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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Meine Schulden häuften sich also von Tag zu
Tag, und ich sahe weiter kein Mittel, mich zu ret-
ten, als auf das Versprechen meines Bruders zu
rechnen, der meine Umstände kannte, und wußte,
wie mir zu helfen war. Dieser war im Herbste
nach Hause abgegangen und hatte mir wie eidlich
versprochen, gleich nach seiner Ankunft unsern Vater
dahin zu bewegen, daß, außer 40 Rthlr. zur Til-
gung seiner Schulden, ich noch 100 Rthlr zur Til-
gung der meinigen erhalten sollte. Wie er Wort
gehalten habe, wollen wir gleich sehen, so leid es
mir auch thut, meinen Bruder der Welt als einen
schlechten Menschen darzustellen. Ich kann aber
einmal nicht anders: es ist gar zu nöthig zum Ver-
ständniß der folgenden Katastrophe.

Mein Bruder war schon lange fort, ehe er
oder der Vater schrieb: endlich schrieb der letztere,
und sein Brief war -- kalt. Er enthielt viel höfliche
Vorwürfe, und spielte auf Dinge an, welche ihm
wohl niemand konnte berichtet haben, als eben mein
Bruder. So wußte er zum Beispiel von meiner
Liebelei und von meinem Skandal im Hause des Ein-
nehmers zu Reideburg. Doch fügte er hinzu: er
würde mir noch einmal Geld schicken, ich sollte aber
einen bessern Gebrauch davon machen, als von dem,
das er mir sonst geschickt hätte: es wäre doch wahr-
lich einmal die höchste Zeit, klug zu werden. --

Meine Schulden haͤuften ſich alſo von Tag zu
Tag, und ich ſahe weiter kein Mittel, mich zu ret-
ten, als auf das Verſprechen meines Bruders zu
rechnen, der meine Umſtaͤnde kannte, und wußte,
wie mir zu helfen war. Dieſer war im Herbſte
nach Hauſe abgegangen und hatte mir wie eidlich
verſprochen, gleich nach ſeiner Ankunft unſern Vater
dahin zu bewegen, daß, außer 40 Rthlr. zur Til-
gung ſeiner Schulden, ich noch 100 Rthlr zur Til-
gung der meinigen erhalten ſollte. Wie er Wort
gehalten habe, wollen wir gleich ſehen, ſo leid es
mir auch thut, meinen Bruder der Welt als einen
ſchlechten Menſchen darzuſtellen. Ich kann aber
einmal nicht anders: es iſt gar zu noͤthig zum Ver-
ſtaͤndniß der folgenden Kataſtrophe.

Mein Bruder war ſchon lange fort, ehe er
oder der Vater ſchrieb: endlich ſchrieb der letztere,
und ſein Brief war — kalt. Er enthielt viel hoͤfliche
Vorwuͤrfe, und ſpielte auf Dinge an, welche ihm
wohl niemand konnte berichtet haben, als eben mein
Bruder. So wußte er zum Beiſpiel von meiner
Liebelei und von meinem Skandal im Hauſe des Ein-
nehmers zu Reideburg. Doch fuͤgte er hinzu: er
wuͤrde mir noch einmal Geld ſchicken, ich ſollte aber
einen beſſern Gebrauch davon machen, als von dem,
das er mir ſonſt geſchickt haͤtte: es waͤre doch wahr-
lich einmal die hoͤchſte Zeit, klug zu werden. —

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[231/0233] Meine Schulden haͤuften ſich alſo von Tag zu Tag, und ich ſahe weiter kein Mittel, mich zu ret- ten, als auf das Verſprechen meines Bruders zu rechnen, der meine Umſtaͤnde kannte, und wußte, wie mir zu helfen war. Dieſer war im Herbſte nach Hauſe abgegangen und hatte mir wie eidlich verſprochen, gleich nach ſeiner Ankunft unſern Vater dahin zu bewegen, daß, außer 40 Rthlr. zur Til- gung ſeiner Schulden, ich noch 100 Rthlr zur Til- gung der meinigen erhalten ſollte. Wie er Wort gehalten habe, wollen wir gleich ſehen, ſo leid es mir auch thut, meinen Bruder der Welt als einen ſchlechten Menſchen darzuſtellen. Ich kann aber einmal nicht anders: es iſt gar zu noͤthig zum Ver- ſtaͤndniß der folgenden Kataſtrophe. Mein Bruder war ſchon lange fort, ehe er oder der Vater ſchrieb: endlich ſchrieb der letztere, und ſein Brief war — kalt. Er enthielt viel hoͤfliche Vorwuͤrfe, und ſpielte auf Dinge an, welche ihm wohl niemand konnte berichtet haben, als eben mein Bruder. So wußte er zum Beiſpiel von meiner Liebelei und von meinem Skandal im Hauſe des Ein- nehmers zu Reideburg. Doch fuͤgte er hinzu: er wuͤrde mir noch einmal Geld ſchicken, ich ſollte aber einen beſſern Gebrauch davon machen, als von dem, das er mir ſonſt geſchickt haͤtte: es waͤre doch wahr- lich einmal die hoͤchſte Zeit, klug zu werden. —

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/233>, abgerufen am 29.04.2024.