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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
Namen Tempern (vergl. S. 296) gegeben. Den eigentlichen Unter-
schied erkannte man jedenfalls erst, nachdem das Verfahren schon
lange Zeit geübt worden war; noch heute pflegen Empiriker denselben
unbeachtet zu lassen.


Als Oxydationsmittel beim Glühfrischen -- von diesem allein kann
hier die Rede sein, da das einfache Ausglühen ohne Oxydation einer
besonderen Beschreibung nicht bedarf -- dient in einzelnen Fällen
atmosphärische Luft; häufiger benutzt man Metalloxyde, welche einen
Theil ihres Sauerstoffes leicht an den Kohlenstoff des Roheisens abgeben.
Als besonders geeignet für diesen Zweck erscheinen eisenoxydreiche
Eisenerze: Rotheisenerze, geröstete Spath- oder Brauneisenerze. Geröstete
Magneteisenerze und Hammerschlag finden ebenfalls nicht seltene Ver-
wendung theils für sich allein oder in Vermischung mit den erstge-
nannten Erzen, wirken aber nicht ganz so kräftig; auch ausgelaugte
Kiesabbrände (Purple ores) bilden ein für diesen Zweck geschätztes
Material. In einigen Fällen benutzt man Zinkoxyd, sofern dieses aus-
reichend billig zu haben ist.

Die als Glühmittel dienenden Oxyde werden gepulvert, und das
zu glühende Roheisen wird in dieselben eingepackt. Infolge der statt-
findenden Einwirkung wird das Glühmittel sauerstoffärmer; bei aus-
reichend hoher Temperatur und lange fortgesetztem Glühen kann es
sogar theilweise zu Metall reducirt werden, ja es kann sogar geschehen,
dass kohlenstoffhaltiges Eisen erfolgt. Soll deshalb das Glühmittel aufs
Neue benutzt werden, so ist eine Aussonderung der stärker reducirten
Theilchen und ein Zusatz frischer Oxyde erforderlich.

Bei Anwendung atmosphärischer Luft als Glühmittel fallen die
Kosten für die stete Erneuerung der Oxyde weg; aber eine unmittel-
bare und ungeschwächte Einwirkung der Luft auf das zu glühende
Eisen würde eine starke Glühspanbildung hervorrufen. Nach Tunner's
Vorschlage vermeidet man diesen Uebelstand, indem man die zu glühen-
den Eisenstücke in grobkörnigen Quarzsand einpackt, welcher nur einen
beschränkten Luftzutritt zu der Oberfläche derselben gestattet. Dennoch
ist dieses letztere Verfahren nur vereinzelt geblieben.


Beachtenswerth ist die Thatsache, dass die Entkohlung -- sowohl
bei Anwendung fester Glühmittel als freien Sauerstoffes -- sich nicht
allein auf die Oberfläche des geglühten Eisenstückes beschränkt, son-
dern sich auch auf die innersten Theile desselben erstreckt, sofern das
oxydirende Glühen ausreichend lange fortgesetzt wird. Es findet also
offenbar eine Wanderung des Kohlenstoffes statt. Wenn am Rande
des Eisenstückes die Menge des Kohlenstoffes sich verringert, fliesst
gewissermaassen von innen her Kohlenstoff nach, damit Ausgleich statt-
findet. Am besten wird man sich einen Begriff des Vorganges machen
können, wenn man sich den Verlauf derartig vorstellt, dass von Molekül
zu Molekül des Eisens Kohlenstoff abgegeben wird, sobald das eine
Molekül kohlenstoffärmer als das andere geworden ist; solcherart findet

Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
Namen Tempern (vergl. S. 296) gegeben. Den eigentlichen Unter-
schied erkannte man jedenfalls erst, nachdem das Verfahren schon
lange Zeit geübt worden war; noch heute pflegen Empiriker denselben
unbeachtet zu lassen.


Als Oxydationsmittel beim Glühfrischen — von diesem allein kann
hier die Rede sein, da das einfache Ausglühen ohne Oxydation einer
besonderen Beschreibung nicht bedarf — dient in einzelnen Fällen
atmosphärische Luft; häufiger benutzt man Metalloxyde, welche einen
Theil ihres Sauerstoffes leicht an den Kohlenstoff des Roheisens abgeben.
Als besonders geeignet für diesen Zweck erscheinen eisenoxydreiche
Eisenerze: Rotheisenerze, geröstete Spath- oder Brauneisenerze. Geröstete
Magneteisenerze und Hammerschlag finden ebenfalls nicht seltene Ver-
wendung theils für sich allein oder in Vermischung mit den erstge-
nannten Erzen, wirken aber nicht ganz so kräftig; auch ausgelaugte
Kiesabbrände (Purple ores) bilden ein für diesen Zweck geschätztes
Material. In einigen Fällen benutzt man Zinkoxyd, sofern dieses aus-
reichend billig zu haben ist.

Die als Glühmittel dienenden Oxyde werden gepulvert, und das
zu glühende Roheisen wird in dieselben eingepackt. Infolge der statt-
findenden Einwirkung wird das Glühmittel sauerstoffärmer; bei aus-
reichend hoher Temperatur und lange fortgesetztem Glühen kann es
sogar theilweise zu Metall reducirt werden, ja es kann sogar geschehen,
dass kohlenstoffhaltiges Eisen erfolgt. Soll deshalb das Glühmittel aufs
Neue benutzt werden, so ist eine Aussonderung der stärker reducirten
Theilchen und ein Zusatz frischer Oxyde erforderlich.

