Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bernsteinhexe.
Wittich.
Jch werd' es seiner Zeit und an richtigem Orte zu
rühmen wissen, daß Jhr auch mitten in der Nacht eilig ge-
wesen seid, dem Rufe des Amtes nachzukommen.
Consul (sich verbeugend).
Schuldigkeit! Fiat justitia, pereat mundus; wo ist die
Angeklagte?
Schweidler.
Sie steht vor Euch, Herr Consul, und ich rufe Euch
zu als deren geängstigter Vater und als Diener der Kirche:
prüfet die Jndicien oder Vorwände mit unparteiischer
Kaltblütigkeit, damit nicht ohne Noth Schande komme
über ein bis daher gottselig Haus und über eine bis daher
unbescholtene Jungfrau; denn Jhr wißt der unbefleckte
Ruf einer Jungfrau ist deren höchster Schatz, und der Ruf
einer Jungfrau ist wie ein krystallener Spiegel: jeder
Hauch kann ihn trüben.
Consul.
Wohlgesprochen, Herr Pfarrer, wenn auch unnöthig.
Die Jndicia werden zureichend und vollwichtig sein, da der
Herr Amtshauptmann darauf hin das Gericht in Bewe-
gung gesetzt, und binnen hier und einer Stunde soll auf
Schloß Pudagla im dortigen Gerichtssaale nach strikter
Form und geweihtem Herkommen das erste Verhör ge-
halten werden -- säumt also nicht, Euer Kind sofort den
Knechten des Gerichtes zum Transport nach Pudagla zu
8*
Die Bernſteinhexe.
Wittich.
Jch werd’ es ſeiner Zeit und an richtigem Orte zu
ruͤhmen wiſſen, daß Jhr auch mitten in der Nacht eilig ge-
weſen ſeid, dem Rufe des Amtes nachzukommen.
Conſul (ſich verbeugend).
Schuldigkeit! Fiat justitia, pereat mundus; wo iſt die
Angeklagte?
Schweidler.
Sie ſteht vor Euch, Herr Conſul, und ich rufe Euch
zu als deren geaͤngſtigter Vater und als Diener der Kirche:
pruͤfet die Jndicien oder Vorwaͤnde mit unparteiiſcher
Kaltbluͤtigkeit, damit nicht ohne Noth Schande komme
uͤber ein bis daher gottſelig Haus und uͤber eine bis daher
unbeſcholtene Jungfrau; denn Jhr wißt der unbefleckte
Ruf einer Jungfrau iſt deren hoͤchſter Schatz, und der Ruf
einer Jungfrau iſt wie ein kryſtallener Spiegel: jeder
Hauch kann ihn truͤben.
Conſul.
Wohlgeſprochen, Herr Pfarrer, wenn auch unnoͤthig.
Die Jndicia werden zureichend und vollwichtig ſein, da der
Herr Amtshauptmann darauf hin das Gericht in Bewe-
gung geſetzt, und binnen hier und einer Stunde ſoll auf
Schloß Pudagla im dortigen Gerichtsſaale nach ſtrikter
Form und geweihtem Herkommen das erſte Verhoͤr ge-
halten werden — ſaͤumt alſo nicht, Euer Kind ſofort den
Knechten des Gerichtes zum Transport nach Pudagla zu
8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0121" n="115"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Bern&#x017F;teinhexe</hi>.</fw><lb/>
            <sp who="#WIT">
              <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Jch werd&#x2019; es &#x017F;einer Zeit und an richtigem Orte zu<lb/>
ru&#x0364;hmen wi&#x017F;&#x017F;en, daß Jhr auch mitten in der Nacht eilig ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;eid, dem Rufe des Amtes nachzukommen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SAM">
              <speaker> <hi rendition="#b">Con&#x017F;ul</hi> </speaker>
              <stage>(&#x017F;ich verbeugend).</stage><lb/>
              <p>Schuldigkeit! <hi rendition="#aq">Fiat justitia, pereat mundus;</hi> wo i&#x017F;t die<lb/>
Angeklagte?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCH">
              <speaker> <hi rendition="#b">Schweidler.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Sie &#x017F;teht vor Euch, Herr Con&#x017F;ul, und ich rufe Euch<lb/>
zu als deren gea&#x0364;ng&#x017F;tigter Vater und als Diener der Kirche:<lb/>
pru&#x0364;fet die Jndicien oder Vorwa&#x0364;nde mit unparteii&#x017F;cher<lb/>
Kaltblu&#x0364;tigkeit, damit nicht ohne Noth Schande komme<lb/>
u&#x0364;ber ein bis daher gott&#x017F;elig Haus und u&#x0364;ber eine bis daher<lb/>
unbe&#x017F;choltene Jungfrau; denn Jhr wißt der unbefleckte<lb/>
Ruf einer Jungfrau i&#x017F;t deren ho&#x0364;ch&#x017F;ter Schatz, und der Ruf<lb/>
einer Jungfrau i&#x017F;t wie ein kry&#x017F;tallener Spiegel: jeder<lb/>
Hauch kann ihn tru&#x0364;ben.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SAM">
              <speaker> <hi rendition="#b">Con&#x017F;ul.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Wohlge&#x017F;prochen, Herr Pfarrer, wenn auch unno&#x0364;thig.<lb/>
Die Jndicia werden zureichend und vollwichtig &#x017F;ein, da der<lb/>
Herr Amtshauptmann darauf hin das Gericht in Bewe-<lb/>
gung ge&#x017F;etzt, und binnen hier und einer Stunde &#x017F;oll auf<lb/>
Schloß Pudagla im dortigen Gerichts&#x017F;aale nach &#x017F;trikter<lb/>
Form und geweihtem Herkommen das er&#x017F;te Verho&#x0364;r ge-<lb/>
halten werden &#x2014; &#x017F;a&#x0364;umt al&#x017F;o nicht, Euer Kind &#x017F;ofort den<lb/>
Knechten des Gerichtes zum Transport nach Pudagla zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0121] Die Bernſteinhexe. Wittich. Jch werd’ es ſeiner Zeit und an richtigem Orte zu ruͤhmen wiſſen, daß Jhr auch mitten in der Nacht eilig ge- weſen ſeid, dem Rufe des Amtes nachzukommen. Conſul (ſich verbeugend). Schuldigkeit! Fiat justitia, pereat mundus; wo iſt die Angeklagte? Schweidler. Sie ſteht vor Euch, Herr Conſul, und ich rufe Euch zu als deren geaͤngſtigter Vater und als Diener der Kirche: pruͤfet die Jndicien oder Vorwaͤnde mit unparteiiſcher Kaltbluͤtigkeit, damit nicht ohne Noth Schande komme uͤber ein bis daher gottſelig Haus und uͤber eine bis daher unbeſcholtene Jungfrau; denn Jhr wißt der unbefleckte Ruf einer Jungfrau iſt deren hoͤchſter Schatz, und der Ruf einer Jungfrau iſt wie ein kryſtallener Spiegel: jeder Hauch kann ihn truͤben. Conſul. Wohlgeſprochen, Herr Pfarrer, wenn auch unnoͤthig. Die Jndicia werden zureichend und vollwichtig ſein, da der Herr Amtshauptmann darauf hin das Gericht in Bewe- gung geſetzt, und binnen hier und einer Stunde ſoll auf Schloß Pudagla im dortigen Gerichtsſaale nach ſtrikter Form und geweihtem Herkommen das erſte Verhoͤr ge- halten werden — ſaͤumt alſo nicht, Euer Kind ſofort den Knechten des Gerichtes zum Transport nach Pudagla zu 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/121
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/121>, abgerufen am 02.05.2024.