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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Augustinus: Demokrit und Epikur.
werden; er steht der antiken Atomistik unversöhnlich gegen-
über und wurzelt im theologischen Interesse. Aber gerade
dieser Grundgedanke mußte bewirken, daß man jede Atomen-
lehre als eine dem Christentum feindliche und verwerfliche
Meinung betrachtete und sie überhaupt nicht in den Kreis des
Erwägenswerten einschloß.

4. Augustinus.

Hören wir noch das Urteil des Augustinus. "Es wäre mir
besser," ruft er aus,1 "ich hätte den Namen des Demokrit nie
vernommen, als daß ich mit Schmerz denken muß, es sei
einmal seiner Zeit irgend ein Mensch für groß gehalten worden,
der da glaubte, die Götter wären Bilder, welche von festen
Körpern fließen, ohne selbst fest zu sein. Diese Bilder sollten
mit Eigenbewegung überall umherschweifen und durch ihr
Eindringen in die Seele des Menschen bewirken, daß eine
göttliche Macht gedacht wird, indem man in der That jenen
Körper, von welchem das Bild herfließt, für um so vorzüg-
licher hält, je fester er ist. Denn nach jener Ansicht soll es
überhaupt kein Denken geben als dadurch, daß von den Kör-
pern, welche wir denken, Bilder in unsre Seele gelangen. Als
ob nicht diejenigen, welche derartige Weisheit aussannen, selbst
unzählige Male auch Unkörperliches gedacht haben, wie z. B.
die Weisheit und Wahrheit selbst; denn wenn sie solche nicht
dachten, so möchte ich nur wissen, wie sie davon reden konnten;
wenn sie aber sie dachten, von welchen Körpern sollen dann
die Bilder der Weisheit in ihren Geist gekommen sein?"
"Allerdings soll Demokrit in Fragen der Naturwissenschaft auch
darin von Epikur abweichen, daß er dem Zusammenströmen
der Atome eine gewisse lebendige und geistige Kraft für inne-
wohnend hält. Epikur dagegen setzt im Beginne der Dinge
nichts andres als die Atome, d. h. gewisse so kleine Körper-
chen (corpuscula minuta), daß sie weder geteilt noch durch
Sehen oder Tasten sinnlich wahrgenommen werden können.

1 Epistola ad Dioscorum. (Ep. 118, alias 56.) Op. Tom. II p. 248 ff.,
besonders 257 f. Auch in Ep. ad Nebridium, (Ep. 3, al. 151), p. 4, wendet
sich A. gegen die Atome und verteidigt die Teilbarkeit des Körpers ins
Unendliche.

Augustinus: Demokrit und Epikur.
werden; er steht der antiken Atomistik unversöhnlich gegen-
über und wurzelt im theologischen Interesse. Aber gerade
dieser Grundgedanke mußte bewirken, daß man jede Atomen-
lehre als eine dem Christentum feindliche und verwerfliche
Meinung betrachtete und sie überhaupt nicht in den Kreis des
Erwägenswerten einschloß.

