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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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Romancharakter lebt noch lange in der Wildheit und
wird einst, wenn seine bestialische Kraft an den Schran¬
ken der Bildung gebrochen ist, der Anführer eines frei¬
heitsbedürftigen Volkes. Seine Subjectivität muß erst
zertrümmert werden, eh' er nützen kann. Jetzt ist er
im Stadium des Danton und nur die gefährliche Zeit
fehlt, daß er sich wie jener auszeichne. Aber dieser
subjective Danton wird guillotinirt werden, und seine
geläuterte Objectvität wird einst mit der neuen Gironde
unserer Tage lehren. Er wird einst der hinreißende
neue Vergniaud werden. Es ist ein merkwürdiger Wen¬
depunkt in unserem Leben eingetreten. Ich gehe mor¬
gen nach Warschau, um für das heilige Recht eines
Volkes gegen die Tyrannen zu fechten. Ich liebe das
polnische Volk nicht eben sehr, aber für seine Sache
will ich bluten und sterben. Dies asiatische Element
einer Herrscher- und einer Sklavenkaste, das sie noch
immer nicht ernstlich bekämpft haben, ist mir sehr zu¬
wider. Es ist allerdings nicht der gewöhnliche Begriff
der Aristokratie, die man ihnen meisthin zum Vorwurf
macht, es ist eine demokratische Aristokratie, welche die
Stufen unter sich wenig beachtet und eine große Gleich¬
heit unter sich eingeführt hat; aber ich würde lieber

Romancharakter lebt noch lange in der Wildheit und
wird einſt, wenn ſeine beſtialiſche Kraft an den Schran¬
ken der Bildung gebrochen iſt, der Anführer eines frei¬
heitsbedürftigen Volkes. Seine Subjectivität muß erſt
zertrümmert werden, eh' er nützen kann. Jetzt iſt er
im Stadium des Danton und nur die gefährliche Zeit
fehlt, daß er ſich wie jener auszeichne. Aber dieſer
ſubjective Danton wird guillotinirt werden, und ſeine
geläuterte Objectvität wird einſt mit der neuen Gironde
unſerer Tage lehren. Er wird einſt der hinreißende
neue Vergniaud werden. Es iſt ein merkwürdiger Wen¬
depunkt in unſerem Leben eingetreten. Ich gehe mor¬
gen nach Warſchau, um für das heilige Recht eines
Volkes gegen die Tyrannen zu fechten. Ich liebe das
polniſche Volk nicht eben ſehr, aber für ſeine Sache
will ich bluten und ſterben. Dies aſiatiſche Element
einer Herrſcher- und einer Sklavenkaſte, das ſie noch
immer nicht ernſtlich bekämpft haben, iſt mir ſehr zu¬
wider. Es iſt allerdings nicht der gewöhnliche Begriff
der Ariſtokratie, die man ihnen meiſthin zum Vorwurf
macht, es iſt eine demokratiſche Ariſtokratie, welche die
Stufen unter ſich wenig beachtet und eine große Gleich¬
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[186/0198] Romancharakter lebt noch lange in der Wildheit und wird einſt, wenn ſeine beſtialiſche Kraft an den Schran¬ ken der Bildung gebrochen iſt, der Anführer eines frei¬ heitsbedürftigen Volkes. Seine Subjectivität muß erſt zertrümmert werden, eh' er nützen kann. Jetzt iſt er im Stadium des Danton und nur die gefährliche Zeit fehlt, daß er ſich wie jener auszeichne. Aber dieſer ſubjective Danton wird guillotinirt werden, und ſeine geläuterte Objectvität wird einſt mit der neuen Gironde unſerer Tage lehren. Er wird einſt der hinreißende neue Vergniaud werden. Es iſt ein merkwürdiger Wen¬ depunkt in unſerem Leben eingetreten. Ich gehe mor¬ gen nach Warſchau, um für das heilige Recht eines Volkes gegen die Tyrannen zu fechten. Ich liebe das polniſche Volk nicht eben ſehr, aber für ſeine Sache will ich bluten und ſterben. Dies aſiatiſche Element einer Herrſcher- und einer Sklavenkaſte, das ſie noch immer nicht ernſtlich bekämpft haben, iſt mir ſehr zu¬ wider. Es iſt allerdings nicht der gewöhnliche Begriff der Ariſtokratie, die man ihnen meiſthin zum Vorwurf macht, es iſt eine demokratiſche Ariſtokratie, welche die Stufen unter ſich wenig beachtet und eine große Gleich¬ heit unter ſich eingeführt hat; aber ich würde lieber

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/198>, abgerufen am 30.04.2024.