Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

meines Erachtens ein schöner Tausch. Ich bin kein
Narr, der den Staat für ein Rechenexempel ansieht,
was in einer Stunde zu Stande gebracht ist, aber ich
bin auch kein Esel, der sich beruhigt, wenn er Disteln
hat. O, ich sage mit Kaiser Max: "Wenn sich Gott
nicht der Sache erbarmt, ich armer Kaiser und der
versoffne Julius werden's nicht besser machen."

Steht auf aus Euren Gräbern, die ihr sie zuge¬
schnitten habt jene rothe Mütze, welche jetzt am Horne
des Mondes hängt, vor Allen Du, Rousseau! Wirf
noch einmal Dein heiß- und vollblütiges Herz über den
Erdkreis, daß ihnen der Blutregen die Augen füllt statt
der vergoßnen Thränen. Wenn ich oft knirschend am
Boden meines Zimmers liege, da richtet mich der Ge¬
danke an jene metallnen, mit Blut bespritzten Helden
der Franzosenjugend auf, der Gedanke an den brüllen¬
den Danton mit der Athletenfigur, dem von Pocken
zerrißnen Gesichte, wie er einen Vulkan des zertretnen
Menschenrechts nach dem andern aus der wogenden
Brust herausschleudert; an den blitzenden Desmoulins
mit dem garstigen schwarzen Antlitz, der schönen Frau
im Arm und die tödtliche Gerechtigkeit auf der spru¬
delnden Lippe; an den rigoristischen frommen heuchleri¬

meines Erachtens ein ſchöner Tauſch. Ich bin kein
Narr, der den Staat für ein Rechenexempel anſieht,
was in einer Stunde zu Stande gebracht iſt, aber ich
bin auch kein Eſel, der ſich beruhigt, wenn er Diſteln
hat. O, ich ſage mit Kaiſer Max: „Wenn ſich Gott
nicht der Sache erbarmt, ich armer Kaiſer und der
verſoffne Julius werden's nicht beſſer machen.“

Steht auf aus Euren Gräbern, die ihr ſie zuge¬
ſchnitten habt jene rothe Mütze, welche jetzt am Horne
des Mondes hängt, vor Allen Du, Rouſſeau! Wirf
noch einmal Dein heiß- und vollblütiges Herz über den
Erdkreis, daß ihnen der Blutregen die Augen füllt ſtatt
der vergoßnen Thränen. Wenn ich oft knirſchend am
Boden meines Zimmers liege, da richtet mich der Ge¬
danke an jene metallnen, mit Blut beſpritzten Helden
der Franzoſenjugend auf, der Gedanke an den brüllen¬
den Danton mit der Athletenfigur, dem von Pocken
zerrißnen Geſichte, wie er einen Vulkan des zertretnen
Menſchenrechts nach dem andern aus der wogenden
Bruſt herausſchleudert; an den blitzenden Desmoulins
mit dem garſtigen ſchwarzen Antlitz, der ſchönen Frau
im Arm und die tödtliche Gerechtigkeit auf der ſpru¬
delnden Lippe; an den rigoriſtiſchen frommen heuchleri¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="91"/>
meines Erachtens ein &#x017F;chöner Tau&#x017F;ch. Ich bin kein<lb/>
Narr, der den Staat für ein Rechenexempel an&#x017F;ieht,<lb/>
was in einer Stunde zu Stande gebracht i&#x017F;t, aber ich<lb/>
bin auch kein E&#x017F;el, der &#x017F;ich beruhigt, wenn er Di&#x017F;teln<lb/>
hat. O, ich &#x017F;age mit Kai&#x017F;er Max: &#x201E;Wenn &#x017F;ich Gott<lb/>
nicht der Sache erbarmt, ich armer Kai&#x017F;er und der<lb/>
ver&#x017F;offne Julius werden's nicht be&#x017F;&#x017F;er machen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Steht auf aus Euren Gräbern, die ihr &#x017F;ie zuge¬<lb/>
&#x017F;chnitten habt jene rothe Mütze, welche jetzt am Horne<lb/>
des Mondes hängt, vor Allen Du, Rou&#x017F;&#x017F;eau! Wirf<lb/>
noch einmal Dein heiß- und vollblütiges Herz über den<lb/>
Erdkreis, daß ihnen der Blutregen die Augen füllt &#x017F;tatt<lb/>
der vergoßnen Thränen. Wenn ich oft knir&#x017F;chend am<lb/>
Boden meines Zimmers liege, da richtet mich der Ge¬<lb/>
danke an jene metallnen, mit Blut be&#x017F;pritzten Helden<lb/>
der Franzo&#x017F;enjugend auf, der Gedanke an den brüllen¬<lb/>
den Danton mit der Athletenfigur, dem von Pocken<lb/>
zerrißnen Ge&#x017F;ichte, wie er einen Vulkan des zertretnen<lb/>
Men&#x017F;chenrechts nach dem andern aus der wogenden<lb/>
Bru&#x017F;t heraus&#x017F;chleudert; an den blitzenden Desmoulins<lb/>
mit dem gar&#x017F;tigen &#x017F;chwarzen Antlitz, der &#x017F;chönen Frau<lb/>
im Arm und die tödtliche Gerechtigkeit auf der &#x017F;pru¬<lb/>
delnden Lippe; an den rigori&#x017F;ti&#x017F;chen frommen heuchleri¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] meines Erachtens ein ſchöner Tauſch. Ich bin kein Narr, der den Staat für ein Rechenexempel anſieht, was in einer Stunde zu Stande gebracht iſt, aber ich bin auch kein Eſel, der ſich beruhigt, wenn er Diſteln hat. O, ich ſage mit Kaiſer Max: „Wenn ſich Gott nicht der Sache erbarmt, ich armer Kaiſer und der verſoffne Julius werden's nicht beſſer machen.“ Steht auf aus Euren Gräbern, die ihr ſie zuge¬ ſchnitten habt jene rothe Mütze, welche jetzt am Horne des Mondes hängt, vor Allen Du, Rouſſeau! Wirf noch einmal Dein heiß- und vollblütiges Herz über den Erdkreis, daß ihnen der Blutregen die Augen füllt ſtatt der vergoßnen Thränen. Wenn ich oft knirſchend am Boden meines Zimmers liege, da richtet mich der Ge¬ danke an jene metallnen, mit Blut beſpritzten Helden der Franzoſenjugend auf, der Gedanke an den brüllen¬ den Danton mit der Athletenfigur, dem von Pocken zerrißnen Geſichte, wie er einen Vulkan des zertretnen Menſchenrechts nach dem andern aus der wogenden Bruſt herausſchleudert; an den blitzenden Desmoulins mit dem garſtigen ſchwarzen Antlitz, der ſchönen Frau im Arm und die tödtliche Gerechtigkeit auf der ſpru¬ delnden Lippe; an den rigoriſtiſchen frommen heuchleri¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/101
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/101>, abgerufen am 29.04.2024.