Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Etwas von den Temperamenten.
schlag gebracht sind. -- Oel z. E. Quecksilber -- Aether, die elektrische Materie, das
magnetische Fluidum. (Mayers Azidum pingue, Schmidts Frostmaterie, Blaks
fixe Luft,
des Abts Fontana Salpeterluft -- als hypothetische Wesen, wenn man will, nicht
einmal gerechnet.) -- Nur drey, vier solcher anderer Elemente -- und wie viel hundert solche kann's
geben, zu denen wir den Namen noch nicht haben. *) -- Nur drey, vier -- wie können, wie müs-
sen sie neue Hauptklassen von Temperamenten geben! -- Und wie unendlich die untergeordneten Mi-
schungen vermannichfaltigen! -- Warum sollte es nicht so gut ein ölichtes Temperament geben,
als ein wässerichtes; ein ätherisches, als ein luftiges -- ein merkurialisches, als ein irrdisches?

Stahls brennbares Grundwesen oder Element der Zähigkeit, wie viel verschiedene Arten
von vorzüglich merkwürdigen Mischungen oder Bestandformen formirt dieß nicht allein? Die ölich-
te, harzigte, gummichte, schleimichte, milchigte, gallertartige, butterigte
oder fette,
käsigte, seifenhafte, wachsartige, kampherartige, zunderigte, phosphorische, hyropho-
rische, schwefelichte, rußige, kohlichte?
Wovon keine mit der andern zu verwechseln, jede ihre
besondern auszeichnenden Eigenschaften und Wirkungen in der Natur und Kunst hat. Die metal-
lische Mischung oder Form, die wohl dazu könnte gerechnet werden, hat allein wieder eine Menge
von wichtigen Unterschiedsarten; und daß Eisentheile im Blute aller Menschen seyn, ist nun längst
vollkommen ausgemacht. Nur Erde z. E. wie mannichfaltige Salze begreift diese in sich; wie we-
nig also ist gesagt, irrdisches Temperament? salziges? da die Salze unter sich verschieden
sind, wie Hitze und Kälte? wie die zwo Hauptgattungen, Sauersalz und Laugensalz, aus de-
nen man alle übrige bestehend oder formirt findet.

Für die Physiognomik also, deucht mich -- und ich glaube auch überhaupt für richtige,
auch medizinische Temperamentskenntniß, könnten wir einen einfachern Weg betreten -- der uns
über die gewöhnlichen Unterscheidungen gewissermaßen hinweg führen, und doch noch zu mehr Un-
terscheidungen Raum geben würde -- vielleicht bestimmbarern Unterscheidungen. --

Wie
*) "Zwar nach den tiefsten Naturforschern und Chy-
"misten sind wenige einfache Kräfte und Elemente zur
"Bewegung und Mischung unzähliger Körper der gan-
"zen Natur genug; je tiefer man alle Werke Gottes be-
[Spaltenumbruch] "obachtend studiert, desto mehr findet man wenige ein-
"fache Mittel, durch die Gott einfältig die mannichfal-
"tigsten formirt, und ausführt; Einheit zur Wurzel von
"Unendlichkeiten des Allmacht." Gedanke eines Freundes.
Phys. Fragm. IV Versuch. X x

Etwas von den Temperamenten.
ſchlag gebracht ſind. — Oel z. E. Queckſilber — Aether, die elektriſche Materie, das
magnetiſche Fluidum. (Mayers Azidum pingue, Schmidts Froſtmaterie, Blaks
fixe Luft,
des Abts Fontana Salpeterluft — als hypothetiſche Weſen, wenn man will, nicht
einmal gerechnet.) — Nur drey, vier ſolcher anderer Elemente — und wie viel hundert ſolche kann’s
geben, zu denen wir den Namen noch nicht haben. *) — Nur drey, vier — wie koͤnnen, wie muͤſ-
ſen ſie neue Hauptklaſſen von Temperamenten geben! — Und wie unendlich die untergeordneten Mi-
ſchungen vermannichfaltigen! — Warum ſollte es nicht ſo gut ein oͤlichtes Temperament geben,
als ein waͤſſerichtes; ein aͤtheriſches, als ein luftiges — ein merkurialiſches, als ein irrdiſches?

