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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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Vorgeschmack, die Freiheit, und die Opfer, die wir ihr
bringen müßten. -- Der erhobene Mensch trägt alles
Leid noch einmal so leicht; das Herz besitzt unglaub¬
liche Kräfte, man muß sie nur wecken. Wir glühten
Alle von Begeisterung für das Edle und Große und
die Mädchen wären alle mitgestorben, wenn es des
Todes bedurft hätte. Da ging ich hinaus, setzte mich
auf's Pferd, ritt unter das Fenster und rief. Sie
öffneten hastig, in vollem Lichte standen sie beide, meines
Herzens Arme. Alberta mußte zufällig eben das Zimmer
verlassen haben. Der Mond schien auf mein thränen¬
weiches Gesicht. Ade, meine Liebe, sprach ich, in ei¬
ner freieren Welt wieder. Fort ritt ich, und sah nur
noch, wie sich die lieben Mädchen in die Arme fielen.
Taugt mein Dichten und Trachten nicht für diese ge¬
sellschaftliche Welt, so wird mich wohl eine russische
Kugel treffen. Ade Teutschland, vielleicht seh' ich dich
nie wieder. Kommst Du her, wie Du schreibst, so suche
die Bekanntschaft der Fürstin, und sage ihr, wenn ich
am Leben bliebe, würde ich ihr einst antworten. Sie
hat mir einen wunderbar klugen Brief über William,
Hyppolit, Leopold und alle diese betreffenden Verhältnisse
geschrieben. Man darf sie nicht nach dem gewöhnli¬

Vorgeſchmack, die Freiheit, und die Opfer, die wir ihr
bringen müßten. — Der erhobene Menſch trägt alles
Leid noch einmal ſo leicht; das Herz beſitzt unglaub¬
liche Kräfte, man muß ſie nur wecken. Wir glühten
Alle von Begeiſterung für das Edle und Große und
die Mädchen wären alle mitgeſtorben, wenn es des
Todes bedurft hätte. Da ging ich hinaus, ſetzte mich
auf's Pferd, ritt unter das Fenſter und rief. Sie
öffneten haſtig, in vollem Lichte ſtanden ſie beide, meines
Herzens Arme. Alberta mußte zufällig eben das Zimmer
verlaſſen haben. Der Mond ſchien auf mein thränen¬
weiches Geſicht. Ade, meine Liebe, ſprach ich, in ei¬
ner freieren Welt wieder. Fort ritt ich, und ſah nur
noch, wie ſich die lieben Mädchen in die Arme fielen.
Taugt mein Dichten und Trachten nicht für dieſe ge¬
ſellſchaftliche Welt, ſo wird mich wohl eine ruſſiſche
Kugel treffen. Ade Teutſchland, vielleicht ſeh' ich dich
nie wieder. Kommſt Du her, wie Du ſchreibſt, ſo ſuche
die Bekanntſchaft der Fürſtin, und ſage ihr, wenn ich
am Leben bliebe, würde ich ihr einſt antworten. Sie
hat mir einen wunderbar klugen Brief über William,
Hyppolit, Leopold und alle dieſe betreffenden Verhältniſſe
geſchrieben. Man darf ſie nicht nach dem gewöhnli¬

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[190/0202] Vorgeſchmack, die Freiheit, und die Opfer, die wir ihr bringen müßten. — Der erhobene Menſch trägt alles Leid noch einmal ſo leicht; das Herz beſitzt unglaub¬ liche Kräfte, man muß ſie nur wecken. Wir glühten Alle von Begeiſterung für das Edle und Große und die Mädchen wären alle mitgeſtorben, wenn es des Todes bedurft hätte. Da ging ich hinaus, ſetzte mich auf's Pferd, ritt unter das Fenſter und rief. Sie öffneten haſtig, in vollem Lichte ſtanden ſie beide, meines Herzens Arme. Alberta mußte zufällig eben das Zimmer verlaſſen haben. Der Mond ſchien auf mein thränen¬ weiches Geſicht. Ade, meine Liebe, ſprach ich, in ei¬ ner freieren Welt wieder. Fort ritt ich, und ſah nur noch, wie ſich die lieben Mädchen in die Arme fielen. Taugt mein Dichten und Trachten nicht für dieſe ge¬ ſellſchaftliche Welt, ſo wird mich wohl eine ruſſiſche Kugel treffen. Ade Teutſchland, vielleicht ſeh' ich dich nie wieder. Kommſt Du her, wie Du ſchreibſt, ſo ſuche die Bekanntſchaft der Fürſtin, und ſage ihr, wenn ich am Leben bliebe, würde ich ihr einſt antworten. Sie hat mir einen wunderbar klugen Brief über William, Hyppolit, Leopold und alle dieſe betreffenden Verhältniſſe geſchrieben. Man darf ſie nicht nach dem gewöhnli¬

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/202>, abgerufen am 06.05.2024.