rath nicht weiter beistehen. Aber der Pastor Neu- ner war noch übrig. An diesen schrieb ich einen Ellen langen lateinischen Brief, und bat um Aus- kunft. Seine Antwort war nicht sehr erfreulich: es hieß: daß ich in der Pfalz zu viel Feinde hätte, um auf eine Versorgung rechnen zu können. Jedoch würde mein Uebertritt zur katholischen Kirche viele meiner Feinde mit mir wieder aussöhnen. Ich be- suchte also gleich den Herrn Neuner selbst, muste aber da eine scharfe Strafpredigt wegen meiner Atheisterei -- so nennen diese Leute gemeiniglich alle freiere Urtheile über Religionssachen -- anhören. Ich erwiederte: daß ein Protestant, als solcher, nichts anders seyn könnte, als entweder ein Freigeist, oder ein Dumkopf. Diesen Satz hatte ich aus Pater Neumeyers Buch aufgefangen. Ein Protestant, sagte ich, ist ein Christ; aber ohne Fundament. Er nimmt die Bibel als göttlich an, welche doch ohne das Zeugniß der Kirche kein Ansehen haben kann. Der heil. Augustin sage ja selbst: er würde dem Evangelium nicht glauben, wenn ihn nicht das An- sehen der Kirche dazu bestimmte c). Hierzu kom-
c) Auch Hieronymus sagte: Soviel Abschriften soviel Originale! -- Es muß also mit den Kri- terien für die Aechtheit der Evangelien im vierten Jahrhunderte sehr mißlich ausgesehen haben. Und nun im Achtzehnten? --
rath nicht weiter beiſtehen. Aber der Paſtor Neu- ner war noch uͤbrig. An dieſen ſchrieb ich einen Ellen langen lateiniſchen Brief, und bat um Aus- kunft. Seine Antwort war nicht ſehr erfreulich: es hieß: daß ich in der Pfalz zu viel Feinde haͤtte, um auf eine Verſorgung rechnen zu koͤnnen. Jedoch wuͤrde mein Uebertritt zur katholiſchen Kirche viele meiner Feinde mit mir wieder ausſoͤhnen. Ich be- ſuchte alſo gleich den Herrn Neuner ſelbſt, muſte aber da eine ſcharfe Strafpredigt wegen meiner Atheiſterei — ſo nennen dieſe Leute gemeiniglich alle freiere Urtheile uͤber Religionsſachen — anhoͤren. Ich erwiederte: daß ein Proteſtant, als ſolcher, nichts anders ſeyn koͤnnte, als entweder ein Freigeiſt, oder ein Dumkopf. Dieſen Satz hatte ich aus Pater Neumeyers Buch aufgefangen. Ein Proteſtant, ſagte ich, iſt ein Chriſt; aber ohne Fundament. Er nimmt die Bibel als goͤttlich an, welche doch ohne das Zeugniß der Kirche kein Anſehen haben kann. Der heil. Auguſtin ſage ja ſelbſt: er wuͤrde dem Evangelium nicht glauben, wenn ihn nicht das An- ſehen der Kirche dazu beſtimmte c). Hierzu kom-
c) Auch Hieronymus ſagte: Soviel Abſchriften ſoviel Originale! — Es muß alſo mit den Kri- terien fuͤr die Aechtheit der Evangelien im vierten Jahrhunderte ſehr mißlich ausgeſehen haben. Und nun im Achtzehnten? —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"n="18"/>
rath nicht weiter beiſtehen. Aber der Paſtor <hirendition="#g">Neu</hi>-<lb/><hirendition="#g">ner</hi> war noch uͤbrig. An dieſen ſchrieb ich einen<lb/>
Ellen langen lateiniſchen Brief, und bat um Aus-<lb/>