Stahls brennbares Grundweſen oder Element der Zaͤhigkeit, wie viel verſchiedene Arten
von vorzuͤglich merkwuͤrdigen Miſchungen oder Beſtandformen formirt dieß nicht allein? Die oͤlich-
te, harzigte, gummichte, ſchleimichte, milchigte, gallertartige, butterigte
oder fette,
kaͤſigte, ſeifenhafte, wachsartige, kampherartige, zunderigte, phosphoriſche, hyropho-
riſche, ſchwefelichte, rußige, kohlichte?
Wovon keine mit der andern zu verwechſeln, jede ihre
beſondern auszeichnenden Eigenſchaften und Wirkungen in der Natur und Kunſt hat. Die metal-
liſche Miſchung oder Form, die wohl dazu koͤnnte gerechnet werden, hat allein wieder eine Menge
von wichtigen Unterſchiedsarten; und daß Eiſentheile im Blute aller Menſchen ſeyn, iſt nun laͤngſt
vollkommen ausgemacht. Nur Erde z. E. wie mannichfaltige Salze begreift dieſe in ſich; wie we-
nig alſo iſt geſagt, irrdiſches Temperament? ſalziges? da die Salze unter ſich verſchieden
ſind, wie Hitze und Kaͤlte? wie die zwo Hauptgattungen, Sauerſalz und Laugenſalz, aus de-
nen man alle uͤbrige beſtehend oder formirt findet.

Fuͤr die Phyſiognomik alſo, deucht mich — und ich glaube auch uͤberhaupt fuͤr richtige,
auch mediziniſche Temperamentskenntniß, koͤnnten wir einen einfachern Weg betreten — der uns
uͤber die gewoͤhnlichen Unterſcheidungen gewiſſermaßen hinweg fuͤhren, und doch noch zu mehr Un-
terſcheidungen Raum geben wuͤrde — vielleicht beſtimmbarern Unterſcheidungen. —