4. Augustinus.

Hören wir noch das Urteil des Augustinus. „Es wäre mir
besser,‟ ruft er aus,1 „ich hätte den Namen des Demokrit nie
vernommen, als daß ich mit Schmerz denken muß, es sei
einmal seiner Zeit irgend ein Mensch für groß gehalten worden,
der da glaubte, die Götter wären Bilder, welche von festen
Körpern fließen, ohne selbst fest zu sein. Diese Bilder sollten
mit Eigenbewegung überall umherschweifen und durch ihr
Eindringen in die Seele des Menschen bewirken, daß eine
göttliche Macht gedacht wird, indem man in der That jenen
Körper, von welchem das Bild herfließt, für um so vorzüg-
licher hält, je fester er ist. Denn nach jener Ansicht soll es
überhaupt kein Denken geben als dadurch, daß von den Kör-
pern, welche wir denken, Bilder in unsre Seele gelangen. Als
ob nicht diejenigen, welche derartige Weisheit aussannen, selbst
unzählige Male auch Unkörperliches gedacht haben, wie z. B.
die Weisheit und Wahrheit selbst; denn wenn sie solche nicht
dachten, so möchte ich nur wissen, wie sie davon reden konnten;
wenn sie aber sie dachten, von welchen Körpern sollen dann
die Bilder der Weisheit in ihren Geist gekommen sein?‟
„Allerdings soll Demokrit in Fragen der Naturwissenschaft auch
darin von Epikur abweichen, daß er dem Zusammenströmen
der Atome eine gewisse lebendige und geistige Kraft für inne-
wohnend hält. Epikur dagegen setzt im Beginne der Dinge
nichts andres als die Atome, d. h. gewisse so kleine Körper-
chen (corpuscula minuta), daß sie weder geteilt noch durch
Sehen oder Tasten sinnlich wahrgenommen werden können.

1 Epistola ad Dioscorum. (Ep. 118, alias 56.) Op. Tom. II p. 248 ff.,
besonders 257 f. Auch in Ep. ad Nebridium, (Ep. 3, al. 151), p. 4, wendet
sich A. gegen die Atome und verteidigt die Teilbarkeit des Körpers ins
Unendliche.
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[26/0044] Augustinus: Demokrit und Epikur. werden; er steht der antiken Atomistik unversöhnlich gegen- über und wurzelt im theologischen Interesse. Aber gerade dieser Grundgedanke mußte bewirken, daß man jede Atomen- lehre als eine dem Christentum feindliche und verwerfliche Meinung betrachtete und sie überhaupt nicht in den Kreis des Erwägenswerten einschloß. 4. Augustinus. Hören wir noch das Urteil des Augustinus. „Es wäre mir besser,‟ ruft er aus, 1 „ich hätte den Namen des Demokrit nie vernommen, als daß ich mit Schmerz denken muß, es sei einmal seiner Zeit irgend ein Mensch für groß gehalten worden, der da glaubte, die Götter wären Bilder, welche von festen Körpern fließen, ohne selbst fest zu sein. Diese Bilder sollten mit Eigenbewegung überall umherschweifen und durch ihr Eindringen in die Seele des Menschen bewirken, daß eine göttliche Macht gedacht wird, indem man in der That jenen Körper, von welchem das Bild herfließt, für um so vorzüg- licher hält, je fester er ist. Denn nach jener Ansicht soll es überhaupt kein Denken geben als dadurch, daß von den Kör- pern, welche wir denken, Bilder in unsre Seele gelangen. Als ob nicht diejenigen, welche derartige Weisheit aussannen, selbst unzählige Male auch Unkörperliches gedacht haben, wie z. B. die Weisheit und Wahrheit selbst; denn wenn sie solche nicht dachten, so möchte ich nur wissen, wie sie davon reden konnten; wenn sie aber sie dachten, von welchen Körpern sollen dann die Bilder der Weisheit in ihren Geist gekommen sein?‟ „Allerdings soll Demokrit in Fragen der Naturwissenschaft auch darin von Epikur abweichen, daß er dem Zusammenströmen der Atome eine gewisse lebendige und geistige Kraft für inne- wohnend hält. Epikur dagegen setzt im Beginne der Dinge nichts andres als die Atome, d. h. gewisse so kleine Körper- chen (corpuscula minuta), daß sie weder geteilt noch durch Sehen oder Tasten sinnlich wahrgenommen werden können. 1 Epistola ad Dioscorum. (Ep. 118, alias 56.) Op. Tom. II p. 248 ff., besonders 257 f. Auch in Ep. ad Nebridium, (Ep. 3, al. 151), p. 4, wendet sich A. gegen die Atome und verteidigt die Teilbarkeit des Körpers ins Unendliche.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/44>, abgerufen am 29.04.2024.