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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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einen Manne von den beschränktesten Verstandeskräften
stehe, dem ich mich geistig überlegen fühle, und dessen
thierische blinde Keckheit und Zuversicht ich sehe -- für
den Mann mag's gut sein, für die, welche neben und
unter ihm stehen, vielleicht auch noch; für seine Pfarr¬
kinder, die tüchtigere Geistesfähigkeiten haben, ist es ein
Jammer, denn die drückt er mit theologischem Daum¬
drücken zu sich hinunter.

"Die Pfaffen halten die Bildung eben so auf, wie
ein schlechter Weg das Reisen."

"Es wird nicht leicht Jemand die unendlichen Seg¬
nungen, die das Christenthum der Erde gebracht, die
jede positive Religion mehr oder minder der Gesellschaft
sich erst entwickelnder Menschen bringt, so preisen als
ich; aber sobald man nicht eine tägliche Perfectibilität
dieser Lehren annimmt, sobald man ihren Dienst nicht
auf grenzenlose Freiheit gründet, unterläßt man das Gute,
zerstört man das Beste, so lange trägt ihr Segen an den
Schwingen unendlich viel Elend. Jene Freiheit muß
viel größer sein, als die je zu erlangende politische, denn
der menschliche Geist hat keine Grenzen und kann sich
zu keiner staatlichen Beschränkung verstehen."

"Was wissen wir denn gewiß? Unsere Geistesthätig¬

einen Manne von den beſchränkteſten Verſtandeskräften
ſtehe, dem ich mich geiſtig überlegen fühle, und deſſen
thieriſche blinde Keckheit und Zuverſicht ich ſehe — für
den Mann mag's gut ſein, für die, welche neben und
unter ihm ſtehen, vielleicht auch noch; für ſeine Pfarr¬
kinder, die tüchtigere Geiſtesfähigkeiten haben, iſt es ein
Jammer, denn die drückt er mit theologiſchem Daum¬
drücken zu ſich hinunter.

„Die Pfaffen halten die Bildung eben ſo auf, wie
ein ſchlechter Weg das Reiſen.“

„Es wird nicht leicht Jemand die unendlichen Seg¬
nungen, die das Chriſtenthum der Erde gebracht, die
jede poſitive Religion mehr oder minder der Geſellſchaft
ſich erſt entwickelnder Menſchen bringt, ſo preiſen als
ich; aber ſobald man nicht eine tägliche Perfectibilität
dieſer Lehren annimmt, ſobald man ihren Dienſt nicht
auf grenzenloſe Freiheit gründet, unterläßt man das Gute,
zerſtört man das Beſte, ſo lange trägt ihr Segen an den
Schwingen unendlich viel Elend. Jene Freiheit muß
viel größer ſein, als die je zu erlangende politiſche, denn
der menſchliche Geiſt hat keine Grenzen und kann ſich
zu keiner ſtaatlichen Beſchränkung verſtehen.“

„Was wiſſen wir denn gewiß? Unſere Geiſtesthätig¬

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[129/0141] einen Manne von den beſchränkteſten Verſtandeskräften ſtehe, dem ich mich geiſtig überlegen fühle, und deſſen thieriſche blinde Keckheit und Zuverſicht ich ſehe — für den Mann mag's gut ſein, für die, welche neben und unter ihm ſtehen, vielleicht auch noch; für ſeine Pfarr¬ kinder, die tüchtigere Geiſtesfähigkeiten haben, iſt es ein Jammer, denn die drückt er mit theologiſchem Daum¬ drücken zu ſich hinunter. „Die Pfaffen halten die Bildung eben ſo auf, wie ein ſchlechter Weg das Reiſen.“ „Es wird nicht leicht Jemand die unendlichen Seg¬ nungen, die das Chriſtenthum der Erde gebracht, die jede poſitive Religion mehr oder minder der Geſellſchaft ſich erſt entwickelnder Menſchen bringt, ſo preiſen als ich; aber ſobald man nicht eine tägliche Perfectibilität dieſer Lehren annimmt, ſobald man ihren Dienſt nicht auf grenzenloſe Freiheit gründet, unterläßt man das Gute, zerſtört man das Beſte, ſo lange trägt ihr Segen an den Schwingen unendlich viel Elend. Jene Freiheit muß viel größer ſein, als die je zu erlangende politiſche, denn der menſchliche Geiſt hat keine Grenzen und kann ſich zu keiner ſtaatlichen Beſchränkung verſtehen.“ „Was wiſſen wir denn gewiß? Unſere Geiſtesthätig¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/141>, abgerufen am 02.05.2024.