Es ist unmöglich -- rohe Härte, und unempfindliche innere Pöbelhaftigkeit in 3. -- Blö- digkeit, Schwachheit, Stumpfsinn in 2, Scharfsinn und Tiefblick des Geistes in 1. nicht sogleich zu erkennen, oder wenigstens in dem Augenblicke, da wir dieß aussprechen -- dieses uns nicht ge- stehen zu müssen.
Es wird in den physiognomischen Linien, wenn Gott mir Kraft und Lust erhält, de- monstrirt werden, daß und wie aus den bloßen Umrissen eines Schädels, der Grad seiner Ver- standeskräfte, wenigstens das Verhältniß seiner Capazität und Talente zu andern Köpfen, ma- thematisch bestimmt werden kann. Wenn ich Mathematiker wäre, wie es unser Freund in einem außerordentlichen Grad ist, so würde mir nichts leichter seyn, als eine Proportionaltafel zu entwer- fen für die Fähigkeiten aller Schädel -- die sich in denselben Umständen befinden. Jtzt kann ichs noch nicht, aber bin ganz vollkommen gewiß, daß es ein mathematischer Kopf können muß. Man- chem vielleicht mag es Behauptung eines Unsinnigen scheinen -- Es ist Behauptung untersuchen- der Wahrheitsliebe -- daß, wenn man das Zenith -- und die äußerste Horizontalspitze einer Profilstirn in einen rechten Winkel faßt, und die Horizontal- und Perpendikular- linie, und das Verhältniß dieser beyden zu ihrer Diagonale vergleicht -- die Capazität
der
Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung.
[Abbildung]
Es iſt unmoͤglich — rohe Haͤrte, und unempfindliche innere Poͤbelhaftigkeit in 3. — Bloͤ- digkeit, Schwachheit, Stumpfſinn in 2, Scharfſinn und Tiefblick des Geiſtes in 1. nicht ſogleich zu erkennen, oder wenigſtens in dem Augenblicke, da wir dieß ausſprechen — dieſes uns nicht ge- ſtehen zu muͤſſen.
Es wird in den phyſiognomiſchen Linien, wenn Gott mir Kraft und Luſt erhaͤlt, de- monſtrirt werden, daß und wie aus den bloßen Umriſſen eines Schaͤdels, der Grad ſeiner Ver- ſtandeskraͤfte, wenigſtens das Verhaͤltniß ſeiner Capazitaͤt und Talente zu andern Koͤpfen, ma- thematiſch beſtimmt werden kann. Wenn ich Mathematiker waͤre, wie es unſer Freund in einem außerordentlichen Grad iſt, ſo wuͤrde mir nichts leichter ſeyn, als eine Proportionaltafel zu entwer- fen fuͤr die Faͤhigkeiten aller Schaͤdel — die ſich in denſelben Umſtaͤnden befinden. Jtzt kann ichs noch nicht, aber bin ganz vollkommen gewiß, daß es ein mathematiſcher Kopf koͤnnen muß. Man- chem vielleicht mag es Behauptung eines Unſinnigen ſcheinen — Es iſt Behauptung unterſuchen- der Wahrheitsliebe — daß, wenn man das Zenith — und die aͤußerſte Horizontalſpitze einer Profilſtirn in einen rechten Winkel faßt, und die Horizontal- und Perpendikular- linie, und das Verhaͤltniß dieſer beyden zu ihrer Diagonale vergleicht — die Capazitaͤt
der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0045"n="23"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung.</hi></fw><lb/><figure/><p>Es iſt unmoͤglich — rohe Haͤrte, und unempfindliche innere Poͤbelhaftigkeit in 3. — Bloͤ-<lb/>
digkeit, Schwachheit, Stumpfſinn in 2, Scharfſinn und Tiefblick des Geiſtes in 1. nicht ſogleich<lb/>
zu erkennen, oder wenigſtens in dem Augenblicke, da wir dieß ausſprechen — dieſes uns nicht ge-<lb/>ſtehen zu muͤſſen.</p><lb/><p>Es wird in den <hirendition="#fr">phyſiognomiſchen Linien,</hi> wenn Gott mir Kraft und Luſt erhaͤlt, de-<lb/>
monſtrirt werden, daß und wie aus den bloßen Umriſſen eines Schaͤdels, der <hirendition="#fr">Grad</hi>ſeiner <hirendition="#fr">Ver-<lb/>ſtandeskraͤfte,</hi> wenigſtens das Verhaͤltniß ſeiner Capazitaͤt und Talente zu andern Koͤpfen, ma-<lb/>
thematiſch beſtimmt werden kann. Wenn ich Mathematiker waͤre, wie es unſer Freund in einem<lb/>
außerordentlichen Grad iſt, ſo wuͤrde mir nichts leichter ſeyn, als eine Proportionaltafel zu entwer-<lb/>
fen fuͤr die Faͤhigkeiten aller Schaͤdel — die ſich in denſelben Umſtaͤnden befinden. Jtzt kann ichs<lb/>
noch nicht, aber bin ganz vollkommen gewiß, daß es ein mathematiſcher Kopf koͤnnen muß. Man-<lb/>
chem vielleicht mag es Behauptung eines Unſinnigen ſcheinen — Es iſt Behauptung unterſuchen-<lb/>
der Wahrheitsliebe —<hirendition="#fr">daß, wenn man das Zenith — und die aͤußerſte Horizontalſpitze<lb/>
einer Profilſtirn in einen rechten Winkel faßt, und die Horizontal- und Perpendikular-<lb/>
linie, und das Verhaͤltniß dieſer beyden zu ihrer Diagonale vergleicht — die Capazitaͤt</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">der</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[23/0045]
Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung.
[Abbildung]
Es iſt unmoͤglich — rohe Haͤrte, und unempfindliche innere Poͤbelhaftigkeit in 3. — Bloͤ-
digkeit, Schwachheit, Stumpfſinn in 2, Scharfſinn und Tiefblick des Geiſtes in 1. nicht ſogleich
zu erkennen, oder wenigſtens in dem Augenblicke, da wir dieß ausſprechen — dieſes uns nicht ge-
ſtehen zu muͤſſen.
Es wird in den phyſiognomiſchen Linien, wenn Gott mir Kraft und Luſt erhaͤlt, de-
monſtrirt werden, daß und wie aus den bloßen Umriſſen eines Schaͤdels, der Grad ſeiner Ver-
ſtandeskraͤfte, wenigſtens das Verhaͤltniß ſeiner Capazitaͤt und Talente zu andern Koͤpfen, ma-
thematiſch beſtimmt werden kann. Wenn ich Mathematiker waͤre, wie es unſer Freund in einem
außerordentlichen Grad iſt, ſo wuͤrde mir nichts leichter ſeyn, als eine Proportionaltafel zu entwer-
fen fuͤr die Faͤhigkeiten aller Schaͤdel — die ſich in denſelben Umſtaͤnden befinden. Jtzt kann ichs
noch nicht, aber bin ganz vollkommen gewiß, daß es ein mathematiſcher Kopf koͤnnen muß. Man-
chem vielleicht mag es Behauptung eines Unſinnigen ſcheinen — Es iſt Behauptung unterſuchen-
der Wahrheitsliebe — daß, wenn man das Zenith — und die aͤußerſte Horizontalſpitze
einer Profilſtirn in einen rechten Winkel faßt, und die Horizontal- und Perpendikular-
linie, und das Verhaͤltniß dieſer beyden zu ihrer Diagonale vergleicht — die Capazitaͤt
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/45>, abgerufen am 15.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.