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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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zu Fuße zu gehen, die Postillen meiner Vorgänger
und Vorreiter, ganz bequem und erbaulich. Unter
andern Brücken dieses Bequemern Apostolisirens,
haben mir die Dispisitionen des Doktor Münters
viel Dienste geleistet. Im Grunde, dachte ich, sey
es einerlei, ob ich oder ein anderer den Leuten die
christliche Glaubens- und Sittenlehre predige; und
mir war es um so mehr einerlei, da ich von dem,
was ich vortrug, wenig oder gar nichts glaubte.
Ich behandelte das Predigtamt, wie ein Handwerk,
bei dem man sich aller kleinen Vortheile und Kunst-
griffe bedienen dürfte. So dachte und handelte ich,
und so denken und handeln, wie mich dünkt, jetzt
die mehresten!

Ich begab mich nach Darmstadt, und glaubte,
da ich die Hand des Landgrafen hatte, daß meine
Anstellung keine weitere Schwierigkeit haben könnte.
Allein wie kann der Mensch sich trügen! -- Der
Superintendent Olf und der Rektor Wenk hatten
ein anderes Subjekt im Sinne, welches ein gewisser
Kandidat Zimmermann war. Dieser hatte sich,
ausser andern schönen Künsten, auch im Versificiren
geübt und durch gereimte und ungereimte Gratula-
tionen bei den vornehmern Darmstädtern in große
Gunst gesetzt. Der Superintendent verlangte daher,
daß ich mich erst pro re scholastica, wie er sich
ausdrückte, examiniren lassen müßte. -- Ich un-

zu Fuße zu gehen, die Poſtillen meiner Vorgaͤnger
und Vorreiter, ganz bequem und erbaulich. Unter
andern Bruͤcken dieſes Bequemern Apoſtoliſirens,
haben mir die Dispiſitionen des Doktor Muͤnters
viel Dienſte geleiſtet. Im Grunde, dachte ich, ſey
es einerlei, ob ich oder ein anderer den Leuten die
chriſtliche Glaubens- und Sittenlehre predige; und
mir war es um ſo mehr einerlei, da ich von dem,
was ich vortrug, wenig oder gar nichts glaubte.
Ich behandelte das Predigtamt, wie ein Handwerk,
bei dem man ſich aller kleinen Vortheile und Kunſt-
griffe bedienen duͤrfte. So dachte und handelte ich,
und ſo denken und handeln, wie mich duͤnkt, jetzt
die mehreſten!

Ich begab mich nach Darmſtadt, und glaubte,
da ich die Hand des Landgrafen hatte, daß meine
Anſtellung keine weitere Schwierigkeit haben koͤnnte.
Allein wie kann der Menſch ſich truͤgen! — Der
Superintendent Olf und der Rektor Wenk hatten
ein anderes Subjekt im Sinne, welches ein gewiſſer
Kandidat Zimmermann war. Dieſer hatte ſich,
auſſer andern ſchoͤnen Kuͤnſten, auch im Verſificiren
geuͤbt und durch gereimte und ungereimte Gratula-
tionen bei den vornehmern Darmſtaͤdtern in große
Gunſt geſetzt. Der Superintendent verlangte daher,
daß ich mich erſt pro re ſcholaſtica, wie er ſich
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[333/0347] zu Fuße zu gehen, die Poſtillen meiner Vorgaͤnger und Vorreiter, ganz bequem und erbaulich. Unter andern Bruͤcken dieſes Bequemern Apoſtoliſirens, haben mir die Dispiſitionen des Doktor Muͤnters viel Dienſte geleiſtet. Im Grunde, dachte ich, ſey es einerlei, ob ich oder ein anderer den Leuten die chriſtliche Glaubens- und Sittenlehre predige; und mir war es um ſo mehr einerlei, da ich von dem, was ich vortrug, wenig oder gar nichts glaubte. Ich behandelte das Predigtamt, wie ein Handwerk, bei dem man ſich aller kleinen Vortheile und Kunſt- griffe bedienen duͤrfte. So dachte und handelte ich, und ſo denken und handeln, wie mich duͤnkt, jetzt die mehreſten! Ich begab mich nach Darmſtadt, und glaubte, da ich die Hand des Landgrafen hatte, daß meine Anſtellung keine weitere Schwierigkeit haben koͤnnte. Allein wie kann der Menſch ſich truͤgen! — Der Superintendent Olf und der Rektor Wenk hatten ein anderes Subjekt im Sinne, welches ein gewiſſer Kandidat Zimmermann war. Dieſer hatte ſich, auſſer andern ſchoͤnen Kuͤnſten, auch im Verſificiren geuͤbt und durch gereimte und ungereimte Gratula- tionen bei den vornehmern Darmſtaͤdtern in große Gunſt geſetzt. Der Superintendent verlangte daher, daß ich mich erſt pro re ſcholaſtica, wie er ſich ausdruͤckte, examiniren laſſen muͤßte. — Ich un-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/347>, abgerufen am 26.04.2024.