Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

zum Verbieten hat die Natur so unsäglich viel Freude
ausgestreut. Es ist ein Fortschritt der Kultur, man¬
nigfach glücklich zu sein; was man einen Roue nennt,
das ist oft der tüchtigste Mensch, der civilisirteste Mann,
der die Natur mit hellerem Blick umarmt als die plum¬
pen sogenannten tugendhaften Philister, deren Verdienst
darin besteht, die meisten Freuden nicht zu kennen, ja
zu fliehen. Geht fort mit Eurer bleichen negativen
Tugend. Ihr treibt den unnatürlichsten Prozeß, statt
mehr und mehr Fähigkeiten in Euch zu schaffen; je
größer der Reichthum rings um Euch wird, trachtet
Ihr nur darauf jene Reichthümer zu zerstören, damit
Eure Armuth nicht an den Tag kommt. Ihr seid die
traurigsten Revolutionairs. Weil es ein Paris, über¬
haupt große Städte, großes, reich bewegtes Leben,
neue Ideen, tausenderlei Neues giebt, was noch nicht
in dem A B C Büchlein Eurer Moral und Fähigkeit
steht, habt Ihr nichts Eiligeres zu thun als all' die
Dinge zu verdammen. Wer nur die gewaltige Man¬
nigfaltigkeit des neuen gesellschaftlichen Lebens, das
bunte Vielerlei der großen Städte, das verschiedenartig
gewordene Wesen der Modeweiber zu genießen versteht,
den will ich preisen, der ist würdig des großen Reich¬

zum Verbieten hat die Natur ſo unſäglich viel Freude
ausgeſtreut. Es iſt ein Fortſchritt der Kultur, man¬
nigfach glücklich zu ſein; was man einen Roué nennt,
das iſt oft der tüchtigſte Menſch, der civiliſirteſte Mann,
der die Natur mit hellerem Blick umarmt als die plum¬
pen ſogenannten tugendhaften Philiſter, deren Verdienſt
darin beſteht, die meiſten Freuden nicht zu kennen, ja
zu fliehen. Geht fort mit Eurer bleichen negativen
Tugend. Ihr treibt den unnatürlichſten Prozeß, ſtatt
mehr und mehr Fähigkeiten in Euch zu ſchaffen; je
größer der Reichthum rings um Euch wird, trachtet
Ihr nur darauf jene Reichthümer zu zerſtören, damit
Eure Armuth nicht an den Tag kommt. Ihr ſeid die
traurigſten Revolutionairs. Weil es ein Paris, über¬
haupt große Städte, großes, reich bewegtes Leben,
neue Ideen, tauſenderlei Neues giebt, was noch nicht
in dem A B C Büchlein Eurer Moral und Fähigkeit
ſteht, habt Ihr nichts Eiligeres zu thun als all' die
Dinge zu verdammen. Wer nur die gewaltige Man¬
nigfaltigkeit des neuen geſellſchaftlichen Lebens, das
bunte Vielerlei der großen Städte, das verſchiedenartig
gewordene Weſen der Modeweiber zu genießen verſteht,
den will ich preiſen, der iſt würdig des großen Reich¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="111"/>
zum Verbieten hat die Natur &#x017F;o un&#x017F;äglich viel Freude<lb/>
ausge&#x017F;treut. Es i&#x017F;t ein Fort&#x017F;chritt der Kultur, man¬<lb/>
nigfach glücklich zu &#x017F;ein; was man einen Rou<hi rendition="#aq">é</hi> nennt,<lb/>
das i&#x017F;t oft der tüchtig&#x017F;te Men&#x017F;ch, der civili&#x017F;irte&#x017F;te Mann,<lb/>
der die Natur mit hellerem Blick umarmt als die plum¬<lb/>
pen &#x017F;ogenannten tugendhaften Phili&#x017F;ter, deren Verdien&#x017F;t<lb/>
darin be&#x017F;teht, die mei&#x017F;ten Freuden <choice><sic>uicht</sic><corr>nicht</corr></choice> zu kennen, ja<lb/>
zu fliehen. Geht fort mit Eurer bleichen negativen<lb/>
Tugend. Ihr treibt den unnatürlich&#x017F;ten Prozeß, &#x017F;tatt<lb/>
mehr und mehr Fähigkeiten in Euch zu &#x017F;chaffen; je<lb/>
größer der Reichthum rings um Euch wird, trachtet<lb/>
Ihr nur darauf jene Reichthümer zu zer&#x017F;tören, damit<lb/>
Eure Armuth nicht an den Tag kommt. Ihr &#x017F;eid die<lb/>
traurig&#x017F;ten Revolutionairs. Weil es ein Paris, über¬<lb/>
haupt große Städte, großes, reich bewegtes Leben,<lb/>
neue Ideen, tau&#x017F;enderlei Neues giebt, was noch nicht<lb/>
in dem A B C Büchlein Eurer Moral und Fähigkeit<lb/>
&#x017F;teht, habt Ihr nichts Eiligeres zu thun als all' die<lb/>
Dinge zu verdammen. Wer nur die gewaltige Man¬<lb/>
nigfaltigkeit des neuen ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Lebens, das<lb/>
bunte Vielerlei der großen Städte, das ver&#x017F;chiedenartig<lb/>
gewordene We&#x017F;en der Modeweiber zu genießen ver&#x017F;teht,<lb/>
den will ich prei&#x017F;en, der i&#x017F;t würdig des großen Reich¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0123] zum Verbieten hat die Natur ſo unſäglich viel Freude ausgeſtreut. Es iſt ein Fortſchritt der Kultur, man¬ nigfach glücklich zu ſein; was man einen Roué nennt, das iſt oft der tüchtigſte Menſch, der civiliſirteſte Mann, der die Natur mit hellerem Blick umarmt als die plum¬ pen ſogenannten tugendhaften Philiſter, deren Verdienſt darin beſteht, die meiſten Freuden nicht zu kennen, ja zu fliehen. Geht fort mit Eurer bleichen negativen Tugend. Ihr treibt den unnatürlichſten Prozeß, ſtatt mehr und mehr Fähigkeiten in Euch zu ſchaffen; je größer der Reichthum rings um Euch wird, trachtet Ihr nur darauf jene Reichthümer zu zerſtören, damit Eure Armuth nicht an den Tag kommt. Ihr ſeid die traurigſten Revolutionairs. Weil es ein Paris, über¬ haupt große Städte, großes, reich bewegtes Leben, neue Ideen, tauſenderlei Neues giebt, was noch nicht in dem A B C Büchlein Eurer Moral und Fähigkeit ſteht, habt Ihr nichts Eiligeres zu thun als all' die Dinge zu verdammen. Wer nur die gewaltige Man¬ nigfaltigkeit des neuen geſellſchaftlichen Lebens, das bunte Vielerlei der großen Städte, das verſchiedenartig gewordene Weſen der Modeweiber zu genießen verſteht, den will ich preiſen, der iſt würdig des großen Reich¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/123
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/123>, abgerufen am 02.05.2024.