kunft. Seine Antwort war nicht ſehr erfreulich: es<lb/>
hieß: daß ich in der Pfalz zu viel Feinde haͤtte, um<lb/>
auf eine Verſorgung rechnen zu koͤnnen. Jedoch<lb/>
wuͤrde mein Uebertritt zur katholiſchen Kirche viele<lb/>
meiner Feinde mit mir wieder ausſoͤhnen. Ich be-<lb/>ſuchte alſo gleich den Herrn Neuner ſelbſt, muſte<lb/>
aber da eine ſcharfe Strafpredigt wegen meiner<lb/>
Atheiſterei —ſo nennen dieſe Leute gemeiniglich alle<lb/>
freiere Urtheile uͤber Religionsſachen — anhoͤren.<lb/>
Ich erwiederte: daß ein Proteſtant, als ſolcher,<lb/>
nichts anders ſeyn koͤnnte, als entweder ein Freigeiſt,<lb/>
oder ein Dumkopf. Dieſen Satz hatte ich aus Pater<lb/><hirendition="#g">Neumeyers</hi> Buch aufgefangen. Ein Proteſtant,<lb/>ſagte ich, iſt ein Chriſt; aber ohne Fundament. Er<lb/>
nimmt die Bibel als goͤttlich an, welche doch ohne<lb/>
das Zeugniß der Kirche kein Anſehen haben kann.<lb/>
Der heil. Auguſtin ſage ja ſelbſt: er wuͤrde dem<lb/>
Evangelium nicht glauben, wenn ihn nicht das An-<lb/>ſehen der Kirche dazu beſtimmte <noteplace="foot"n="c)">Auch <hirendition="#g">Hieronymus</hi>ſagte: <hirendition="#g">Soviel Abſchriften<lb/>ſoviel Originale</hi>! — Es muß alſo mit den Kri-<lb/>
terien fuͤr die Aechtheit der Evangelien im <hirendition="#g">vierten</hi><lb/>
Jahrhunderte ſehr mißlich ausgeſehen haben. Und nun<lb/>
im <hirendition="#g">Achtzehnten</hi>? —</note>. Hierzu kom-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0020]
rath nicht weiter beiſtehen. Aber der Paſtor Neu-
ner war noch uͤbrig. An dieſen ſchrieb ich einen
Ellen langen lateiniſchen Brief, und bat um Aus-
kunft. Seine Antwort war nicht ſehr erfreulich: es
hieß: daß ich in der Pfalz zu viel Feinde haͤtte, um
auf eine Verſorgung rechnen zu koͤnnen. Jedoch
wuͤrde mein Uebertritt zur katholiſchen Kirche viele
meiner Feinde mit mir wieder ausſoͤhnen. Ich be-
ſuchte alſo gleich den Herrn Neuner ſelbſt, muſte
aber da eine ſcharfe Strafpredigt wegen meiner
Atheiſterei — ſo nennen dieſe Leute gemeiniglich alle
freiere Urtheile uͤber Religionsſachen — anhoͤren.
Ich erwiederte: daß ein Proteſtant, als ſolcher,
nichts anders ſeyn koͤnnte, als entweder ein Freigeiſt,
oder ein Dumkopf. Dieſen Satz hatte ich aus Pater
Neumeyers Buch aufgefangen. Ein Proteſtant,
ſagte ich, iſt ein Chriſt; aber ohne Fundament. Er
nimmt die Bibel als goͤttlich an, welche doch ohne
das Zeugniß der Kirche kein Anſehen haben kann.
Der heil. Auguſtin ſage ja ſelbſt: er wuͤrde dem
Evangelium nicht glauben, wenn ihn nicht das An-
ſehen der Kirche dazu beſtimmte c). Hierzu kom-
c) Auch Hieronymus ſagte: Soviel Abſchriften
ſoviel Originale! — Es muß alſo mit den Kri-
terien fuͤr die Aechtheit der Evangelien im vierten
Jahrhunderte ſehr mißlich ausgeſehen haben. Und nun
im Achtzehnten? —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/20>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.