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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Wahl des Roheisens.
wünschenswerth, dass auch der Kohlenstoffgehalt ein mittleres Maass
-- etwa 3--3.5 Proc. -- nicht erheblich überschreite.

Durch die Erfüllung dieser Bedingungen bei der Auswahl des
Roheisens wird nun freilich der dem Glühen vorausgehende Process,
die Formgebung durch Giessen, und die Erzielung brauchbarer Abgüsse
nicht unerheblich erschwert, ein Umstand, welcher bei Darstellung
schmiedbaren Gusses nicht selten die Ursache von Misserfolgen bildet.

Es kommt hierbei zunächst in Betracht, dass das geschmolzene
Roheisen um so dickflüssiger zu sein pflegt, je geringer sein Gehalt
ist an Silicium, Kohlenstoff, Phosphor. Gerade das graue, für das Glüh-
frischen nicht benutzbare, Roheisen füllt unter sämmtlichen Eisen-
sorten die Gussformen am leichtesten und schärfsten aus, und diese
Eigenschaft erleichtert nicht wenig die Verwendung desselben für die
Giesserei.

Einen nicht minder nachtheiligen Einfluss übt der Umstand, dass
jenes reine, d. h. graphitfreie, Roheisen stärker als graues schwindet,
d. h. nach dem Giessen seine Abmessungen verkürzt, als graues Roh-
eisen. Die Folge davon ist theils die leichtere Entstehung von Span-
nungen oder Rissen in den Abgüssen, wenn bei ungleichmässiger
Materialvertheilung die Abkühlung der einzelnen Theile nicht gleich-
mässig von statten geht; und anderntheils die Entstehung kleiner oder
grösserer hohler Stellen im Inneren der Abgüsse da, wo das Metall
zuletzt erstarrte (z. B. in den Kreuzungspunkten verschiedener Quer-
schnitte). 1) Diese Hohlräume verringern natürlich die Festigkeit des
Abgusses, geben sogar mitunter Veranlassung zu einem Senken der
Oberfläche desselben (in den Giessereien "Lungern" oder "Aussaugen"
genannt) und können seine Verwendbarkeit vollständig vereiteln.

Endlich aber besitzt das reinere weisse Roheisen stärkere Neigung
als graues, Gase zu lösen und sie beim Erstarren zu entlassen, ein
Umstand, der nicht minder als die stärkere Schwindung die Erzielung
dichter Abgüsse erschwert.

Erfahrungsgemäss lässt sich durch einen mässigen Siliciumgehalt
des verwendeten Roheisens das Maass dieser die Herstellung brauch-
barer Abgüsse so sehr erschwerenden Eigenschaften des weissen Roh-
eisens abmindern, und die Giesser benutzen deshalb mit Vorliebe ein
Roheisen, welches einige Zehntel Procente (bis 0.6 Proc.) Silicium enthält;
je höher aber der Siliciumgehalt ist, desto geringer muss der Kohlen-
stoffgehalt sein, damit nicht Graphitbildung herbeigeführt werde. Ein
Mangangehalt bis zu der oben angegebenen Grenze kann die Erzielung
brauchbarer Abgüsse erleichtern, indem er die Anwendung eines etwas
siliciumreicheren Materiales gestattet, ohne dass Graphitbildung zu be-
fürchten ist.

Die Form und Grösse der herzustellenden Abgüsse werden viel-
fach entscheiden müssen, welche Zusammensetzung des Roheisens die
geeignetste für jeden einzelnen Fall sei. Je mehr die Erzielung dichter
Abgüsse durch die äussere Form und Grösse derselben begünstigt
wird, ein desto reineres, insbesondere siliciumärmeres Material kann

1) Näheres über diese Folgen der Schwindung findet der Leser in meinem
Handbuche der Eisengiesserei, Weimar 1883, S. 28.
Ledebur, Handbuch. 60

Die Wahl des Roheisens.
wünschenswerth, dass auch der Kohlenstoffgehalt ein mittleres Maass
— etwa 3—3.5 Proc. — nicht erheblich überschreite.

Durch die Erfüllung dieser Bedingungen bei der Auswahl des
Roheisens wird nun freilich der dem Glühen vorausgehende Process,
die Formgebung durch Giessen, und die Erzielung brauchbarer Abgüsse
nicht unerheblich erschwert, ein Umstand, welcher bei Darstellung
schmiedbaren Gusses nicht selten die Ursache von Misserfolgen bildet.

Es kommt hierbei zunächst in Betracht, dass das geschmolzene
Roheisen um so dickflüssiger zu sein pflegt, je geringer sein Gehalt
ist an Silicium, Kohlenstoff, Phosphor. Gerade das graue, für das Glüh-
frischen nicht benutzbare, Roheisen füllt unter sämmtlichen Eisen-
sorten die Gussformen am leichtesten und schärfsten aus, und diese
Eigenschaft erleichtert nicht wenig die Verwendung desselben für die
Giesserei.

Einen nicht minder nachtheiligen Einfluss übt der Umstand, dass
jenes reine, d. h. graphitfreie, Roheisen stärker als graues schwindet,
d. h. nach dem Giessen seine Abmessungen verkürzt, als graues Roh-
eisen. Die Folge davon ist theils die leichtere Entstehung von Span-
nungen oder Rissen in den Abgüssen, wenn bei ungleichmässiger
Materialvertheilung die Abkühlung der einzelnen Theile nicht gleich-
mässig von statten geht; und anderntheils die Entstehung kleiner oder
grösserer hohler Stellen im Inneren der Abgüsse da, wo das Metall
zuletzt erstarrte (z. B. in den Kreuzungspunkten verschiedener Quer-
schnitte). 1) Diese Hohlräume verringern natürlich die Festigkeit des
Abgusses, geben sogar mitunter Veranlassung zu einem Senken der
Oberfläche desselben (in den Giessereien „Lungern“ oder „Aussaugen“
genannt) und können seine Verwendbarkeit vollständig vereiteln.