Bei Anwendung atmosphärischer Luft als Glühmittel fallen die
Kosten für die stete Erneuerung der Oxyde weg; aber eine unmittel-
bare und ungeschwächte Einwirkung der Luft auf das zu glühende
Eisen würde eine starke Glühspanbildung hervorrufen. Nach Tunner’s
Vorschlage vermeidet man diesen Uebelstand, indem man die zu glühen-
den Eisenstücke in grobkörnigen Quarzsand einpackt, welcher nur einen
beschränkten Luftzutritt zu der Oberfläche derselben gestattet. Dennoch
ist dieses letztere Verfahren nur vereinzelt geblieben.


Beachtenswerth ist die Thatsache, dass die Entkohlung — sowohl
bei Anwendung fester Glühmittel als freien Sauerstoffes — sich nicht
allein auf die Oberfläche des geglühten Eisenstückes beschränkt, son-
dern sich auch auf die innersten Theile desselben erstreckt, sofern das
oxydirende Glühen ausreichend lange fortgesetzt wird. Es findet also
offenbar eine Wanderung des Kohlenstoffes statt. Wenn am Rande
des Eisenstückes die Menge des Kohlenstoffes sich verringert, fliesst
gewissermaassen von innen her Kohlenstoff nach, damit Ausgleich statt-
findet. Am besten wird man sich einen Begriff des Vorganges machen
können, wenn man sich den Verlauf derartig vorstellt, dass von Molekül
zu Molekül des Eisens Kohlenstoff abgegeben wird, sobald das eine
Molekül kohlenstoffärmer als das andere geworden ist; solcherart findet

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[934/1022] Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses. Namen Tempern (vergl. S. 296) gegeben. Den eigentlichen Unter- schied erkannte man jedenfalls erst, nachdem das Verfahren schon lange Zeit geübt worden war; noch heute pflegen Empiriker denselben unbeachtet zu lassen. Als Oxydationsmittel beim Glühfrischen — von diesem allein kann hier die Rede sein, da das einfache Ausglühen ohne Oxydation einer besonderen Beschreibung nicht bedarf — dient in einzelnen Fällen atmosphärische Luft; häufiger benutzt man Metalloxyde, welche einen Theil ihres Sauerstoffes leicht an den Kohlenstoff des Roheisens abgeben. Als besonders geeignet für diesen Zweck erscheinen eisenoxydreiche Eisenerze: Rotheisenerze, geröstete Spath- oder Brauneisenerze. Geröstete Magneteisenerze und Hammerschlag finden ebenfalls nicht seltene Ver- wendung theils für sich allein oder in Vermischung mit den erstge- nannten Erzen, wirken aber nicht ganz so kräftig; auch ausgelaugte Kiesabbrände (Purple ores) bilden ein für diesen Zweck geschätztes Material. In einigen Fällen benutzt man Zinkoxyd, sofern dieses aus- reichend billig zu haben ist. Die als Glühmittel dienenden Oxyde werden gepulvert, und das zu glühende Roheisen wird in dieselben eingepackt. Infolge der statt- findenden Einwirkung wird das Glühmittel sauerstoffärmer; bei aus- reichend hoher Temperatur und lange fortgesetztem Glühen kann es sogar theilweise zu Metall reducirt werden, ja es kann sogar geschehen, dass kohlenstoffhaltiges Eisen erfolgt. Soll deshalb das Glühmittel aufs Neue benutzt werden, so ist eine Aussonderung der stärker reducirten Theilchen und ein Zusatz frischer Oxyde erforderlich. Bei Anwendung atmosphärischer Luft als Glühmittel fallen die Kosten für die stete Erneuerung der Oxyde weg; aber eine unmittel- bare und ungeschwächte Einwirkung der Luft auf das zu glühende Eisen würde eine starke Glühspanbildung hervorrufen. Nach Tunner’s Vorschlage vermeidet man diesen Uebelstand, indem man die zu glühen- den Eisenstücke in grobkörnigen Quarzsand einpackt, welcher nur einen beschränkten Luftzutritt zu der Oberfläche derselben gestattet. Dennoch ist dieses letztere Verfahren nur vereinzelt geblieben. Beachtenswerth ist die Thatsache, dass die Entkohlung — sowohl bei Anwendung fester Glühmittel als freien Sauerstoffes — sich nicht allein auf die Oberfläche des geglühten Eisenstückes beschränkt, son- dern sich auch auf die innersten Theile desselben erstreckt, sofern das oxydirende Glühen ausreichend lange fortgesetzt wird. Es findet also offenbar eine Wanderung des Kohlenstoffes statt. Wenn am Rande des Eisenstückes die Menge des Kohlenstoffes sich verringert, fliesst gewissermaassen von innen her Kohlenstoff nach, damit Ausgleich statt- findet. Am besten wird man sich einen Begriff des Vorganges machen können, wenn man sich den Verlauf derartig vorstellt, dass von Molekül zu Molekül des Eisens Kohlenstoff abgegeben wird, sobald das eine Molekül kohlenstoffärmer als das andere geworden ist; solcherart findet

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 934. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/1022>, abgerufen am 07.05.2024.