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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Chemische Untersuchungen.
auf den Verlauf der Cementirung wurden von Mannesmann angestellt. 1)
Zur Beantwortung der Frage über das Verhalten des festen Kohlen-
stoffes beim Cementiren glühte derselbe Eisenstangen, welche zur Hälfte
in gesiebten Ceylongraphit, bei anderen Versuchen in Zuckerkohle oder
Russ, zur anderen Hälfte in gesiebte Chamottestücke verpackt und dann
luftdicht in glasirte Tiegel eingeschlossen waren. In allen Fällen zeigte
sich die im festen Kohlenstoff befindliche Hälfte stark cementirt, die
andere nicht beeinflusst. Aeussere Gase hatten bei diesem Versuche
keinen Zutritt; die aus dem Graphit etwa entwickelten Gase aber
würden beide Hälften der Stangen haben beeinflussen können. Noch
deutlicher wurde der Beweis der Kohlenstoffwanderung durch einen
Versuch geliefert, bei welchem ein Schmiedeeisenstück vollständig mit
Spiegeleisen umgossen (durch Einlegen des ersteren in das im Er-
starren befindliche Spiegeleisen) und dann geglüht wurde. Schon nach
21 Minuten langem Glühen hatte sich am Umfange des eingeschlossenen
Eisenstückes eine 1 mm starke Stahlschicht gebildet. 2)

Fernerhin lässt sich aus Mannesmann's Versuchen folgern, dass
die Kohlenstoffmenge, welche das Eisen bei der Cementirung über-
haupt aufzunehmen vermag, d. i. der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohlenstoff, mit der angewendeten Temperatur steigt; und in jedem
Falle geht die Cementirung um so rascher vor sich, je höher die dabei
angewendete Temperatur ist. Ein Schmiedeeisenstück, in Holzkohle ein-
gepackt und bis zur Weissgluth erhitzt, zeigte schon nach 45 Minuten
eine Kruste weissen Roheisens von 3--5 mm Stärke mit 4.76 Proc.
Kohlenstoff, also dem höchsten Kohlenstoffgehalte, den das Eisen muth-
maasslich aufnehmen konnte. Ein Eisenstab, in der Cementirkiste der
üblichen Temperatur (Hellrothgluth) ausgesetzt, zeigte dagegen vom
13. Tage an unverändert 1.2 Proc. Kohlenstoff, auch nachdem das Cemen-
tiren noch 3 Tage hindurch fortgesetzt worden war. Je höher aber der
Kohlenstoffgehalt des Eisens steigt, desto niedriger wird die Schmelz-
temperatur desselben; und die Schwierigkeit, hochgekohltes Eisen ohne
Schmelzung zu erzeugen, wächst daher mit dem Kohlenstoffgehalte.

Andererseits ergiebt sich aus denselben Versuchen, dass die Cemen-
tirung eines Eisenstückes um so ungleichmässiger ausfällt, d. h. dass
bei einem gleichen durchschnittlichen Kohlenstoffgehalte eines
cementirten Eisenstückes der Kohlenstoffgehalt des Kernes um so stärker
von dem der Kruste abweicht, je höher die angewendete Temperatur
und je kürzer demnach die Zeitdauer des Processes war. Eben jene
Eisenstücke, welche binnen 45 Minuten durch Anwendung von Weiss-
gluth äusserlich in Roheisen umgewandelt worden waren, zeigten unter
der Roheisenschicht eine etwa 21/2 mm starke Stahlschicht und darunter
noch unverändertes Schmiedeeisen; mitunter auch liess sich äusserlich
Roheisen und unmittelbar darunter Schmiedeeisen in scharf geson-
derten Schichten von einander unterscheiden. Probestangen dagegen,

1) Vergl. Literatur.
2) Dass manche kohlenstoffhaltige Gase cementirend wirken können, unter-
liegt keinem Zweifel (vergl. hierüber S. 233); aber bei dem Cementirungsprocesse,
wie er bis jetzt ausgeführt wird, besitzen diese Gase keine Wichtigkeit.
Ledebur, Handbuch. 61

