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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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trisch und unburschikos gehalten. Vielmehr giebt es,
oder gabs doch zu meiner Zeit einige, welche das
gute Frauenzimmer bei jeder Gelegenheit prostituir-
ten. So zogen sie z. B. auf dem Walle, wenn sie
spatzieren giengen, hinter ihnen her, und wiederhol-
ten laut ein Kapitel aus der Zotologie. Herr Hand-
werk, Oekonom der Universität, hatte eine ganz
hübsche Tochter, Minchen, welche was ehrliches ge-
neckt wurde. Die Studenten kamen des Abends vor
ihr Haus, und schrien: Minchä as de ham gießt,
as de die Schwernuth kriest f). Mit diesen Worten
hatte sie ihr Vater einmal nach Hause geholt.

Noch eins! Die Tochter des R.Raths Reuß
hatte sich mit einem Musensohn zuweit eingelassen.
Zum Unglück erfuhren die Studenten, daß die Heb-
amme zu ihr gerufen sey: Fluchs zogen sie vor das
Haus, und machten eine Katzenmusik, wobei die
schändlichsten Lieder gesungen wurden. Der R.R.
beschwerte sich bei dem Rektor; aber der freute sich
selbst über den schnurrigen Einfall seiner Bursche, und
ließ es gut seyn.

Schlägereien sind in Gießen gar nicht selten.
So klein die Universität ist, so viel Balgereien fallen
vor: manchmal haben sie einen gefährlichen Aus-

f) Mienchen, willst du nach Hause gehen, oder du sollst
die Schwerenoth kriegen.

triſch und unburſchikos gehalten. Vielmehr giebt es,
oder gabs doch zu meiner Zeit einige, welche das
gute Frauenzimmer bei jeder Gelegenheit proſtituir-
ten. So zogen ſie z. B. auf dem Walle, wenn ſie
ſpatzieren giengen, hinter ihnen her, und wiederhol-
ten laut ein Kapitel aus der Zotologie. Herr Hand-
werk, Oekonom der Univerſitaͤt, hatte eine ganz
huͤbſche Tochter, Minchen, welche was ehrliches ge-
neckt wurde. Die Studenten kamen des Abends vor
ihr Haus, und ſchrien: Minchaͤ as de ham gießt,
as de die Schwernuth krieſt f). Mit dieſen Worten
hatte ſie ihr Vater einmal nach Hauſe geholt.

Noch eins! Die Tochter des R.Raths Reuß
hatte ſich mit einem Muſenſohn zuweit eingelaſſen.
Zum Ungluͤck erfuhren die Studenten, daß die Heb-
amme zu ihr gerufen ſey: Fluchs zogen ſie vor das
Haus, und machten eine Katzenmuſik, wobei die
ſchaͤndlichſten Lieder geſungen wurden. Der R.R.
beſchwerte ſich bei dem Rektor; aber der freute ſich
ſelbſt uͤber den ſchnurrigen Einfall ſeiner Burſche, und
ließ es gut ſeyn.

Schlaͤgereien ſind in Gießen gar nicht ſelten.
So klein die Univerſitaͤt iſt, ſo viel Balgereien fallen
vor: manchmal haben ſie einen gefaͤhrlichen Aus-

f) Mienchen, willſt du nach Hauſe gehen, oder du ſollſt
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[99/0113] triſch und unburſchikos gehalten. Vielmehr giebt es, oder gabs doch zu meiner Zeit einige, welche das gute Frauenzimmer bei jeder Gelegenheit proſtituir- ten. So zogen ſie z. B. auf dem Walle, wenn ſie ſpatzieren giengen, hinter ihnen her, und wiederhol- ten laut ein Kapitel aus der Zotologie. Herr Hand- werk, Oekonom der Univerſitaͤt, hatte eine ganz huͤbſche Tochter, Minchen, welche was ehrliches ge- neckt wurde. Die Studenten kamen des Abends vor ihr Haus, und ſchrien: Minchaͤ as de ham gießt, as de die Schwernuth krieſt f). Mit dieſen Worten hatte ſie ihr Vater einmal nach Hauſe geholt. Noch eins! Die Tochter des R.Raths Reuß hatte ſich mit einem Muſenſohn zuweit eingelaſſen. Zum Ungluͤck erfuhren die Studenten, daß die Heb- amme zu ihr gerufen ſey: Fluchs zogen ſie vor das Haus, und machten eine Katzenmuſik, wobei die ſchaͤndlichſten Lieder geſungen wurden. Der R.R. beſchwerte ſich bei dem Rektor; aber der freute ſich ſelbſt uͤber den ſchnurrigen Einfall ſeiner Burſche, und ließ es gut ſeyn. Schlaͤgereien ſind in Gießen gar nicht ſelten. So klein die Univerſitaͤt iſt, ſo viel Balgereien fallen vor: manchmal haben ſie einen gefaͤhrlichen Aus- f) Mienchen, willſt du nach Hauſe gehen, oder du ſollſt die Schwerenoth kriegen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/113>, abgerufen am 13.05.2024.