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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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leicht ist das jetzige gerade der Antipode von dem Frü¬
heren, vielleicht war Jenes Abenddämmerung, vielleicht
ist dies Reaktion und Jenes war Revolution. Beide
müssen Schutt wegschaffen, aber wahr bin ich immer
bei meiner armen Seele.

Ueber der Menschheit vergißt man jetzt gewöhnlich
die Menschen und in dieser Zeit der Brände, Kanonen
und glühenden Reden ist es doch erbärmlich kalt. Die
Idee ist eine ganz schöne Sache, für fast Alle zu groß
und sie bleibt immer nur Idee Vermählt sie sich nicht
mit dem Individuum, mit der Gestalt, so ist sie so
gut wie nicht da gewesen. Ach und das traurige er¬
bärmliche Pathos. Da bestrafen nun die Franzosen
den Meineid ihres Königs -- gut, obgleich schlimm,
sie betragen sich eine Weile vernünftig -- sehr gut.
Nun kommen die allgemeinen Redensarten liberte,
gloire etc. heran. Wer für diese hundsföttische gloire
Leben und Glück von Generationen opfert, jeder noch
so ruhmgekrönte Eroberer ist als solcher (unbeschadet sei¬
ner übrigen Größe) gebrandmarkt und ehrlos. Ich will
nicht hitzig werden, darum hör' ich auf, ich will nicht
gemein und wüthend werden, darum schweig ich von
der Journalistik. Gott, wenn sie doch erst so schlecht

leicht iſt das jetzige gerade der Antipode von dem Frü¬
heren, vielleicht war Jenes Abenddämmerung, vielleicht
iſt dies Reaktion und Jenes war Revolution. Beide
müſſen Schutt wegſchaffen, aber wahr bin ich immer
bei meiner armen Seele.

Ueber der Menſchheit vergißt man jetzt gewöhnlich
die Menſchen und in dieſer Zeit der Brände, Kanonen
und glühenden Reden iſt es doch erbärmlich kalt. Die
Idee iſt eine ganz ſchöne Sache, für faſt Alle zu groß
und ſie bleibt immer nur Idee Vermählt ſie ſich nicht
mit dem Individuum, mit der Geſtalt, ſo iſt ſie ſo
gut wie nicht da geweſen. Ach und das traurige er¬
bärmliche Pathos. Da beſtrafen nun die Franzoſen
den Meineid ihres Königs — gut, obgleich ſchlimm,
ſie betragen ſich eine Weile vernünftig — ſehr gut.
Nun kommen die allgemeinen Redensarten liberté,
gloire etc. heran. Wer für dieſe hundsföttiſche gloire
Leben und Glück von Generationen opfert, jeder noch
ſo ruhmgekrönte Eroberer iſt als ſolcher (unbeſchadet ſei¬
ner übrigen Größe) gebrandmarkt und ehrlos. Ich will
nicht hitzig werden, darum hör' ich auf, ich will nicht
gemein und wüthend werden, darum ſchweig ich von
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[71/0083] leicht iſt das jetzige gerade der Antipode von dem Frü¬ heren, vielleicht war Jenes Abenddämmerung, vielleicht iſt dies Reaktion und Jenes war Revolution. Beide müſſen Schutt wegſchaffen, aber wahr bin ich immer bei meiner armen Seele. Ueber der Menſchheit vergißt man jetzt gewöhnlich die Menſchen und in dieſer Zeit der Brände, Kanonen und glühenden Reden iſt es doch erbärmlich kalt. Die Idee iſt eine ganz ſchöne Sache, für faſt Alle zu groß und ſie bleibt immer nur Idee Vermählt ſie ſich nicht mit dem Individuum, mit der Geſtalt, ſo iſt ſie ſo gut wie nicht da geweſen. Ach und das traurige er¬ bärmliche Pathos. Da beſtrafen nun die Franzoſen den Meineid ihres Königs — gut, obgleich ſchlimm, ſie betragen ſich eine Weile vernünftig — ſehr gut. Nun kommen die allgemeinen Redensarten liberté, gloire etc. heran. Wer für dieſe hundsföttiſche gloire Leben und Glück von Generationen opfert, jeder noch ſo ruhmgekrönte Eroberer iſt als ſolcher (unbeſchadet ſei¬ ner übrigen Größe) gebrandmarkt und ehrlos. Ich will nicht hitzig werden, darum hör' ich auf, ich will nicht gemein und wüthend werden, darum ſchweig ich von der Journaliſtik. Gott, wenn ſie doch erſt ſo ſchlecht

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/83>, abgerufen am 27.04.2024.