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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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aber den übrigen Unterricht vertraute er einem jun-
gen Geistlichen, welcher bey uns viel galt, und
selbst bey dem Bischof gut gelitten war. Dieser
Mensch gab sich alle Mühe, lehrte mich ein we-
nig Latein, so viel ich nämlich zu meinem Gewerbe
brauchte, und gab mir im Französischen, welches
er in hohem Grade schön sprach und schrieb, vor-
treflichen Unterricht. Vater und Mutter trugen
den Geistlichen, der so für ihren Sohn sorgte, auf
den Händen, mußten ihm aber das wenige Lehr-
geld, das er foderte, beynahe aufdringen. End-
lich zog er gar in unser Haus, und ich mußte bey
ihm auf einer Stube wohnen. Hier aber offen-
barte sich der Schändliche: er muthete mir Dinge
zu, von denen ich gar keinen Begriff hatte, und
es gelang ihm, mich unerfahrnen Knaben bald in
seine Schlinge zu ziehen, und mich zum widerna-
türlichen Werkzeuge seiner Begierden zu gebrauchen.
Ich und der Schwächling waren endlich Ein Herz
und Eine Seele, und es vergingen mehrere Jahre
in diesem schmuzigen Umgang. Ich wuchs indes-
sen heran, und mein Vater schickte mich, so sehr
sich auch mein Lehrer dawider sezte, nach Paris,
um mich daselbst in meiner Kunst festzusezen. Mein
Lehrmeister begleitete mich bis Rheims, und in die-
ser Stadt genoß er zum leztenmal meiner Person.
Mit Thränen schieden wir auseinander.


aber den uͤbrigen Unterricht vertraute er einem jun-
gen Geiſtlichen, welcher bey uns viel galt, und
ſelbſt bey dem Biſchof gut gelitten war. Dieſer
Menſch gab ſich alle Muͤhe, lehrte mich ein we-
nig Latein, ſo viel ich naͤmlich zu meinem Gewerbe
brauchte, und gab mir im Franzoͤſiſchen, welches
er in hohem Grade ſchoͤn ſprach und ſchrieb, vor-
treflichen Unterricht. Vater und Mutter trugen
den Geiſtlichen, der ſo fuͤr ihren Sohn ſorgte, auf
den Haͤnden, mußten ihm aber das wenige Lehr-
geld, das er foderte, beynahe aufdringen. End-
lich zog er gar in unſer Haus, und ich mußte bey
ihm auf einer Stube wohnen. Hier aber offen-
barte ſich der Schaͤndliche: er muthete mir Dinge
zu, von denen ich gar keinen Begriff hatte, und
es gelang ihm, mich unerfahrnen Knaben bald in
ſeine Schlinge zu ziehen, und mich zum widerna-
tuͤrlichen Werkzeuge ſeiner Begierden zu gebrauchen.
Ich und der Schwaͤchling waren endlich Ein Herz
und Eine Seele, und es vergingen mehrere Jahre
in dieſem ſchmuzigen Umgang. Ich wuchs indeſ-
ſen heran, und mein Vater ſchickte mich, ſo ſehr
ſich auch mein Lehrer dawider ſezte, nach Paris,
um mich daſelbſt in meiner Kunſt feſtzuſezen. Mein
Lehrmeiſter begleitete mich bis Rheims, und in die-
ſer Stadt genoß er zum leztenmal meiner Perſon.
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[4/0008] aber den uͤbrigen Unterricht vertraute er einem jun- gen Geiſtlichen, welcher bey uns viel galt, und ſelbſt bey dem Biſchof gut gelitten war. Dieſer Menſch gab ſich alle Muͤhe, lehrte mich ein we- nig Latein, ſo viel ich naͤmlich zu meinem Gewerbe brauchte, und gab mir im Franzoͤſiſchen, welches er in hohem Grade ſchoͤn ſprach und ſchrieb, vor- treflichen Unterricht. Vater und Mutter trugen den Geiſtlichen, der ſo fuͤr ihren Sohn ſorgte, auf den Haͤnden, mußten ihm aber das wenige Lehr- geld, das er foderte, beynahe aufdringen. End- lich zog er gar in unſer Haus, und ich mußte bey ihm auf einer Stube wohnen. Hier aber offen- barte ſich der Schaͤndliche: er muthete mir Dinge zu, von denen ich gar keinen Begriff hatte, und es gelang ihm, mich unerfahrnen Knaben bald in ſeine Schlinge zu ziehen, und mich zum widerna- tuͤrlichen Werkzeuge ſeiner Begierden zu gebrauchen. Ich und der Schwaͤchling waren endlich Ein Herz und Eine Seele, und es vergingen mehrere Jahre in dieſem ſchmuzigen Umgang. Ich wuchs indeſ- ſen heran, und mein Vater ſchickte mich, ſo ſehr ſich auch mein Lehrer dawider ſezte, nach Paris, um mich daſelbſt in meiner Kunſt feſtzuſezen. Mein Lehrmeiſter begleitete mich bis Rheims, und in die- ſer Stadt genoß er zum leztenmal meiner Perſon. Mit Thraͤnen ſchieden wir auseinander.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/8>, abgerufen am 30.04.2024.