Chemische Untersuchungen.
auf den Verlauf der Cementirung wurden von Mannesmann angestellt. 1)
Zur Beantwortung der Frage über das Verhalten des festen Kohlen-
stoffes beim Cementiren glühte derselbe Eisenstangen, welche zur Hälfte
in gesiebten Ceylongraphit, bei anderen Versuchen in Zuckerkohle oder
Russ, zur anderen Hälfte in gesiebte Chamottestücke verpackt und dann
luftdicht in glasirte Tiegel eingeschlossen waren. In allen Fällen zeigte
sich die im festen Kohlenstoff befindliche Hälfte stark cementirt, die
andere nicht beeinflusst. Aeussere Gase hatten bei diesem Versuche
keinen Zutritt; die aus dem Graphit etwa entwickelten Gase aber
würden beide Hälften der Stangen haben beeinflussen können. Noch
deutlicher wurde der Beweis der Kohlenstoffwanderung durch einen
Versuch geliefert, bei welchem ein Schmiedeeisenstück vollständig mit
Spiegeleisen umgossen (durch Einlegen des ersteren in das im Er-
starren befindliche Spiegeleisen) und dann geglüht wurde. Schon nach
21 Minuten langem Glühen hatte sich am Umfange des eingeschlossenen
Eisenstückes eine 1 mm starke Stahlschicht gebildet. 2)

Fernerhin lässt sich aus Mannesmann’s Versuchen folgern, dass
die Kohlenstoffmenge, welche das Eisen bei der Cementirung über-
haupt aufzunehmen vermag, d. i. der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohlenstoff, mit der angewendeten Temperatur steigt; und in jedem
Falle geht die Cementirung um so rascher vor sich, je höher die dabei
angewendete Temperatur ist. Ein Schmiedeeisenstück, in Holzkohle ein-
gepackt und bis zur Weissgluth erhitzt, zeigte schon nach 45 Minuten
eine Kruste weissen Roheisens von 3—5 mm Stärke mit 4.76 Proc.
Kohlenstoff, also dem höchsten Kohlenstoffgehalte, den das Eisen muth-
maasslich aufnehmen konnte. Ein Eisenstab, in der Cementirkiste der
üblichen Temperatur (Hellrothgluth) ausgesetzt, zeigte dagegen vom
13. Tage an unverändert 1.2 Proc. Kohlenstoff, auch nachdem das Cemen-
tiren noch 3 Tage hindurch fortgesetzt worden war. Je höher aber der
Kohlenstoffgehalt des Eisens steigt, desto niedriger wird die Schmelz-
temperatur desselben; und die Schwierigkeit, hochgekohltes Eisen ohne
Schmelzung zu erzeugen, wächst daher mit dem Kohlenstoffgehalte.

Andererseits ergiebt sich aus denselben Versuchen, dass die Cemen-
tirung eines Eisenstückes um so ungleichmässiger ausfällt, d. h. dass
bei einem gleichen durchschnittlichen Kohlenstoffgehalte eines
cementirten Eisenstückes der Kohlenstoffgehalt des Kernes um so stärker
von dem der Kruste abweicht, je höher die angewendete Temperatur
und je kürzer demnach die Zeitdauer des Processes war. Eben jene
Eisenstücke, welche binnen 45 Minuten durch Anwendung von Weiss-
gluth äusserlich in Roheisen umgewandelt worden waren, zeigten unter
der Roheisenschicht eine etwa 2½ mm starke Stahlschicht und darunter
noch unverändertes Schmiedeeisen; mitunter auch liess sich äusserlich
Roheisen und unmittelbar darunter Schmiedeeisen in scharf geson-
derten Schichten von einander unterscheiden. Probestangen dagegen,

