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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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nünftig zu erklären. Allein er erklärte mir gerade
heraus: diese Historien litten gar keine vernünftige
Erklärung: man müsse sie stehen lassen: sie enthiel-
ten ja keine Glaubensartikel, so wenig überhaupt
Glaubensartikel in einem geschriebenen Buche stehen
und geschriebene Autorität haben könnten. Ich be-
stand aber auf meiner Behauptung, daß, wenn ge-
wisse Wunder, z. B. die Auferstehung Jesu wegfie-
len, auch der Grund der Religion wegfiele, da die
Apostel ihren einzigen Beweis von daher genommen
hätten. "Was wollen Sie damit sagen? -- er-
wiederte Herr Semler mit Hitze, --" die Apostel
nehmen ihren Beweis von Jesu Religion aus seinen
Wundern? das war ja sehr natürlich! woher, um
Gottes Willen, sollten sie ihn denn sonst nehmen,
bei einem Volke, das Wunder über Wunder haben
mußte und wollte? Hat das aber bei uns auch noch
statt? Können wir aus der Uebereinstimmung unse-
rer Vernunft mit Jesu Religion nicht Beweis genug
für uns finden, daß er ein Gesandter Gottes war?
Ist seine Sittenlehre nicht gut? ist sein moralisches
ewiges Leben nicht wünschenswerth? -- Und was
gut und wünschenswerth ist, muß doch wohl ver-
nünftig und wahr seyn?" Ich wendete ein: daß
auf diese Art das Neue Testament gar keine eige-
ne Autorität behalte, keine Offenbarung sey, und
daß folglich der Deist recht habe, wenn er mit Hin-

nuͤnftig zu erklaͤren. Allein er erklaͤrte mir gerade
heraus: dieſe Hiſtorien litten gar keine vernuͤnftige
Erklaͤrung: man muͤſſe ſie ſtehen laſſen: ſie enthiel-
ten ja keine Glaubensartikel, ſo wenig uͤberhaupt
Glaubensartikel in einem geſchriebenen Buche ſtehen
und geſchriebene Autoritaͤt haben koͤnnten. Ich be-
ſtand aber auf meiner Behauptung, daß, wenn ge-
wiſſe Wunder, z. B. die Auferſtehung Jeſu wegfie-
len, auch der Grund der Religion wegfiele, da die
Apoſtel ihren einzigen Beweis von daher genommen
haͤtten. „Was wollen Sie damit ſagen? — er-
wiederte Herr Semler mit Hitze, —“ die Apoſtel
nehmen ihren Beweis von Jeſu Religion aus ſeinen
Wundern? das war ja ſehr natuͤrlich! woher, um
Gottes Willen, ſollten ſie ihn denn ſonſt nehmen,
bei einem Volke, das Wunder uͤber Wunder haben
mußte und wollte? Hat das aber bei uns auch noch
ſtatt? Koͤnnen wir aus der Uebereinſtimmung unſe-
rer Vernunft mit Jeſu Religion nicht Beweis genug
fuͤr uns finden, daß er ein Geſandter Gottes war?
Iſt ſeine Sittenlehre nicht gut? iſt ſein moraliſches
ewiges Leben nicht wuͤnſchenswerth? — Und was
gut und wuͤnſchenswerth iſt, muß doch wohl ver-
nuͤnftig und wahr ſeyn?“ Ich wendete ein: daß
auf dieſe Art das Neue Teſtament gar keine eige-
ne Autoritaͤt behalte, keine Offenbarung ſey, und
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[101/0103] nuͤnftig zu erklaͤren. Allein er erklaͤrte mir gerade heraus: dieſe Hiſtorien litten gar keine vernuͤnftige Erklaͤrung: man muͤſſe ſie ſtehen laſſen: ſie enthiel- ten ja keine Glaubensartikel, ſo wenig uͤberhaupt Glaubensartikel in einem geſchriebenen Buche ſtehen und geſchriebene Autoritaͤt haben koͤnnten. Ich be- ſtand aber auf meiner Behauptung, daß, wenn ge- wiſſe Wunder, z. B. die Auferſtehung Jeſu wegfie- len, auch der Grund der Religion wegfiele, da die Apoſtel ihren einzigen Beweis von daher genommen haͤtten. „Was wollen Sie damit ſagen? — er- wiederte Herr Semler mit Hitze, —“ die Apoſtel nehmen ihren Beweis von Jeſu Religion aus ſeinen Wundern? das war ja ſehr natuͤrlich! woher, um Gottes Willen, ſollten ſie ihn denn ſonſt nehmen, bei einem Volke, das Wunder uͤber Wunder haben mußte und wollte? Hat das aber bei uns auch noch ſtatt? Koͤnnen wir aus der Uebereinſtimmung unſe- rer Vernunft mit Jeſu Religion nicht Beweis genug fuͤr uns finden, daß er ein Geſandter Gottes war? Iſt ſeine Sittenlehre nicht gut? iſt ſein moraliſches ewiges Leben nicht wuͤnſchenswerth? — Und was gut und wuͤnſchenswerth iſt, muß doch wohl ver- nuͤnftig und wahr ſeyn?“ Ich wendete ein: daß auf dieſe Art das Neue Teſtament gar keine eige- ne Autoritaͤt behalte, keine Offenbarung ſey, und daß folglich der Deiſt recht habe, wenn er mit Hin-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/103>, abgerufen am 30.04.2024.