Wie
*) „Zwar nach den tiefſten Naturforſchern und Chy-
„miſten ſind wenige einfache Kraͤfte und Elemente zur
„Bewegung und Miſchung unzaͤhliger Koͤrper der gan-
„zen Natur genug; je tiefer man alle Werke Gottes be-
[Spaltenumbruch] „obachtend ſtudiert, deſto mehr findet man wenige ein-
„fache Mittel, durch die Gott einfaͤltig die mannichfal-
„tigſten formirt, und ausfuͤhrt; Einheit zur Wurzel von
„Unendlichkeiten des Allmacht.“ Gedanke eines Freundes.
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. X x
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0407" n="345"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Etwas von den Temperamenten.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chlag gebracht &#x017F;ind. &#x2014; <hi rendition="#fr">Oel</hi> z. E. <hi rendition="#fr">Queck&#x017F;ilber &#x2014; Aether,</hi> die <hi rendition="#fr">elektri&#x017F;che Materie,</hi> das<lb/><hi rendition="#fr">magneti&#x017F;che Fluidum. (Mayers Azidum pingue, Schmidts Fro&#x017F;tmaterie, Blaks<lb/>
fixe Luft,</hi> des <hi rendition="#fr">Abts Fontana Salpeterluft</hi> &#x2014; als hypotheti&#x017F;che We&#x017F;en, wenn man will, nicht<lb/>
einmal gerechnet.) &#x2014; Nur drey, vier &#x017F;olcher anderer Elemente &#x2014; und wie viel hundert &#x017F;olche kann&#x2019;s<lb/>
geben, zu denen wir den Namen noch nicht haben. <note place="foot" n="*)">&#x201E;Zwar nach den tief&#x017F;ten Naturfor&#x017F;chern und Chy-<lb/>
&#x201E;mi&#x017F;ten &#x017F;ind wenige einfache Kra&#x0364;fte und Elemente zur<lb/>
&#x201E;Bewegung und Mi&#x017F;chung unza&#x0364;hliger Ko&#x0364;rper der gan-<lb/>
&#x201E;zen Natur genug; je tiefer man alle Werke Gottes be-<lb/><cb/>
&#x201E;obachtend &#x017F;tudiert, de&#x017F;to mehr findet man wenige ein-<lb/>
&#x201E;fache Mittel, durch die Gott einfa&#x0364;ltig die mannichfal-<lb/>
&#x201E;tig&#x017F;ten formirt, und ausfu&#x0364;hrt; Einheit zur Wurzel von<lb/>
&#x201E;Unendlichkeiten des Allmacht.&#x201C; Gedanke eines Freundes.</note> &#x2014; Nur drey, vier &#x2014; wie ko&#x0364;nnen, wie mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie neue Hauptkla&#x017F;&#x017F;en von Temperamenten geben! &#x2014; Und wie unendlich die untergeordneten Mi-<lb/>
&#x017F;chungen vermannichfaltigen! &#x2014; Warum &#x017F;ollte es nicht &#x017F;o gut ein o&#x0364;lichtes Temperament geben,<lb/>
als ein wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erichtes; ein a&#x0364;theri&#x017F;ches, als ein luftiges &#x2014; ein merkuriali&#x017F;ches, als ein irrdi&#x017F;ches?</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Stahls</hi> brennbares Grundwe&#x017F;en oder Element der Za&#x0364;higkeit, wie viel ver&#x017F;chiedene Arten<lb/>
von vorzu&#x0364;glich merkwu&#x0364;rdigen Mi&#x017F;chungen oder Be&#x017F;tandformen formirt dieß nicht allein? Die <hi rendition="#fr">o&#x0364;lich-<lb/>
te, harzigte, gummichte, &#x017F;chleimichte, milchigte, gallertartige, butterigte</hi> oder <hi rendition="#fr">fette,<lb/>
ka&#x0364;&#x017F;igte, &#x017F;eifenhafte, wachsartige, kampherartige, zunderigte, phosphori&#x017F;che, hyropho-<lb/>
ri&#x017F;che, &#x017F;chwefelichte, rußige, kohlichte?</hi> Wovon keine mit der andern zu verwech&#x017F;eln, jede ihre<lb/>
be&#x017F;ondern auszeichnenden Eigen&#x017F;chaften und Wirkungen in der Natur und Kun&#x017F;t hat. Die metal-<lb/>
li&#x017F;che Mi&#x017F;chung oder Form, die wohl dazu ko&#x0364;nnte gerechnet werden, hat allein wieder eine Menge<lb/>
von wichtigen Unter&#x017F;chiedsarten; und daß Ei&#x017F;entheile im Blute aller Men&#x017F;chen &#x017F;eyn, i&#x017F;t nun la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
vollkommen ausgemacht. Nur <hi rendition="#fr">Erde</hi> z. E. wie mannichfaltige <hi rendition="#fr">Salze</hi> begreift die&#x017F;e in &#x017F;ich; wie we-<lb/>
