Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Fraipon war mein unmittelbarer Vorgesezter,
ein Mann von großer Ehrlichkeit, und so gutmü-
thig, daß er keinem Menschen ein böses Wort sagen
[k]onnte, so strenge er sonst darauf hielt, daß im Hospi-
tal alles nach der Vorschrift geschahe. Ich habe
selten einen Mann gesehen, welchem sein Amt
mehr angelegen hätte, als diesem Fraipon. Er
war schon früh um fünf Uhr auf seinem Posten,
durchlief alle Sä[l]e des Tages wohl 6, 8 und mehr-
mal, sah nach der geringsten Kleinigkeit, und gab
jedem Krankenwärter Unterricht in dem, was ihm

Diese Glättlinge nannte man nachher Muscadins.. Eigentlich
aber nannten die Hoflinge und der Adel alles, was zum Volke
gehörte, und zwar zur derben, zerlumpten oder uneleganten Klasse,
die den Hof- und Adels-Druck am tiefsten gefühlt hatte, und
darum beym Ausbruch der Revolution am bittersten auf sie
eindrang, verachtungsweise Sansculottes. Ein Hofschranze
sagte daher einmal zu Dumouriez, daß man ihn und die
übrigen National-Minister bey Hofe Ministres Sansculottes
nenne. "Aber, antwortete Dumouriez, wenn wie Ohne-
Hosen sind, dann wird man desto eher sehen, daß wir Männer sind."
-- Der Name Sansculottes, der nachher zur Gegenverach-
tung als Ehrenname beybehalten wurde, hat weit schrecklichere
Folgen in Frankreich gehabt, als in den Niederlanden der
Schimpfname Gueux oder Bettler. Man muß hiebey bemerken,
daß fast alle Schimpfnamen der Factionen niedrig sind; und
doch ist es fast allemal die vernehmere Parthey, welche sie zur
Bezeugung ihrer Verachtung erfindet. Aber man bemerke nur
auch, daß sie mehrentheils Ursache haben, es zu bereuen. Man
sehe die Denkwürdigkeiten des Gen. Dümouriez,
S. 177 im II Th. Dieß zur Erläuterung über den Namen
Sansculottes für die, welche dessen Ursprung vielleicht noch
nicht wissen.

Fraipon war mein unmittelbarer Vorgeſezter,
ein Mann von großer Ehrlichkeit, und ſo gutmuͤ-
thig, daß er keinem Menſchen ein boͤſes Wort ſagen
[k]onnte, ſo ſtrenge er ſonſt darauf hielt, daß im Hoſpi-
tal alles nach der Vorſchrift geſchahe. Ich habe
ſelten einen Mann geſehen, welchem ſein Amt
mehr angelegen haͤtte, als dieſem Fraipon. Er
war ſchon fruͤh um fuͤnf Uhr auf ſeinem Poſten,
durchlief alle Saͤ[l]e des Tages wohl 6, 8 und mehr-
mal, ſah nach der geringſten Kleinigkeit, und gab
jedem Krankenwaͤrter Unterricht in dem, was ihm

