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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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an Kriegskosten das ersparen könnte, was die De-
sertöre ihr beym Eintreffen kosteten. Diese Vor-
aussetzung war aber zu sehr gegen den Geist der da-
maligen Zeit und der feindlichen Heere, als daß sie
zur Wirklichkeit hätte kommen können. Sie kam
auch nie, jener Berechnung gemäß, ganz dahin,
wohl aber nach und nach großentheils; und die
Nation gab anfangs, was sie versprochen hatte,
pünktlich. Aber Leute, die sich so betrugen, wie
die Deserteurs in Frankreich, -- konnten auch gar
nicht erwarten, daß man ihnen die versprochnen
Wohlthaten forthin noch so reichen sollte, wie man
sie ihnen versprochen hatte. Freilich mußte der
Unschuldige mit dem Schuldigen leiden: aber wie
sollte man unter einem Haufen solcher Erzschufte
den braven redlichen Mann gleich heraus finden!
Wer sich selbst herausfand, genoß der Gunst der
Nation, war angesehen und geehrt, und seine La-
ge war sehr erträglich.

Indessen wurde, sobald der Deserteur der Hülfe
der Nation wirklich bedurfte, kein Unterschied mehr
gemacht, ob er ein Schuft oder ein rechtschaffner
Mann war. Der kranke Deserteur wurde eben so
im Hospital gewartet und verpflegt, wie der beste
französische Volontär oder Offizier: denn in Frank-
reich gilt blos der Mensch, und so wurde er
blos als Mensch behandelt, der den Beystand seiner

an Kriegskoſten das erſparen koͤnnte, was die De-
ſertoͤre ihr beym Eintreffen koſteten. Dieſe Vor-
ausſetzung war aber zu ſehr gegen den Geiſt der da-
maligen Zeit und der feindlichen Heere, als daß ſie
zur Wirklichkeit haͤtte kommen koͤnnen. Sie kam
auch nie, jener Berechnung gemaͤß, ganz dahin,
wohl aber nach und nach großentheils; und die
Nation gab anfangs, was ſie verſprochen hatte,
puͤnktlich. Aber Leute, die ſich ſo betrugen, wie
die Deſerteurs in Frankreich, — konnten auch gar
nicht erwarten, daß man ihnen die verſprochnen
Wohlthaten forthin noch ſo reichen ſollte, wie man
ſie ihnen verſprochen hatte. Freilich mußte der
Unſchuldige mit dem Schuldigen leiden: aber wie
ſollte man unter einem Haufen ſolcher Erzſchufte
den braven redlichen Mann gleich heraus finden!
Wer ſich ſelbſt herausfand, genoß der Gunſt der
Nation, war angeſehen und geehrt, und ſeine La-
ge war ſehr ertraͤglich.

Indeſſen wurde, ſobald der Deſerteur der Huͤlfe
der Nation wirklich bedurfte, kein Unterſchied mehr
gemacht, ob er ein Schuft oder ein rechtſchaffner
Mann war. Der kranke Deſerteur wurde eben ſo
im Hoſpital gewartet und verpflegt, wie der beſte
franzoͤſiſche Volontaͤr oder Offizier: denn in Frank-
reich gilt blos der Menſch, und ſo wurde er
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[416/0420] an Kriegskoſten das erſparen koͤnnte, was die De- ſertoͤre ihr beym Eintreffen koſteten. Dieſe Vor- ausſetzung war aber zu ſehr gegen den Geiſt der da- maligen Zeit und der feindlichen Heere, als daß ſie zur Wirklichkeit haͤtte kommen koͤnnen. Sie kam auch nie, jener Berechnung gemaͤß, ganz dahin, wohl aber nach und nach großentheils; und die Nation gab anfangs, was ſie verſprochen hatte, puͤnktlich. Aber Leute, die ſich ſo betrugen, wie die Deſerteurs in Frankreich, — konnten auch gar nicht erwarten, daß man ihnen die verſprochnen Wohlthaten forthin noch ſo reichen ſollte, wie man ſie ihnen verſprochen hatte. Freilich mußte der Unſchuldige mit dem Schuldigen leiden: aber wie ſollte man unter einem Haufen ſolcher Erzſchufte den braven redlichen Mann gleich heraus finden! Wer ſich ſelbſt herausfand, genoß der Gunſt der Nation, war angeſehen und geehrt, und ſeine La- ge war ſehr ertraͤglich. Indeſſen wurde, ſobald der Deſerteur der Huͤlfe der Nation wirklich bedurfte, kein Unterſchied mehr gemacht, ob er ein Schuft oder ein rechtſchaffner Mann war. Der kranke Deſerteur wurde eben ſo im Hoſpital gewartet und verpflegt, wie der beſte franzoͤſiſche Volontaͤr oder Offizier: denn in Frank- reich gilt blos der Menſch, und ſo wurde er blos als Menſch behandelt, der den Beyſtand ſeiner

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/420>, abgerufen am 28.04.2024.