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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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Angst und Sorge brach er in lautes Wehklagen aus:
"Joel, Joel, Sohn meiner Esther, wo bist Du?!"

Hastig unter den Riesenleichnamen der Kürassiere
herumsuchend, die auf und unter den ungeheuren
Pferden lagen, wiederholte er diesen Schmerzensruf
unaufhörlich.

Auf einmal vernahm er in einiger Entfernung
eine Stimme, aber der Wind warf den rasselnden
Eisregen dazwischen, er konnte nichts Deutliches
vernehmen. --

"Manasse, mein Vater!" klang es von Neuem
-- Joel, ich komme, Joel --

Aber statt hinzueilen, duckte er sich zusammen
zwischen die Füße eines todten Pferdes, und regte
sich nicht. Seine aufmerksamen Sinne hatten ihn
auch nicht getäuscht, ein Trupp Soldaten kam über
das Schlachtfeld daher geritten gerade auf den Ort
zu, wo Manasse lag, die Leuchte fest in den Man-
tel hüllend. Ob sie versprengt, ob Freund oder
Feind waren, wer konute es wissen.

Ein Mann mit einer hell brennenden Laterne
schritt voraus, die Pferde gingen schlurfend und
unruhig zwischen den Leichen, sie kamen dicht zu

Angſt und Sorge brach er in lautes Wehklagen aus:
„Joel, Joel, Sohn meiner Eſther, wo biſt Du?!“

Haſtig unter den Rieſenleichnamen der Küraſſiere
herumſuchend, die auf und unter den ungeheuren
Pferden lagen, wiederholte er dieſen Schmerzensruf
unaufhörlich.

Auf einmal vernahm er in einiger Entfernung
eine Stimme, aber der Wind warf den raſſelnden
Eisregen dazwiſchen, er konnte nichts Deutliches
vernehmen. —

„Manaſſe, mein Vater!“ klang es von Neuem
— Joel, ich komme, Joel —

Aber ſtatt hinzueilen, duckte er ſich zuſammen
zwiſchen die Füße eines todten Pferdes, und regte
ſich nicht. Seine aufmerkſamen Sinne hatten ihn
auch nicht getäuſcht, ein Trupp Soldaten kam über
das Schlachtfeld daher geritten gerade auf den Ort
zu, wo Manaſſe lag, die Leuchte feſt in den Man-
tel hüllend. Ob ſie verſprengt, ob Freund oder
Feind waren, wer konute es wiſſen.

Ein Mann mit einer hell brennenden Laterne
ſchritt voraus, die Pferde gingen ſchlurfend und
unruhig zwiſchen den Leichen, ſie kamen dicht zu

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[10/0020] Angſt und Sorge brach er in lautes Wehklagen aus: „Joel, Joel, Sohn meiner Eſther, wo biſt Du?!“ Haſtig unter den Rieſenleichnamen der Küraſſiere herumſuchend, die auf und unter den ungeheuren Pferden lagen, wiederholte er dieſen Schmerzensruf unaufhörlich. Auf einmal vernahm er in einiger Entfernung eine Stimme, aber der Wind warf den raſſelnden Eisregen dazwiſchen, er konnte nichts Deutliches vernehmen. — „Manaſſe, mein Vater!“ klang es von Neuem — Joel, ich komme, Joel — Aber ſtatt hinzueilen, duckte er ſich zuſammen zwiſchen die Füße eines todten Pferdes, und regte ſich nicht. Seine aufmerkſamen Sinne hatten ihn auch nicht getäuſcht, ein Trupp Soldaten kam über das Schlachtfeld daher geritten gerade auf den Ort zu, wo Manaſſe lag, die Leuchte feſt in den Man- tel hüllend. Ob ſie verſprengt, ob Freund oder Feind waren, wer konute es wiſſen. Ein Mann mit einer hell brennenden Laterne ſchritt voraus, die Pferde gingen ſchlurfend und unruhig zwiſchen den Leichen, ſie kamen dicht zu

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/20>, abgerufen am 29.04.2024.