschied zwischen Bruno und der modernen
Physik, bei welcher der Äther die Rolle des mechanischen Ver-

1 De imm. a. a. O. Schol. p. 421. De monade p. 69.
2 De imm. V, 1. p. 460.
3 De imm. V, 3. v. 36—38. p. 467.
4 Vgl. S. 267 f., 292 u. a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0397" n="379"/><fw place="top" type="header">G. <hi rendition="#k">Bruno</hi>: Vacuum = Äther = Weltgeist.</fw><lb/>
feuchte oder erdartige Materie kann kein Actus einer solchen<lb/>
Potenz, wie Licht und Wärme, stattfinden. Raum kann der<lb/>
Äther genannt werden, weil er durchlaufen wird.<note place="foot" n="1"><hi rendition="#i">De imm.</hi> a. a. O. Schol. p. 421. <hi rendition="#i">De monade</hi> p. 69.</note> Wegen der<lb/>
Feinheit und Kraft seiner Substanz nennt man ihn aber auch<lb/>
Weltgeist (spiritus universi), welcher durch seine feuchte,<lb/>
warme und leuchtende Natur alles innerlich nährt und belebt.<note place="foot" n="2"><hi rendition="#i">De imm.</hi> V, 1. p. 460.</note><lb/>
Daher kann <hi rendition="#k">Bruno</hi> selbst in dem Wirbel der Atome <hi rendition="#k">Demokrits</hi><lb/>
eine durch das All waltende schöpferische Seele erkennen.<note place="foot" n="3"><hi rendition="#i">De imm.</hi> V, 3. v. 36&#x2014;38. p. 467.</note></p><lb/>
            <p>Der Begriff des leeren Raumes und des ihn erfüllenden<lb/>
Äthers, welcher zugleich der räumlich ausgedehnte, aber doch<lb/>
nicht greifbar gedachte Weltgeist ist, verschmelzen bei <hi rendition="#k">Bruno</hi> in<lb/>
eins. Die Vorstellung von einer spirituellen Materie, d. h. eines<lb/>
subtilen Stoffes, der nicht eigentlich Körper ist (denn er ist nicht<lb/>
greifbar) und doch auch nicht bloß Geist (denn er ist räumlich<lb/>
ausgedehnt), diese Vorstellung eines zwischen Körperlichem und<lb/>
Geistigem vermittelnden Agens einer Weltseele, war ja bei<lb/>
allen Philosophen jener Zeit verbreitet.<note place="foot" n="4">Vgl. S. 267 f., 292 u. a.</note> Bei <hi rendition="#k">Bruno</hi> wird dieser<lb/><hi rendition="#i">Spiritus</hi> mit dem # des <hi rendition="#k">Demokrit</hi> identifiziert. Die leeren<lb/>
Räume zwischen den Atomen sind nicht mehr als das Nichts<lb/>
anzusehen, im Gegensatz zum Sein; denn in diesem Falle wären<lb/>
sie schwerlich gegen den Angriff des <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> zu retten,<lb/>
daß das Nichts auch kein Räumliches sein und daher die<lb/>
Körper nicht trennen könne, sondern sie werden zu einem<lb/>
realen Raume, der nun auch sinnlich vorstellbar und daher<lb/>
fähig wird, die Atome der Körper zugleich zu trennen und zu<lb/>
verbinden. Der Äther <hi rendition="#k">Brunos</hi> erfüllt den ganzen Raum zwischen<lb/>
den Weltkörpern sowohl als zwischen den kugelförmigen Atomen;<lb/>
er ist der körperlich gedachte Raum, in welchem die Bewegung<lb/>
der Körper ohne Hindernis vor sich geht, ja durch welchen<lb/>
sie sogar vielleicht bewirkt wird; denn er ist zugleich der<lb/>
Weltgeist, der Träger aller Kraft, welche die Körper durch-<lb/>
dringt und von innen heraus wirkt. Hierin liegt deutlich der<lb/>
fundamentale Unterschied zwischen <hi rendition="#k">Bruno</hi> und der modernen<lb/>
Physik, bei welcher der Äther die Rolle des mechanischen Ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0397] G. Bruno: Vacuum = Äther = Weltgeist. feuchte oder erdartige Materie kann kein Actus einer solchen Potenz, wie Licht und Wärme, stattfinden. Raum kann der Äther genannt werden, weil er durchlaufen wird. 1 Wegen der Feinheit und Kraft seiner Substanz nennt man ihn aber auch Weltgeist (spiritus universi), welcher durch seine feuchte, warme und leuchtende Natur alles innerlich nährt und belebt. 2 Daher kann Bruno selbst in dem Wirbel der Atome Demokrits eine durch das All waltende schöpferische Seele erkennen. 3 Der Begriff des leeren Raumes und des ihn erfüllenden Äthers, welcher zugleich der räumlich ausgedehnte, aber doch nicht greifbar gedachte Weltgeist ist, verschmelzen bei Bruno in eins. Die Vorstellung von einer spirituellen Materie, d. h. eines subtilen Stoffes, der nicht eigentlich Körper ist (denn er ist nicht greifbar) und doch auch nicht bloß Geist (denn er ist räumlich ausgedehnt), diese Vorstellung eines zwischen Körperlichem und Geistigem vermittelnden Agens einer Weltseele, war ja bei allen Philosophen jener Zeit verbreitet. 4 Bei Bruno wird dieser Spiritus mit dem # des Demokrit identifiziert. Die leeren Räume zwischen den Atomen sind nicht mehr als das Nichts anzusehen, im Gegensatz zum Sein; denn in diesem Falle wären sie schwerlich gegen den Angriff des Aristoteles zu retten, daß das Nichts auch kein Räumliches sein und daher die Körper nicht trennen könne, sondern sie werden zu einem realen Raume, der nun auch sinnlich vorstellbar und daher fähig wird, die Atome der Körper zugleich zu trennen und zu verbinden. Der Äther Brunos erfüllt den ganzen Raum zwischen den Weltkörpern sowohl als zwischen den kugelförmigen Atomen; er ist der körperlich gedachte Raum, in welchem die Bewegung der Körper ohne Hindernis vor sich geht, ja durch welchen sie sogar vielleicht bewirkt wird; denn er ist zugleich der Weltgeist, der Träger aller Kraft, welche die Körper durch- dringt und von innen heraus wirkt. Hierin liegt deutlich der fundamentale Unterschied zwischen Bruno und der modernen Physik, bei welcher der Äther die Rolle des mechanischen Ver- 1 De imm. a. a. O. Schol. p. 421. De monade p. 69. 2 De imm. V, 1. p. 460. 3 De imm. V, 3. v. 36—38. p. 467. 4 Vgl. S. 267 f., 292 u. a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/397
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/397>, abgerufen am 05.06.2024.