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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Werkchen zu nennen, ich bin gewiß, der vorhin
angeführte Verdacht würde sich selbst zernichten.
Schade! daß der gute Mann sich im Gefängniß zu-
viel Stoicismus eigen gemacht hat, um sich nirgend
auf- oder vorzudrängen.

Die vielen und mannigfaltigen Kenntnisse, wel-
che er troz allem pfaffischen Druck der Klöster, und
troz der fürchterlichen Unterrichtsmethode der Jesui-
ten und Franciskaner, blos durch eignen verstohlnen
Fleiß, der freilich von heißer Lernbegierde unterstüzt
wurde, erwarb, machten mir ihn eben so schätzbar,
als seine unveränderliche Anhänglichkeit an allem,
was liberal, edel und recht ist. In seinem Umgang
hätte ich bald ein guter Mensch werden können,
wenn die Krankheit bei mir nicht zu tief eingewur-
zelt gewesen wäre, und wenn nicht Jahre, viele
Jahre erfordert würden, solche ulcera inveterata zu
heilen. Daß ich aber bei ihm in manchen Kenntnis-
sen weiter gekommen bin, bekenne ich mit Dank.
Oft hat es mich gewundert, warum Herr Bispink,
der doch unsern hiesigen Gelehrten, durch sein öfteres
Disputiren bei Semler, Eberhard und Nie-
meyer, von der vortheilhaftesten Seite bekannt
war, und um dessen willen der verstorbene Basedow
sich dreimal hieher begeben hatte, um ihn zu seinem
Mitarbeiter anzuwerben, nicht als Schulmann auf

Zweiter Theil. Bb

Werkchen zu nennen, ich bin gewiß, der vorhin
angefuͤhrte Verdacht wuͤrde ſich ſelbſt zernichten.
Schade! daß der gute Mann ſich im Gefaͤngniß zu-
viel Stoicismus eigen gemacht hat, um ſich nirgend
auf- oder vorzudraͤngen.

Die vielen und mannigfaltigen Kenntniſſe, wel-
che er troz allem pfaffiſchen Druck der Kloͤſter, und
troz der fuͤrchterlichen Unterrichtsmethode der Jeſui-
ten und Franciskaner, blos durch eignen verſtohlnen
Fleiß, der freilich von heißer Lernbegierde unterſtuͤzt
wurde, erwarb, machten mir ihn eben ſo ſchaͤtzbar,
als ſeine unveraͤnderliche Anhaͤnglichkeit an allem,
was liberal, edel und recht iſt. In ſeinem Umgang
haͤtte ich bald ein guter Menſch werden koͤnnen,
wenn die Krankheit bei mir nicht zu tief eingewur-
zelt geweſen waͤre, und wenn nicht Jahre, viele
Jahre erfordert wuͤrden, ſolche ulcera inveterata zu
heilen. Daß ich aber bei ihm in manchen Kenntniſ-
ſen weiter gekommen bin, bekenne ich mit Dank.
Oft hat es mich gewundert, warum Herr Bispink,
der doch unſern hieſigen Gelehrten, durch ſein oͤfteres
Diſputiren bei Semler, Eberhard und Nie-
meyer, von der vortheilhafteſten Seite bekannt
war, und um deſſen willen der verſtorbene Baſedow
ſich dreimal hieher begeben hatte, um ihn zu ſeinem
Mitarbeiter anzuwerben, nicht als Schulmann auf

Zweiter Theil. Bb
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[375[377]/0379] Werkchen zu nennen, ich bin gewiß, der vorhin angefuͤhrte Verdacht wuͤrde ſich ſelbſt zernichten. Schade! daß der gute Mann ſich im Gefaͤngniß zu- viel Stoicismus eigen gemacht hat, um ſich nirgend auf- oder vorzudraͤngen. Die vielen und mannigfaltigen Kenntniſſe, wel- che er troz allem pfaffiſchen Druck der Kloͤſter, und troz der fuͤrchterlichen Unterrichtsmethode der Jeſui- ten und Franciskaner, blos durch eignen verſtohlnen Fleiß, der freilich von heißer Lernbegierde unterſtuͤzt wurde, erwarb, machten mir ihn eben ſo ſchaͤtzbar, als ſeine unveraͤnderliche Anhaͤnglichkeit an allem, was liberal, edel und recht iſt. In ſeinem Umgang haͤtte ich bald ein guter Menſch werden koͤnnen, wenn die Krankheit bei mir nicht zu tief eingewur- zelt geweſen waͤre, und wenn nicht Jahre, viele Jahre erfordert wuͤrden, ſolche ulcera inveterata zu heilen. Daß ich aber bei ihm in manchen Kenntniſ- ſen weiter gekommen bin, bekenne ich mit Dank. Oft hat es mich gewundert, warum Herr Bispink, der doch unſern hieſigen Gelehrten, durch ſein oͤfteres Diſputiren bei Semler, Eberhard und Nie- meyer, von der vortheilhafteſten Seite bekannt war, und um deſſen willen der verſtorbene Baſedow ſich dreimal hieher begeben hatte, um ihn zu ſeinem Mitarbeiter anzuwerben, nicht als Schulmann auf Zweiter Theil. Bb

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 375[377]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/379>, abgerufen am 29.04.2024.