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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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Dame gleich bei der ersten Begrüßung fragen, was
sie plötzlich aus Deutschland nach Polen geführt habe.
Sie müssen sich diplomatisch ausbilden; nach dem
Zweck und Ende fragt man wie billig eben am Ende,
wenn man sich die Hand zum Abschiede drückt. Jch
langweilte mich in Deutschland, mein lieber Lands-
mann, ich sehe die Menschen am liebsten in ihren
Leidenschaften, da tritt alle Schönheit, aller Rest
von Göttlichkeit hervor, da ist das Leben aus dem
Sumpfe der Gewöhnlichkeit erhoben, ich habe nicht
Lust, meine Jugend reizlos hinzubringen -- die Zeit
kommt früh genug, wo man nicht mehr reizt, nicht
mehr gereizt wird, und nichts Besseres thun kann,
als lesen und denken und philosophiren, und Be-
friedigung und Ruhe nach innen und außen suchen.
Was mir Jnteresse verspricht, das such' ich auf --
wenn Sie durchaus Tugend haben wollen, nun
wohl, ich halte das für Tugend, Gottes Welt
so schön zu finden, als es unsre Kräfte nur immer
erlauben.

Also Sie kennen dies Mädchen schon länger?
Erzählen Sie mir doch, was Sie hier für ein Leben
getrieben haben -- armer Mann, der schwere Hieb

Dame gleich bei der erſten Begrüßung fragen, was
ſie plötzlich aus Deutſchland nach Polen geführt habe.
Sie müſſen ſich diplomatiſch ausbilden; nach dem
Zweck und Ende fragt man wie billig eben am Ende,
wenn man ſich die Hand zum Abſchiede drückt. Jch
langweilte mich in Deutſchland, mein lieber Lands-
mann, ich ſehe die Menſchen am liebſten in ihren
Leidenſchaften, da tritt alle Schönheit, aller Reſt
von Göttlichkeit hervor, da iſt das Leben aus dem
Sumpfe der Gewöhnlichkeit erhoben, ich habe nicht
Luſt, meine Jugend reizlos hinzubringen — die Zeit
kommt früh genug, wo man nicht mehr reizt, nicht
mehr gereizt wird, und nichts Beſſeres thun kann,
als leſen und denken und philoſophiren, und Be-
friedigung und Ruhe nach innen und außen ſuchen.
Was mir Jntereſſe verſpricht, das ſuch’ ich auf —
wenn Sie durchaus Tugend haben wollen, nun
wohl, ich halte das für Tugend, Gottes Welt
ſo ſchön zu finden, als es unſre Kräfte nur immer
erlauben.

Alſo Sie kennen dies Mädchen ſchon länger?
Erzählen Sie mir doch, was Sie hier für ein Leben
getrieben haben — armer Mann, der ſchwere Hieb

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[166/0176] Dame gleich bei der erſten Begrüßung fragen, was ſie plötzlich aus Deutſchland nach Polen geführt habe. Sie müſſen ſich diplomatiſch ausbilden; nach dem Zweck und Ende fragt man wie billig eben am Ende, wenn man ſich die Hand zum Abſchiede drückt. Jch langweilte mich in Deutſchland, mein lieber Lands- mann, ich ſehe die Menſchen am liebſten in ihren Leidenſchaften, da tritt alle Schönheit, aller Reſt von Göttlichkeit hervor, da iſt das Leben aus dem Sumpfe der Gewöhnlichkeit erhoben, ich habe nicht Luſt, meine Jugend reizlos hinzubringen — die Zeit kommt früh genug, wo man nicht mehr reizt, nicht mehr gereizt wird, und nichts Beſſeres thun kann, als leſen und denken und philoſophiren, und Be- friedigung und Ruhe nach innen und außen ſuchen. Was mir Jntereſſe verſpricht, das ſuch’ ich auf — wenn Sie durchaus Tugend haben wollen, nun wohl, ich halte das für Tugend, Gottes Welt ſo ſchön zu finden, als es unſre Kräfte nur immer erlauben. Alſo Sie kennen dies Mädchen ſchon länger? Erzählen Sie mir doch, was Sie hier für ein Leben getrieben haben — armer Mann, der ſchwere Hieb

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/176>, abgerufen am 16.05.2024.