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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Man hatte damals gewiß Ursache, mich fort zu
schicken: das kann ich nicht leugnen. Einmal hatte
ich mich geschlagen, dann Fenster eingeworfen, den
Spektakel nach Vermögen vermehrt: auch war ich
nicht erschienen, als man mich zum zweiten und gar
zum drittenmal citirt hatte: endlich hatte ich ein
skandalöses Lied auf den Rektor und Kanzler ge-
macht, welches die Studenten des Abends auf der
Gasse absungen. Dieses alles zusammen genommen,
war schon hinlänglich, mir die Relegation zuzuziehen,
die mir indeß doch, als Ausländer, wenig geschadet
hätte.

Ich wüschte aber in Gießen zu bleiben. Als
ich nun hörte, daß man mich relegiren wollte, und
daß einer meiner Freunde schon wirklich relegirt sey,
gieng ich zum Rektor, und gab gute Worte. Die-
ser sagte mir, daß ich sehr gravirt wäre, besonders
wegen eines Pasquills, welches ich aber ableugnete.
Darauf gab er mir zu verstehen, daß ich eine kleine
Bittschrift an ihn aufsetzen möchte: er würde die-
selbe schon empfehlen. Ich that dieses, und meine
Relegation wurde aufgehoben; ich aber doch auf vier
Wochen ins Carzer gesetzt.

Herr Schmid -- daß ich doch mit dem Eh-
renmann so oft zusammen komme! Herr Schmid
gibt vor: ich wäre wegen schändlicher Lebensart
relegirt worden; diese Strafe aber hätte der Kanzler

Man hatte damals gewiß Urſache, mich fort zu
ſchicken: das kann ich nicht leugnen. Einmal hatte
ich mich geſchlagen, dann Fenſter eingeworfen, den
Spektakel nach Vermoͤgen vermehrt: auch war ich
nicht erſchienen, als man mich zum zweiten und gar
zum drittenmal citirt hatte: endlich hatte ich ein
ſkandaloͤſes Lied auf den Rektor und Kanzler ge-
macht, welches die Studenten des Abends auf der
Gaſſe abſungen. Dieſes alles zuſammen genommen,
war ſchon hinlaͤnglich, mir die Relegation zuzuziehen,
die mir indeß doch, als Auslaͤnder, wenig geſchadet
haͤtte.

Ich wuͤſchte aber in Gießen zu bleiben. Als
ich nun hoͤrte, daß man mich relegiren wollte, und
daß einer meiner Freunde ſchon wirklich relegirt ſey,
gieng ich zum Rektor, und gab gute Worte. Die-
ſer ſagte mir, daß ich ſehr gravirt waͤre, beſonders
wegen eines Pasquills, welches ich aber ableugnete.
Darauf gab er mir zu verſtehen, daß ich eine kleine
Bittſchrift an ihn aufſetzen moͤchte: er wuͤrde die-
ſelbe ſchon empfehlen. Ich that dieſes, und meine
Relegation wurde aufgehoben; ich aber doch auf vier
Wochen ins Carzer geſetzt.

Herr Schmid — daß ich doch mit dem Eh-
renmann ſo oft zuſammen komme! Herr Schmid
gibt vor: ich waͤre wegen ſchaͤndlicher Lebensart
relegirt worden; dieſe Strafe aber haͤtte der Kanzler

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[211/0225] Man hatte damals gewiß Urſache, mich fort zu ſchicken: das kann ich nicht leugnen. Einmal hatte ich mich geſchlagen, dann Fenſter eingeworfen, den Spektakel nach Vermoͤgen vermehrt: auch war ich nicht erſchienen, als man mich zum zweiten und gar zum drittenmal citirt hatte: endlich hatte ich ein ſkandaloͤſes Lied auf den Rektor und Kanzler ge- macht, welches die Studenten des Abends auf der Gaſſe abſungen. Dieſes alles zuſammen genommen, war ſchon hinlaͤnglich, mir die Relegation zuzuziehen, die mir indeß doch, als Auslaͤnder, wenig geſchadet haͤtte. Ich wuͤſchte aber in Gießen zu bleiben. Als ich nun hoͤrte, daß man mich relegiren wollte, und daß einer meiner Freunde ſchon wirklich relegirt ſey, gieng ich zum Rektor, und gab gute Worte. Die- ſer ſagte mir, daß ich ſehr gravirt waͤre, beſonders wegen eines Pasquills, welches ich aber ableugnete. Darauf gab er mir zu verſtehen, daß ich eine kleine Bittſchrift an ihn aufſetzen moͤchte: er wuͤrde die- ſelbe ſchon empfehlen. Ich that dieſes, und meine Relegation wurde aufgehoben; ich aber doch auf vier Wochen ins Carzer geſetzt. Herr Schmid — daß ich doch mit dem Eh- renmann ſo oft zuſammen komme! Herr Schmid gibt vor: ich waͤre wegen ſchaͤndlicher Lebensart relegirt worden; dieſe Strafe aber haͤtte der Kanzler

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/225>, abgerufen am 29.04.2024.