1) Vergl. Literatur.
2) Dass manche kohlenstoffhaltige Gase cementirend wirken können, unter-
liegt keinem Zweifel (vergl. hierüber S. 233); aber bei dem Cementirungsprocesse,
wie er bis jetzt ausgeführt wird, besitzen diese Gase keine Wichtigkeit.
Ledebur, Handbuch. 61
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[953/1041] Chemische Untersuchungen. auf den Verlauf der Cementirung wurden von Mannesmann angestellt. 1) Zur Beantwortung der Frage über das Verhalten des festen Kohlen- stoffes beim Cementiren glühte derselbe Eisenstangen, welche zur Hälfte in gesiebten Ceylongraphit, bei anderen Versuchen in Zuckerkohle oder Russ, zur anderen Hälfte in gesiebte Chamottestücke verpackt und dann luftdicht in glasirte Tiegel eingeschlossen waren. In allen Fällen zeigte sich die im festen Kohlenstoff befindliche Hälfte stark cementirt, die andere nicht beeinflusst. Aeussere Gase hatten bei diesem Versuche keinen Zutritt; die aus dem Graphit etwa entwickelten Gase aber würden beide Hälften der Stangen haben beeinflussen können. Noch deutlicher wurde der Beweis der Kohlenstoffwanderung durch einen Versuch geliefert, bei welchem ein Schmiedeeisenstück vollständig mit Spiegeleisen umgossen (durch Einlegen des ersteren in das im Er- starren befindliche Spiegeleisen) und dann geglüht wurde. Schon nach 21 Minuten langem Glühen hatte sich am Umfange des eingeschlossenen Eisenstückes eine 1 mm starke Stahlschicht gebildet. 2) Fernerhin lässt sich aus Mannesmann’s Versuchen folgern, dass die Kohlenstoffmenge, welche das Eisen bei der Cementirung über- haupt aufzunehmen vermag, d. i. der Sättigungsgrad des Eisens für Kohlenstoff, mit der angewendeten Temperatur steigt; und in jedem Falle geht die Cementirung um so rascher vor sich, je höher die dabei angewendete Temperatur ist. Ein Schmiedeeisenstück, in Holzkohle ein- gepackt und bis zur Weissgluth erhitzt, zeigte schon nach 45 Minuten eine Kruste weissen Roheisens von 3—5 mm Stärke mit 4.76 Proc. Kohlenstoff, also dem höchsten Kohlenstoffgehalte, den das Eisen muth- maasslich aufnehmen konnte. Ein Eisenstab, in der Cementirkiste der üblichen Temperatur (Hellrothgluth) ausgesetzt, zeigte dagegen vom 13. Tage an unverändert 1.2 Proc. Kohlenstoff, auch nachdem das Cemen- tiren noch 3 Tage hindurch fortgesetzt worden war. Je höher aber der Kohlenstoffgehalt des Eisens steigt, desto niedriger wird die Schmelz- temperatur desselben; und die Schwierigkeit, hochgekohltes Eisen ohne Schmelzung zu erzeugen, wächst daher mit dem Kohlenstoffgehalte. Andererseits ergiebt sich aus denselben Versuchen, dass die Cemen- tirung eines Eisenstückes um so ungleichmässiger ausfällt, d. h. dass bei einem gleichen durchschnittlichen Kohlenstoffgehalte eines cementirten Eisenstückes der Kohlenstoffgehalt des Kernes um so stärker von dem der Kruste abweicht, je höher die angewendete Temperatur und je kürzer demnach die Zeitdauer des Processes war. Eben jene Eisenstücke, welche binnen 45 Minuten durch Anwendung von Weiss- gluth äusserlich in Roheisen umgewandelt worden waren, zeigten unter der Roheisenschicht eine etwa 2½ mm starke Stahlschicht und darunter noch unverändertes Schmiedeeisen; mitunter auch liess sich äusserlich Roheisen und unmittelbar darunter Schmiedeeisen in scharf geson- derten Schichten von einander unterscheiden. Probestangen dagegen, 1) Vergl. Literatur. 2) Dass manche kohlenstoffhaltige Gase cementirend wirken können, unter- liegt keinem Zweifel (vergl. hierüber S. 233); aber bei dem Cementirungsprocesse, wie er bis jetzt ausgeführt wird, besitzen diese Gase keine Wichtigkeit. Ledebur, Handbuch. 61

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 953. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/1041>, abgerufen am 29.04.2024.