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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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durch ein schönes blaues Auge interessant wird. Sein
Anzug ist von Weitem angesehen modern; guckt man aber
in der Nähe darnach hin, so sieht man, daß er nach
der vorletzten Mode, gewissermaaßen schon altfränkisch
ist. Das kann ich an einem jungen Manne durchaus
nicht leiden: Halstuch, Halskragen, Jabot, Weste, --
das Alles, obwohl vom feinsten Stoffe, sitzt so verwirrt
und unordentlich durcheinander, daß man kaum eines
aus dem andern herausfindet. Er ist sehr rigoristisch
und von äußerst strenger Moral; das macht mir Todes¬
angst; ich liebe den Leichtsinn und die leichteste Beur¬
theilung über Alles. Uebrigens besitzt er unleugbare
und große Vorzüge: er spricht schön und geordnet, ist
äußerst unterrichtet, selbst nach Valers Zeugnisse sehr
verständig, dichtet reizend, spielt die meisten musikali¬
schen Instrumente vortrefflich, er ist mitunter sogar äu¬
ßerst liebenswürdig, besonders wenn er lacht. Seine
Manieren sind hart wie seine Moral, aber bestimmt, fest,
ohne Verlegenheit. Denken Sie sich ihn stets im blauen
Frack. Der kleine Leopold ist sein Pol. Sie wissen,
daß dieser schon früher hier war und uns wörtlich die
Zeit vertrieb. Der Graf hatte ihn im Theater in einer
Ecke der Loge gefunden, wo er zusammengekauert wie

durch ein ſchönes blaues Auge intereſſant wird. Sein
Anzug iſt von Weitem angeſehen modern; guckt man aber
in der Nähe darnach hin, ſo ſieht man, daß er nach
der vorletzten Mode, gewiſſermaaßen ſchon altfränkiſch
iſt. Das kann ich an einem jungen Manne durchaus
nicht leiden: Halstuch, Halskragen, Jabot, Weſte, —
das Alles, obwohl vom feinſten Stoffe, ſitzt ſo verwirrt
und unordentlich durcheinander, daß man kaum eines
aus dem andern herausfindet. Er iſt ſehr rigoriſtiſch
und von äußerſt ſtrenger Moral; das macht mir Todes¬
angſt; ich liebe den Leichtſinn und die leichteſte Beur¬
theilung über Alles. Uebrigens beſitzt er unleugbare
und große Vorzüge: er ſpricht ſchön und geordnet, iſt
äußerſt unterrichtet, ſelbſt nach Valers Zeugniſſe ſehr
verſtändig, dichtet reizend, ſpielt die meiſten muſikali¬
ſchen Inſtrumente vortrefflich, er iſt mitunter ſogar äu¬
ßerſt liebenswürdig, beſonders wenn er lacht. Seine
Manieren ſind hart wie ſeine Moral, aber beſtimmt, feſt,
ohne Verlegenheit. Denken Sie ſich ihn ſtets im blauen
Frack. Der kleine Leopold iſt ſein Pol. Sie wiſſen,
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Zeit vertrieb. Der Graf hatte ihn im Theater in einer
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[81/0091] durch ein ſchönes blaues Auge intereſſant wird. Sein Anzug iſt von Weitem angeſehen modern; guckt man aber in der Nähe darnach hin, ſo ſieht man, daß er nach der vorletzten Mode, gewiſſermaaßen ſchon altfränkiſch iſt. Das kann ich an einem jungen Manne durchaus nicht leiden: Halstuch, Halskragen, Jabot, Weſte, — das Alles, obwohl vom feinſten Stoffe, ſitzt ſo verwirrt und unordentlich durcheinander, daß man kaum eines aus dem andern herausfindet. Er iſt ſehr rigoriſtiſch und von äußerſt ſtrenger Moral; das macht mir Todes¬ angſt; ich liebe den Leichtſinn und die leichteſte Beur¬ theilung über Alles. Uebrigens beſitzt er unleugbare und große Vorzüge: er ſpricht ſchön und geordnet, iſt äußerſt unterrichtet, ſelbſt nach Valers Zeugniſſe ſehr verſtändig, dichtet reizend, ſpielt die meiſten muſikali¬ ſchen Inſtrumente vortrefflich, er iſt mitunter ſogar äu¬ ßerſt liebenswürdig, beſonders wenn er lacht. Seine Manieren ſind hart wie ſeine Moral, aber beſtimmt, feſt, ohne Verlegenheit. Denken Sie ſich ihn ſtets im blauen Frack. Der kleine Leopold iſt ſein Pol. Sie wiſſen, daß dieſer ſchon früher hier war und uns wörtlich die Zeit vertrieb. Der Graf hatte ihn im Theater in einer Ecke der Loge gefunden, wo er zuſammengekauert wie

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/91>, abgerufen am 27.04.2024.