Endlich aber besitzt das reinere weisse Roheisen stärkere Neigung
als graues, Gase zu lösen und sie beim Erstarren zu entlassen, ein
Umstand, der nicht minder als die stärkere Schwindung die Erzielung
dichter Abgüsse erschwert.

Erfahrungsgemäss lässt sich durch einen mässigen Siliciumgehalt
des verwendeten Roheisens das Maass dieser die Herstellung brauch-
barer Abgüsse so sehr erschwerenden Eigenschaften des weissen Roh-
eisens abmindern, und die Giesser benutzen deshalb mit Vorliebe ein
Roheisen, welches einige Zehntel Procente (bis 0.6 Proc.) Silicium enthält;
je höher aber der Siliciumgehalt ist, desto geringer muss der Kohlen-
stoffgehalt sein, damit nicht Graphitbildung herbeigeführt werde. Ein
Mangangehalt bis zu der oben angegebenen Grenze kann die Erzielung
brauchbarer Abgüsse erleichtern, indem er die Anwendung eines etwas
siliciumreicheren Materiales gestattet, ohne dass Graphitbildung zu be-
fürchten ist.

Die Form und Grösse der herzustellenden Abgüsse werden viel-
fach entscheiden müssen, welche Zusammensetzung des Roheisens die
geeignetste für jeden einzelnen Fall sei. Je mehr die Erzielung dichter
Abgüsse durch die äussere Form und Grösse derselben begünstigt
wird, ein desto reineres, insbesondere siliciumärmeres Material kann

1) Näheres über diese Folgen der Schwindung findet der Leser in meinem
Handbuche der Eisengiesserei, Weimar 1883, S. 28.
Ledebur, Handbuch. 60
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[937/1025] Die Wahl des Roheisens. wünschenswerth, dass auch der Kohlenstoffgehalt ein mittleres Maass — etwa 3—3.5 Proc. — nicht erheblich überschreite. Durch die Erfüllung dieser Bedingungen bei der Auswahl des Roheisens wird nun freilich der dem Glühen vorausgehende Process, die Formgebung durch Giessen, und die Erzielung brauchbarer Abgüsse nicht unerheblich erschwert, ein Umstand, welcher bei Darstellung schmiedbaren Gusses nicht selten die Ursache von Misserfolgen bildet. Es kommt hierbei zunächst in Betracht, dass das geschmolzene Roheisen um so dickflüssiger zu sein pflegt, je geringer sein Gehalt ist an Silicium, Kohlenstoff, Phosphor. Gerade das graue, für das Glüh- frischen nicht benutzbare, Roheisen füllt unter sämmtlichen Eisen- sorten die Gussformen am leichtesten und schärfsten aus, und diese Eigenschaft erleichtert nicht wenig die Verwendung desselben für die Giesserei. Einen nicht minder nachtheiligen Einfluss übt der Umstand, dass jenes reine, d. h. graphitfreie, Roheisen stärker als graues schwindet, d. h. nach dem Giessen seine Abmessungen verkürzt, als graues Roh- eisen. Die Folge davon ist theils die leichtere Entstehung von Span- nungen oder Rissen in den Abgüssen, wenn bei ungleichmässiger Materialvertheilung die Abkühlung der einzelnen Theile nicht gleich- mässig von statten geht; und anderntheils die Entstehung kleiner oder grösserer hohler Stellen im Inneren der Abgüsse da, wo das Metall zuletzt erstarrte (z. B. in den Kreuzungspunkten verschiedener Quer- schnitte). 1) Diese Hohlräume verringern natürlich die Festigkeit des Abgusses, geben sogar mitunter Veranlassung zu einem Senken der Oberfläche desselben (in den Giessereien „Lungern“ oder „Aussaugen“ genannt) und können seine Verwendbarkeit vollständig vereiteln. Endlich aber besitzt das reinere weisse Roheisen stärkere Neigung als graues, Gase zu lösen und sie beim Erstarren zu entlassen, ein Umstand, der nicht minder als die stärkere Schwindung die Erzielung dichter Abgüsse erschwert. Erfahrungsgemäss lässt sich durch einen mässigen Siliciumgehalt des verwendeten Roheisens das Maass dieser die Herstellung brauch- barer Abgüsse so sehr erschwerenden Eigenschaften des weissen Roh- eisens abmindern, und die Giesser benutzen deshalb mit Vorliebe ein Roheisen, welches einige Zehntel Procente (bis 0.6 Proc.) Silicium enthält; je höher aber der Siliciumgehalt ist, desto geringer muss der Kohlen- stoffgehalt sein, damit nicht Graphitbildung herbeigeführt werde. Ein Mangangehalt bis zu der oben angegebenen Grenze kann die Erzielung brauchbarer Abgüsse erleichtern, indem er die Anwendung eines etwas siliciumreicheren Materiales gestattet, ohne dass Graphitbildung zu be- fürchten ist. Die Form und Grösse der herzustellenden Abgüsse werden viel- fach entscheiden müssen, welche Zusammensetzung des Roheisens die geeignetste für jeden einzelnen Fall sei. Je mehr die Erzielung dichter Abgüsse durch die äussere Form und Grösse derselben begünstigt wird, ein desto reineres, insbesondere siliciumärmeres Material kann 1) Näheres über diese Folgen der Schwindung findet der Leser in meinem Handbuche der Eisengiesserei, Weimar 1883, S. 28. Ledebur, Handbuch. 60

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 937. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/1025>, abgerufen am 27.04.2024.