Dieſe Glättlinge nannte man nachher Muscadins.. Eigentlich
aber nannten die Hoflinge und der Adel alles, was zum Volke
gehörte, und zwar zur derben, zerlumpten oder uneleganten Klaſſe,
die den Hof- und Adels-Druck am tiefſten gefühlt hatte, und
darum beym Ausbruch der Revolution am bitterſten auf ſie
eindrang, verachtungsweiſe Sansculottes. Ein Hofſchranze
ſagte daher einmal zu Dumouriez, daß man ihn und die
übrigen National-Miniſter bey Hofe Miniſtres Sansculottes
nenne. „Aber, antwortete Dumouriez, wenn wie Ohne-
Hoſen ſind, dann wird man deſto eher ſehen, daß wir Männer ſind.“
— Der Name Sansculottes, der nachher zur Gegenverach-
tung als Ehrenname beybehalten wurde, hat weit ſchrecklichere
Folgen in Frankreich gehabt, als in den Niederlanden der
Schimpfname Gueux oder Bettler. Man muß hiebey bemerken,
daß faſt alle Schimpfnamen der Factionen niedrig ſind; und
doch iſt es faſt allemal die vernehmere Parthey, welche ſie zur
Bezeugung ihrer Verachtung erfindet. Aber man bemerke nur
auch, daß ſie mehrentheils Urſache haben, es zu bereuen. Man
ſehe die Denkwürdigkeiten des Gen. Dümouriez,
S. 177 im II Th. Dieß zur Erläuterung über den Namen
Sansculottes für die, welche deſſen Urſprung vielleicht noch
nicht wiſſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0448" n="444"/>
        <p><hi rendition="#g">Fraipon</hi> war mein unmittelbarer Vorge&#x017F;ezter,<lb/>
ein Mann von großer Ehrlichkeit, und &#x017F;o gutmu&#x0364;-<lb/>
thig, daß er keinem Men&#x017F;chen ein bo&#x0364;&#x017F;es Wort &#x017F;agen<lb/><supplied>k</supplied>onnte, &#x017F;o &#x017F;trenge er &#x017F;on&#x017F;t darauf hielt, daß im Ho&#x017F;pi-<lb/>
tal alles nach der Vor&#x017F;chrift ge&#x017F;chahe. Ich habe<lb/>
&#x017F;elten einen Mann ge&#x017F;ehen, welchem &#x017F;ein Amt<lb/>
mehr angelegen ha&#x0364;tte, als die&#x017F;em <hi rendition="#g">Fraipon</hi>. Er<lb/>
war &#x017F;chon fru&#x0364;h um fu&#x0364;nf Uhr auf &#x017F;einem Po&#x017F;ten,<lb/>
durchlief alle Sa&#x0364;<supplied>l</supplied>e des Tages wohl 6, 8 und mehr-<lb/>
mal, &#x017F;ah nach der gering&#x017F;ten Kleinigkeit, und gab<lb/>
jedem Krankenwa&#x0364;rter Unterricht in dem, was ihm<lb/><note xml:id="note-0448" prev="#note-0447" place="foot" n="*)">Die&#x017F;e Glättlinge nannte man nachher <hi rendition="#aq">Muscadins.</hi>. Eigentlich<lb/>
aber nannten die Hoflinge und der Adel alles, was zum Volke<lb/>
gehörte, und zwar zur derben, zerlumpten oder uneleganten Kla&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
die den Hof- und Adels-Druck am tief&#x017F;ten gefühlt hatte, und<lb/>
darum beym Ausbruch der Revolution am bitter&#x017F;ten auf &#x017F;ie<lb/>
eindrang, verachtungswei&#x017F;e <hi rendition="#aq">Sansculottes.</hi> Ein Hof&#x017F;chranze<lb/>
&#x017F;agte daher einmal zu <hi rendition="#g">Dumouriez</hi>, daß man ihn und die<lb/>
übrigen National-Mini&#x017F;ter bey Hofe <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;tres Sansculottes</hi><lb/>
nenne. &#x201E;Aber, antwortete <hi rendition="#g">Dumouriez</hi>, wenn wie Ohne-<lb/>
Ho&#x017F;en &#x017F;ind, dann wird man de&#x017F;to eher &#x017F;ehen, daß wir Männer &#x017F;ind.&#x201C;<lb/>
&#x2014; Der Name <hi rendition="#aq">Sansculottes,</hi> der nachher zur Gegenverach-<lb/>
tung als Ehrenname beybehalten wurde, hat weit &#x017F;chrecklichere<lb/>
Folgen in Frankreich gehabt, als in den Niederlanden der<lb/>
Schimpfname <hi rendition="#aq">Gueux</hi> oder Bettler. Man muß hiebey bemerken,<lb/>
daß fa&#x017F;t alle Schimpfnamen der Factionen niedrig &#x017F;ind; und<lb/>
doch i&#x017F;t es fa&#x017F;t allemal die vernehmere Parthey, welche &#x017F;ie zur<lb/>
Bezeugung ihrer Verachtung erfindet. Aber man bemerke nur<lb/>
auch, daß &#x017F;ie mehrentheils Ur&#x017F;ache haben, es zu bereuen. Man<lb/>
&#x017F;ehe die <hi rendition="#g">Denkwürdigkeiten</hi> des Gen. <hi rendition="#g">Dümouriez</hi>,<lb/>
S. 177 im <hi rendition="#aq">II</hi> Th. Dieß zur Erläuterung über den Namen<lb/><hi rendition="#aq">Sansculottes</hi> für die, welche de&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;prung vielleicht noch<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0448] Fraipon war mein unmittelbarer Vorgeſezter, ein Mann von großer Ehrlichkeit, und ſo gutmuͤ- thig, daß er keinem Menſchen ein boͤſes Wort ſagen konnte, ſo ſtrenge er ſonſt darauf hielt, daß im Hoſpi- tal alles nach der Vorſchrift geſchahe. Ich habe ſelten einen Mann geſehen, welchem ſein Amt mehr angelegen haͤtte, als dieſem Fraipon. Er war ſchon fruͤh um fuͤnf Uhr auf ſeinem Poſten, durchlief alle Saͤle des Tages wohl 6, 8 und mehr- mal, ſah nach der geringſten Kleinigkeit, und gab jedem Krankenwaͤrter Unterricht in dem, was ihm *) *) Dieſe Glättlinge nannte man nachher Muscadins.. Eigentlich aber nannten die Hoflinge und der Adel alles, was zum Volke gehörte, und zwar zur derben, zerlumpten oder uneleganten Klaſſe, die den Hof- und Adels-Druck am tiefſten gefühlt hatte, und darum beym Ausbruch der Revolution am bitterſten auf ſie eindrang, verachtungsweiſe Sansculottes. Ein Hofſchranze ſagte daher einmal zu Dumouriez, daß man ihn und die übrigen National-Miniſter bey Hofe Miniſtres Sansculottes nenne. „Aber, antwortete Dumouriez, wenn wie Ohne- Hoſen ſind, dann wird man deſto eher ſehen, daß wir Männer ſind.“ — Der Name Sansculottes, der nachher zur Gegenverach- tung als Ehrenname beybehalten wurde, hat weit ſchrecklichere Folgen in Frankreich gehabt, als in den Niederlanden der Schimpfname Gueux oder Bettler. Man muß hiebey bemerken, daß faſt alle Schimpfnamen der Factionen niedrig ſind; und doch iſt es faſt allemal die vernehmere Parthey, welche ſie zur Bezeugung ihrer Verachtung erfindet. Aber man bemerke nur auch, daß ſie mehrentheils Urſache haben, es zu bereuen. Man ſehe die Denkwürdigkeiten des Gen. Dümouriez, S. 177 im II Th. Dieß zur Erläuterung über den Namen Sansculottes für die, welche deſſen Urſprung vielleicht noch nicht wiſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/448
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/448>, abgerufen am 03.05.2024.