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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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In Ketschau traf ich schon Studenten an,
welche sich nach Jenenser Art, mit mir abgaben,
und sogleich Schmollis machten *). Mein
Name war ihnen bekannt. Als ich nach Jena kam,
ging ich sofort aufs Ballhaus zu meinem alten
Kumpan Hoffmann, der ehedem studiert hatte,
jezt aber den Schenkwirth macht. Hier fand ich
einen Haufen fideler Studenten, und nicht lange,
so war ich so fidel als sie. Ich wollte endlich be-
zahlen, was ich verzehrt hatte, aber da hieß es:
"vergißt du denn, Bruder, daß du in Jena bist?"

*) Das Schmollisiren oder Brüderschafttrinken, und die
zuweiligen Tumulte der Studenten in Jena, das und die auf
andern Universitaten nicht mehr so oft und nicht in der Aus-
dehnung und Beschaffenheit vorfallen, wie dort, beweisen, --
um auch ein Wort zu sprechen, wie es wirklich ist -- daß
der alte studentische Dünkel und Gemeingeist, in Rücksicht auf
akademische Freyheit, sich in Jena noch ziemlich lange halte
und bald Feuer fange eben durch die öftern Zusammenkünfte
in den Schenken des nicht großen Jenas. Auch die Tradition
von Wirthen, die ehedem selbst Studenten waren, und auf
ihre studentische Heldenschaft nicht [k]leinlautig pochen mögen,
nebst dein aufgeweckten und mitaufweckenden Wesen der Rhein-
länder, die gewöhnlich in Jena studieren, tragen in der schon
objektivisch-exaltirenden Gegend um Jena, vielleicht nicht
wenig bey zur Fortsetzung von einem Wesen, das der Herzog
von Weimar
sogern ganz gehoben wissen mögte. -- Daß
auch das verha[ß]te Ordenswesen, wovon man in Halle schon
seit sieben Jahren nichts mehr hört; noch in Jena fort-
daure, beweisen die neuerlichen Relegationen, wenn nämlich
die Sache so ist, wie Briefe und [G]er[ü]chte sie in Halle dar-
stellen. Daß übrigens Jena dennoch in mancher andern Rück-
sicht vor mancher andern Universität Vorzüge habe, kann man
nicht läugnen.

In Ketſchau traf ich ſchon Studenten an,
welche ſich nach Jenenſer Art, mit mir abgaben,
und ſogleich Schmollis machten *). Mein
Name war ihnen bekannt. Als ich nach Jena kam,
ging ich ſofort aufs Ballhaus zu meinem alten
Kumpan Hoffmann, der ehedem ſtudiert hatte,
jezt aber den Schenkwirth macht. Hier fand ich
einen Haufen fideler Studenten, und nicht lange,
ſo war ich ſo fidel als ſie. Ich wollte endlich be-
zahlen, was ich verzehrt hatte, aber da hieß es:
„vergißt du denn, Bruder, daß du in Jena biſt?“

*) Das Schmolliſiren oder Brüderſchafttrinken, und die
zuweiligen Tumulte der Studenten in Jena, das und die auf
andern Univerſitaten nicht mehr ſo oft und nicht in der Aus-
dehnung und Beſchaffenheit vorfallen, wie dort, beweiſen, —
um auch ein Wort zu ſprechen, wie es wirklich iſt — daß
der alte ſtudentiſche Dünkel und Gemeingeiſt, in Rückſicht auf
akademiſche Freyheit, ſich in Jena noch ziemlich lange halte
und bald Feuer fange eben durch die oͤftern Zuſammenkünfte
in den Schenken des nicht großen Jenas. Auch die Tradition
von Wirthen, die ehedem ſelbſt Studenten waren, und auf
ihre ſtudentiſche Heldenſchaft nicht [k]leinlautig pochen moͤgen,
nebſt dein aufgeweckten und mitaufweckenden Weſen der Rhein-
länder, die gewoͤhnlich in Jena ſtudieren, tragen in der ſchon
objektiviſch-exaltirenden Gegend um Jena, vielleicht nicht
wenig bey zur Fortſetzung von einem Weſen, das der Herzog
von Weimar
ſogern ganz gehoben wiſſen moͤgte. — Daß
auch das verha[ß]te Ordensweſen, wovon man in Halle ſchon
ſeit ſieben Jahren nichts mehr hoͤrt; noch in Jena fort-
daure, beweiſen die neuerlichen Relegationen, wenn nämlich
die Sache ſo iſt, wie Briefe und [G]er[ü]chte ſie in Halle dar-
ſtellen. Daß übrigens Jena dennoch in mancher andern Rück-
ſicht vor mancher andern Univerſität Vorzüge habe, kann man
nicht läugnen.
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[259/0263] In Ketſchau traf ich ſchon Studenten an, welche ſich nach Jenenſer Art, mit mir abgaben, und ſogleich Schmollis machten *). Mein Name war ihnen bekannt. Als ich nach Jena kam, ging ich ſofort aufs Ballhaus zu meinem alten Kumpan Hoffmann, der ehedem ſtudiert hatte, jezt aber den Schenkwirth macht. Hier fand ich einen Haufen fideler Studenten, und nicht lange, ſo war ich ſo fidel als ſie. Ich wollte endlich be- zahlen, was ich verzehrt hatte, aber da hieß es: „vergißt du denn, Bruder, daß du in Jena biſt?“ *) Das Schmolliſiren oder Brüderſchafttrinken, und die zuweiligen Tumulte der Studenten in Jena, das und die auf andern Univerſitaten nicht mehr ſo oft und nicht in der Aus- dehnung und Beſchaffenheit vorfallen, wie dort, beweiſen, — um auch ein Wort zu ſprechen, wie es wirklich iſt — daß der alte ſtudentiſche Dünkel und Gemeingeiſt, in Rückſicht auf akademiſche Freyheit, ſich in Jena noch ziemlich lange halte und bald Feuer fange eben durch die oͤftern Zuſammenkünfte in den Schenken des nicht großen Jenas. Auch die Tradition von Wirthen, die ehedem ſelbſt Studenten waren, und auf ihre ſtudentiſche Heldenſchaft nicht kleinlautig pochen moͤgen, nebſt dein aufgeweckten und mitaufweckenden Weſen der Rhein- länder, die gewoͤhnlich in Jena ſtudieren, tragen in der ſchon objektiviſch-exaltirenden Gegend um Jena, vielleicht nicht wenig bey zur Fortſetzung von einem Weſen, das der Herzog von Weimar ſogern ganz gehoben wiſſen moͤgte. — Daß auch das verhaßte Ordensweſen, wovon man in Halle ſchon ſeit ſieben Jahren nichts mehr hoͤrt; noch in Jena fort- daure, beweiſen die neuerlichen Relegationen, wenn nämlich die Sache ſo iſt, wie Briefe und Gerüchte ſie in Halle dar- ſtellen. Daß übrigens Jena dennoch in mancher andern Rück- ſicht vor mancher andern Univerſität Vorzüge habe, kann man nicht läugnen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/263>, abgerufen am 29.04.2024.