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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Diesen Mann Gottes fand ich einmal beim
Hrn. Balleyrath Alefeld zu Oberflörsheim. Bei
Tische fing er an, über gelehrte Dinge zu reden; ich
mischte mich ins Gespräch und bald saß mein Herr
Hahn auf dem Mist. Ich konnte ihm sogar weiß
machen, daß Cromwell (es wurde von England
gesprochen) mit Peter dem Großen und Ferdinand
dem Katholischen in vertrautem Briefwechsel gestan-
den, und Paraguay, welches zwischen Persien und
China liegt, an die Jesuiten für sechs Millionen
Pfund Sterling verkauft habe. Nachher kam das
Gespräch auf D. Bahrdt. Hahn verdammte ihn,
als einen Erzketzer, ob er ihm gleich sonst seinen Hof
gemacht hatte. Er stuzte nicht wenig, als ich ganz
kalt behauptete, Bahrdt habe gar kein Verdienst um
die Aufklärung: denn nicht mehr sagen, als er ge-
sagt hätte, sey gar nichts gesagt: die englischen und
französischen Deisten seyn andre Kerls u. s. w. Als
nun Herr Hahn mit seiner Seilerischen Weisheit an-
gestochen kam, kappte ich ihn ab, und ließ ihn mar-
schiren. Der Hofmeister des Balleyraths, Herr
Otto, den wir in Gießen, auch wegen seiner armen
Sünderschaft, den S[ - 2 Zeichen fehlen]ur nannten, begleitete mich
eine Strecke, als ich fortging - ich ging nach
Worms -- und da erklärte ich ihm, daß Hahn ein
gewaltiger Ignorant seyn müste, da er die groben
Anachronismen und geographischen Schnitzer, die ab-

Dieſen Mann Gottes fand ich einmal beim
Hrn. Balleyrath Alefeld zu Oberfloͤrsheim. Bei
Tiſche fing er an, uͤber gelehrte Dinge zu reden; ich
miſchte mich ins Geſpraͤch und bald ſaß mein Herr
Hahn auf dem Miſt. Ich konnte ihm ſogar weiß
machen, daß Cromwell (es wurde von England
geſprochen) mit Peter dem Großen und Ferdinand
dem Katholiſchen in vertrautem Briefwechſel geſtan-
den, und Paraguay, welches zwiſchen Perſien und
China liegt, an die Jeſuiten fuͤr ſechs Millionen
Pfund Sterling verkauft habe. Nachher kam das
Geſpraͤch auf D. Bahrdt. Hahn verdammte ihn,
als einen Erzketzer, ob er ihm gleich ſonſt ſeinen Hof
gemacht hatte. Er ſtuzte nicht wenig, als ich ganz
kalt behauptete, Bahrdt habe gar kein Verdienſt um
die Aufklaͤrung: denn nicht mehr ſagen, als er ge-
ſagt haͤtte, ſey gar nichts geſagt: die engliſchen und
franzoͤſiſchen Deiſten ſeyn andre Kerls u. ſ. w. Als
nun Herr Hahn mit ſeiner Seileriſchen Weisheit an-
geſtochen kam, kappte ich ihn ab, und ließ ihn mar-
ſchiren. Der Hofmeiſter des Balleyraths, Herr
Otto, den wir in Gießen, auch wegen ſeiner armen
Suͤnderſchaft, den S[ – 2 Zeichen fehlen]ur nannten, begleitete mich
eine Strecke, als ich fortging – ich ging nach
Worms — und da erklaͤrte ich ihm, daß Hahn ein
gewaltiger Ignorant ſeyn muͤſte, da er die groben
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[308/0322] Dieſen Mann Gottes fand ich einmal beim Hrn. Balleyrath Alefeld zu Oberfloͤrsheim. Bei Tiſche fing er an, uͤber gelehrte Dinge zu reden; ich miſchte mich ins Geſpraͤch und bald ſaß mein Herr Hahn auf dem Miſt. Ich konnte ihm ſogar weiß machen, daß Cromwell (es wurde von England geſprochen) mit Peter dem Großen und Ferdinand dem Katholiſchen in vertrautem Briefwechſel geſtan- den, und Paraguay, welches zwiſchen Perſien und China liegt, an die Jeſuiten fuͤr ſechs Millionen Pfund Sterling verkauft habe. Nachher kam das Geſpraͤch auf D. Bahrdt. Hahn verdammte ihn, als einen Erzketzer, ob er ihm gleich ſonſt ſeinen Hof gemacht hatte. Er ſtuzte nicht wenig, als ich ganz kalt behauptete, Bahrdt habe gar kein Verdienſt um die Aufklaͤrung: denn nicht mehr ſagen, als er ge- ſagt haͤtte, ſey gar nichts geſagt: die engliſchen und franzoͤſiſchen Deiſten ſeyn andre Kerls u. ſ. w. Als nun Herr Hahn mit ſeiner Seileriſchen Weisheit an- geſtochen kam, kappte ich ihn ab, und ließ ihn mar- ſchiren. Der Hofmeiſter des Balleyraths, Herr Otto, den wir in Gießen, auch wegen ſeiner armen Suͤnderſchaft, den S__ur nannten, begleitete mich eine Strecke, als ich fortging – ich ging nach Worms — und da erklaͤrte ich ihm, daß Hahn ein gewaltiger Ignorant ſeyn muͤſte, da er die groben Anachronismen und geographiſchen Schnitzer, die ab-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/322>, abgerufen am 29.04.2024.