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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

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Jsmas Entschluß.
furchtbaren Winters -- -- Und hier daheim, hier
reifen die Früchte seiner kühnen Fahrt, hier drängt
sich von Stunde zu Stunde neues, lebendiges Schaffen,
hier vollzieht sich das Unerhörte, noch nie Gewesene --
von den Sternen steigen die Götter herab, um die
Menschen zu laden zu ihrem seligen Wandel -- hier,
in dieser Stadt, in diesem Hause wird ein neues Zeit-
alter geboren, und er weiß nichts davon, kann nicht
teilnehmen an dem Großen, was die ganze Erde er-
füllt, an dem Höchsten, was erlebt wurde und was
ihr Herz so erwartungsvoll schlagen macht -- und sie
muß es allein erleben --

Und vielleicht nur sechs Stunden --

Allein -- den ganzen Winter allein in solcher
Zeit, wo Seele zu Seele gehört -- allein? Ja, wenn
sie allein wäre! Aber der Freund? Wo bleibt er? Er
ist länger draußen aufgehalten, aber er wird kommen --
er wird kommen sowie heute, dann jeden Tag, der
einzige Vertraute, mit dem sie alles teilen muß, was
das Herz bewegt -- mit ihm wird sie allein sein, der
ihr so wert ist, so lieb, und nun vor ihr steht in
einem neuen, geheimnisvollen Lichte, der Sohn einer
höheren Welt, zu dem sie aufblickt -- --

Nein, nein! Sie will nicht allein sein, und nicht
allein mit ihm --

Sie ringt die Hände und geht auf und ab im Zimmer.
Sie blickt nach der geschlossenen Thür und glaubt
seine Stimme zu hören. Sie blickt nach der Uhr --
und der Gedanke läßt sie nicht los: Nur sechs Stunden!
Jn sechs Stunden kann alles entschieden sein -- --

Jsmas Entſchluß.
furchtbaren Winters — — Und hier daheim, hier
reifen die Früchte ſeiner kühnen Fahrt, hier drängt
ſich von Stunde zu Stunde neues, lebendiges Schaffen,
hier vollzieht ſich das Unerhörte, noch nie Geweſene —
von den Sternen ſteigen die Götter herab, um die
Menſchen zu laden zu ihrem ſeligen Wandel — hier,
in dieſer Stadt, in dieſem Hauſe wird ein neues Zeit-
alter geboren, und er weiß nichts davon, kann nicht
teilnehmen an dem Großen, was die ganze Erde er-
füllt, an dem Höchſten, was erlebt wurde und was
ihr Herz ſo erwartungsvoll ſchlagen macht — und ſie
muß es allein erleben —

Und vielleicht nur ſechs Stunden —

Allein — den ganzen Winter allein in ſolcher
Zeit, wo Seele zu Seele gehört — allein? Ja, wenn
ſie allein wäre! Aber der Freund? Wo bleibt er? Er
iſt länger draußen aufgehalten, aber er wird kommen —
er wird kommen ſowie heute, dann jeden Tag, der
einzige Vertraute, mit dem ſie alles teilen muß, was
das Herz bewegt — mit ihm wird ſie allein ſein, der
ihr ſo wert iſt, ſo lieb, und nun vor ihr ſteht in
einem neuen, geheimnisvollen Lichte, der Sohn einer
höheren Welt, zu dem ſie aufblickt — —

Nein, nein! Sie will nicht allein ſein, und nicht
allein mit ihm —

Sie ringt die Hände und geht auf und ab im Zimmer.
Sie blickt nach der geſchloſſenen Thür und glaubt
ſeine Stimme zu hören. Sie blickt nach der Uhr —
und der Gedanke läßt ſie nicht los: Nur ſechs Stunden!
Jn ſechs Stunden kann alles entſchieden ſein — —

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[361/0369] Jsmas Entſchluß. furchtbaren Winters — — Und hier daheim, hier reifen die Früchte ſeiner kühnen Fahrt, hier drängt ſich von Stunde zu Stunde neues, lebendiges Schaffen, hier vollzieht ſich das Unerhörte, noch nie Geweſene — von den Sternen ſteigen die Götter herab, um die Menſchen zu laden zu ihrem ſeligen Wandel — hier, in dieſer Stadt, in dieſem Hauſe wird ein neues Zeit- alter geboren, und er weiß nichts davon, kann nicht teilnehmen an dem Großen, was die ganze Erde er- füllt, an dem Höchſten, was erlebt wurde und was ihr Herz ſo erwartungsvoll ſchlagen macht — und ſie muß es allein erleben — Und vielleicht nur ſechs Stunden — Allein — den ganzen Winter allein in ſolcher Zeit, wo Seele zu Seele gehört — allein? Ja, wenn ſie allein wäre! Aber der Freund? Wo bleibt er? Er iſt länger draußen aufgehalten, aber er wird kommen — er wird kommen ſowie heute, dann jeden Tag, der einzige Vertraute, mit dem ſie alles teilen muß, was das Herz bewegt — mit ihm wird ſie allein ſein, der ihr ſo wert iſt, ſo lieb, und nun vor ihr ſteht in einem neuen, geheimnisvollen Lichte, der Sohn einer höheren Welt, zu dem ſie aufblickt — — Nein, nein! Sie will nicht allein ſein, und nicht allein mit ihm — Sie ringt die Hände und geht auf und ab im Zimmer. Sie blickt nach der geſchloſſenen Thür und glaubt ſeine Stimme zu hören. Sie blickt nach der Uhr — und der Gedanke läßt ſie nicht los: Nur ſechs Stunden! Jn ſechs Stunden kann alles entſchieden ſein — —

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/369>, abgerufen am 29.04.2024.