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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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päpstlicher Legat, welcher meistentheils ein Kar-
dinal, war, und die ganze Landschaft, so wie das
Comtat verwaltete. Auch war hier viel Adel und
eine sehr zahlreiche Klerisey. Zu Anfange der Re-
volution beschloß Avignon, sich mit Frankreich zu
vereinigen; aber der Papst hatte hier noch viel An-
hänger, und so entstanden einige sehr blutige Auf-
tritte, wobey von beyden Seiten die abscheulichste
Barbarey verübt wurde. Der Vicelegat rettete sich
nur noch mit Mühe, und mehrere von seinen Be-
dienten wurden von dem rasenden Pöbel ermordet
-- wieder zum Beweise: daß die positive Sinn-
und Phantasie-Religion das nicht ist, worauf ein
Staat seine Sicherheit zuverläßig berechnen kann.
Denn wer hängt der positiven Religion mehr an,
als der Pöbel, und wer in Frankreich war grausa-
mer, als er? -- Alles Positive hat nämlich keinen
festen Grund, indem ihn nicht einmal das hat, wor-
aus das Positive so oder so geglaubt wird -- die
Bibel -- und wenn man's durch dicta probantia u.
dgl. noch so scheinbarfest blokirt. Der Mensch, auch
der gemeinste, ist für Wahrheit und Recht ge-
macht. Für beyde hat jeder einen immer horchenden
Sinn. Tritt nun jemand auf, der diesen Sinn gerade
und ehrlich zu treffen weiß, so stürzt das Entgegen-
gesezte, und der Betrogne zürnt jezt um so unver-
söhnlicher, je schändlicher er sich misbraucht sieht;

paͤpſtlicher Legat, welcher meiſtentheils ein Kar-
dinal, war, und die ganze Landſchaft, ſo wie das
Comtat verwaltete. Auch war hier viel Adel und
eine ſehr zahlreiche Kleriſey. Zu Anfange der Re-
volution beſchloß Avignon, ſich mit Frankreich zu
vereinigen; aber der Papſt hatte hier noch viel An-
haͤnger, und ſo entſtanden einige ſehr blutige Auf-
tritte, wobey von beyden Seiten die abſcheulichſte
Barbarey veruͤbt wurde. Der Vicelegat rettete ſich
nur noch mit Muͤhe, und mehrere von ſeinen Be-
dienten wurden von dem raſenden Poͤbel ermordet
— wieder zum Beweiſe: daß die poſitive Sinn-
und Phantaſie-Religion das nicht iſt, worauf ein
Staat ſeine Sicherheit zuverlaͤßig berechnen kann.
Denn wer haͤngt der poſitiven Religion mehr an,
als der Poͤbel, und wer in Frankreich war grauſa-
mer, als er? — Alles Poſitive hat naͤmlich keinen
feſten Grund, indem ihn nicht einmal das hat, wor-
aus das Poſitive ſo oder ſo geglaubt wird — die
Bibel — und wenn man's durch dicta probantia u.
dgl. noch ſo ſcheinbarfeſt blokirt. Der Menſch, auch
der gemeinſte, iſt fuͤr Wahrheit und Recht ge-
macht. Fuͤr beyde hat jeder einen immer horchenden
Sinn. Tritt nun jemand auf, der dieſen Sinn gerade
und ehrlich zu treffen weiß, ſo ſtuͤrzt das Entgegen-
geſezte, und der Betrogne zuͤrnt jezt um ſo unver-
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[392/0396] paͤpſtlicher Legat, welcher meiſtentheils ein Kar- dinal, war, und die ganze Landſchaft, ſo wie das Comtat verwaltete. Auch war hier viel Adel und eine ſehr zahlreiche Kleriſey. Zu Anfange der Re- volution beſchloß Avignon, ſich mit Frankreich zu vereinigen; aber der Papſt hatte hier noch viel An- haͤnger, und ſo entſtanden einige ſehr blutige Auf- tritte, wobey von beyden Seiten die abſcheulichſte Barbarey veruͤbt wurde. Der Vicelegat rettete ſich nur noch mit Muͤhe, und mehrere von ſeinen Be- dienten wurden von dem raſenden Poͤbel ermordet — wieder zum Beweiſe: daß die poſitive Sinn- und Phantaſie-Religion das nicht iſt, worauf ein Staat ſeine Sicherheit zuverlaͤßig berechnen kann. Denn wer haͤngt der poſitiven Religion mehr an, als der Poͤbel, und wer in Frankreich war grauſa- mer, als er? — Alles Poſitive hat naͤmlich keinen feſten Grund, indem ihn nicht einmal das hat, wor- aus das Poſitive ſo oder ſo geglaubt wird — die Bibel — und wenn man's durch dicta probantia u. dgl. noch ſo ſcheinbarfeſt blokirt. Der Menſch, auch der gemeinſte, iſt fuͤr Wahrheit und Recht ge- macht. Fuͤr beyde hat jeder einen immer horchenden Sinn. Tritt nun jemand auf, der dieſen Sinn gerade und ehrlich zu treffen weiß, ſo ſtuͤrzt das Entgegen- geſezte, und der Betrogne zuͤrnt jezt um ſo unver- ſoͤhnlicher, je ſchaͤndlicher er ſich misbraucht ſieht;

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/396>, abgerufen am 29.04.2024.