nig al&#x017F;o i&#x017F;t ge&#x017F;agt, <hi rendition="#fr">irrdi&#x017F;ches Temperament? &#x017F;alziges?</hi> da die Salze unter &#x017F;ich ver&#x017F;chieden<lb/>
&#x017F;ind, wie Hitze und Ka&#x0364;lte? wie die zwo Hauptgattungen, <hi rendition="#fr">Sauer&#x017F;alz</hi> und <hi rendition="#fr">Laugen&#x017F;alz,</hi> aus de-<lb/>
nen man alle u&#x0364;brige be&#x017F;tehend oder formirt findet.</p><lb/>
            <p>Fu&#x0364;r die Phy&#x017F;iognomik al&#x017F;o, deucht mich &#x2014; und ich glaube auch u&#x0364;berhaupt fu&#x0364;r richtige,<lb/>
auch medizini&#x017F;che Temperamentskenntniß, ko&#x0364;nnten wir einen einfachern Weg betreten &#x2014; der uns<lb/>
u&#x0364;ber die gewo&#x0364;hnlichen Unter&#x017F;cheidungen gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen hinweg fu&#x0364;hren, und doch noch zu mehr Un-<lb/>
ter&#x017F;cheidungen Raum geben wu&#x0364;rde &#x2014; vielleicht be&#x017F;timmbarern Unter&#x017F;cheidungen. &#x2014;</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Phy&#x017F;. Fragm.</hi><hi rendition="#aq">IV</hi><hi rendition="#fr">Ver&#x017F;uch.</hi> X x</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0407] Etwas von den Temperamenten. ſchlag gebracht ſind. — Oel z. E. Queckſilber — Aether, die elektriſche Materie, das magnetiſche Fluidum. (Mayers Azidum pingue, Schmidts Froſtmaterie, Blaks fixe Luft, des Abts Fontana Salpeterluft — als hypothetiſche Weſen, wenn man will, nicht einmal gerechnet.) — Nur drey, vier ſolcher anderer Elemente — und wie viel hundert ſolche kann’s geben, zu denen wir den Namen noch nicht haben. *) — Nur drey, vier — wie koͤnnen, wie muͤſ- ſen ſie neue Hauptklaſſen von Temperamenten geben! — Und wie unendlich die untergeordneten Mi- ſchungen vermannichfaltigen! — Warum ſollte es nicht ſo gut ein oͤlichtes Temperament geben, als ein waͤſſerichtes; ein aͤtheriſches, als ein luftiges — ein merkurialiſches, als ein irrdiſches? Stahls brennbares Grundweſen oder Element der Zaͤhigkeit, wie viel verſchiedene Arten von vorzuͤglich merkwuͤrdigen Miſchungen oder Beſtandformen formirt dieß nicht allein? Die oͤlich- te, harzigte, gummichte, ſchleimichte, milchigte, gallertartige, butterigte oder fette, kaͤſigte, ſeifenhafte, wachsartige, kampherartige, zunderigte, phosphoriſche, hyropho- riſche, ſchwefelichte, rußige, kohlichte? Wovon keine mit der andern zu verwechſeln, jede ihre beſondern auszeichnenden Eigenſchaften und Wirkungen in der Natur und Kunſt hat. Die metal- liſche Miſchung oder Form, die wohl dazu koͤnnte gerechnet werden, hat allein wieder eine Menge von wichtigen Unterſchiedsarten; und daß Eiſentheile im Blute aller Menſchen ſeyn, iſt nun laͤngſt vollkommen ausgemacht. Nur Erde z. E. wie mannichfaltige Salze begreift dieſe in ſich; wie we- nig alſo iſt geſagt, irrdiſches Temperament? ſalziges? da die Salze unter ſich verſchieden ſind, wie Hitze und Kaͤlte? wie die zwo Hauptgattungen, Sauerſalz und Laugenſalz, aus de- nen man alle uͤbrige beſtehend oder formirt findet. Fuͤr die Phyſiognomik alſo, deucht mich — und ich glaube auch uͤberhaupt fuͤr richtige, auch mediziniſche Temperamentskenntniß, koͤnnten wir einen einfachern Weg betreten — der uns uͤber die gewoͤhnlichen Unterſcheidungen gewiſſermaßen hinweg fuͤhren, und doch noch zu mehr Un- terſcheidungen Raum geben wuͤrde — vielleicht beſtimmbarern Unterſcheidungen. — Wie *) „Zwar nach den tiefſten Naturforſchern und Chy- „miſten ſind wenige einfache Kraͤfte und Elemente zur „Bewegung und Miſchung unzaͤhliger Koͤrper der gan- „zen Natur genug; je tiefer man alle Werke Gottes be- „obachtend ſtudiert, deſto mehr findet man wenige ein- „fache Mittel, durch die Gott einfaͤltig die mannichfal- „tigſten formirt, und ausfuͤhrt; Einheit zur Wurzel von „Unendlichkeiten des Allmacht.“ Gedanke eines Freundes. Phyſ. Fragm. IV Verſuch. X x

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/407
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/407>, abgerufen am 04.05.2024.